Daniel Leupi
04.01.2016, 10:08 Uhr
«Eine Stadt muss adäquat unterwegs sein»
Der Zürcher Stadtrat Daniel Leupi spricht im Interview über die ICT-Pläne der Stadt und Kontrollmechanismen.
Computerworld: Vor wenigen Tagen warnte ein hochrangiger Google-Mitarbeiter, Zürich könnte als ICT-Standort an Bedeutung verlieren wegen Kontingenten und Arbeitszeiterfassung. Beschäftigt Sie das?
Daniel Leupi: Natürlich. Dass es ziemlich wirtschaftsschädigend ist, was eine bestimmte Partei mit ihrer Masseneinwanderungsinitiative verursacht hat, kann nicht weggeredet werden. Allerdings ist die Umsetzung Sache des Bundes, nicht der Kommunen. Bei der Arbeitszeiterfassung hat der Bund die Regeln gelockert. Insgesamt haben sich die Rahmenbedingungen verschärft. Trotzdem gehe ich davon aus, dass Zürich ein attraktiver Standort ist und bleiben wird.
Für die IT-Industrie?
Ja. Nebst der Versicherungs- und Bankenbranche wird dieser Zweig für Zürich immer wichtiger. Man redet zwar oft nur von Firmen wie Google oder Disney, aber wir haben wesentlich mehr Unternehmen hier. Wir haben offensichtlich eine gewisse Bedeutung für die IT, das müssen wir nutzen.
Dann erzählen Sie: Was plant die Stadt?
Nächstes Jahr finden am 3. und 4. Juni die Informatiktage statt. 70 Institutionen aus dem IT-Bereich werden ihre Tore öffnen um der Bevölkerung zu zeigen, was Digitalisierung genau ist. Dazu gehören beispielsweise Accenture, Microsoft, Swisscom oder ZKB. Die Idee dazu entstand aus dem eZürich-Netzwerk. Interessierte Unternehmen können sich übrigens immer noch anmelden.
Von eZürich hört man aber nicht mehr viel, ausser, dass die Stadt den Lead an den Kanton abgegeben hat.
Der Kanton hat nach der letzten Legislatur die Koordination übernommen, wir sind nach wie vor dabei. Es stimmt, es gab eine Zeit lang wenig grosse Projekte, die aus eZürich hervorgegangen sind. Das wird sich nächstes Jahr ändern: Die Informatiktage habe ich bereits erwähnt, darüber hinaus gibt es weitere Projekte, beispielsweise soll der Austausch zwischen Zürcher Politikerinnen und Politikern und der ICT-Branche in einem neuen Veranstaltungsformat gestärkt werden. Die Vorbereitungen dazu laufen. Die Vernetzungsanlässe finden nach wie vor statt und erfreuen sich grosser Beliebtheit. Dadurch lernt man verschiedene Partner kennen und kann sich organisieren.
Organisation ist ein gutes Stichwort. Nebst den angesprochenen Projekten und Veranstaltungen gibt es auch noch Digital Zurich 2025 und andere Veranstaltungen. Doppelspurigkeiten sind vorprogrammiert…
…nein. Es gibt zwar viele Projekte, doch keine Überschneidungen. Die gäbe es nur, wenn umfassende Aufgaben abgedeckt würden und das ist in dem Bereich schlichtweg nicht möglich. eZürich wirkte mehr nach Innen, setzte sich für die Branche ein, indem beispielsweise die Nachwuchsförderung verbessert wurde. Bei Digital Zurich 2025 handelt es sich um ein durch Private lanciertes Projekt, das sich hauptsächlich um Start-up-Förderung kümmert.
Was kosten diese ICT-Programme die Stadt?
Das sind keine Millionenbeträge, diese Veranstaltungen sind relativ informell. Sie werden aus dem laufenden Budget gedeckt. Wenn man für drei Tage an der Berufsmesse «ICT Skills 2015» am Hauptbahnhof Zürich teilnimmt, wie wir dies im letzten Herbst taten, kostet das aber auch schnell einen fünfstelligen Betrag.
Dass die IT in Zürich zu teuer ist, wird vom Parlament öfters kritisiert
Das stimmt. Allerdings ist das nicht richtig. Wir haben durch die Zentralisierung der Rechenzentren Millionen gespart, haben Bedingungen für Projektbewilligungen und Standardarbeitsplätze eingeführt. Das alles hilft auf lange Sicht, Kosten zu sparen. Ansonsten könnten nicht einzelne Dienstabteilungen ihre Arbeit mit gleich viel Personal wie zu Beginn der 0er-Jahre bewältigen, als 40 000 Menschen weniger in Zürich lebten. Diese Entwicklung fördern wir bewusst. In einigen Abteilungen können wir die Aufgaben dank Optimierungen und Automatisierungen durch IT-Prozesse mit weniger Personal ausführen.
Das Engagement scheint sich auszuzahlen. Zürich ist für die Schweiz der wichtigste ICT-Standort.
Ja. Aber auch wenn wir kein spezieller ICT-Standort wären, ist klar: IT durchdringt das Leben. Da muss auch eine Stadt adäquat unterwegs sein und die Mittel nutzen. Beim eUmzug waren wir bei den ersten, bald führen wir eine vereinfachte Administration bei der Kinderbetreuung ein, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Bevölkerung nutzt die Angebote auch, die Quoten für Online-Parkkarten oder -Steuererklärungen steigen Jahr für Jahr. Klar ist aber auch: Wir könnten theoretisch noch viel mehr machen. Allerdings sind wir keine kleine Stadtverwaltung und müssen deshalb stets evaluieren, was Sinn macht.
Wer evaluiert?
Es gibt eine IT-Delegation, deren Vorsteher ich bin. In dieser sind Mitglieder des Stadtrats und Dienstchefs vertreten. Die Delegation funktioniert wie ein Steuerungsausschuss. Wir triagieren, welche Projekte weiterverfolgt werden sollen. Darunter gibt es die Dienstabteilung für Organisation und Informatik (OIZ), die für IT-Dienstleistungen und IT-Projekte zuständig ist.
Sie als Finanzvorstand sind letztendlich für OIZ und IT-Delegation verantwortlich. Gibt es keine unabhängige Aufsicht?
Letzten Endes haben bei grösseren IT-Projekten in Zürich immer der Stadtrat und der Gemeinderat die Finanzkompetenz. Die Rechnungsprüfungskommission sieht sich jedes einzelne Konto bei der OIZ und den anderen Dienstabteilungen an und weiss so über jedes Projekt genau Bescheid. Zusätzlich haben wir einen stadtweiten IT-Controller und zum Schluss überprüft die Finanzkontrolle die Kreditabrechnungen. Ich denke, unsere Kontrollmechanismen sind angemessen und wirksam.
! KASTEN !