11.02.2011, 06:00 Uhr
Neudefinition des Personaldossiers
In den Archiven der Personalabteilungen lagert jede Menge Papier – Verträge, Zeugnisse, Beurteilungen und andere wertvolle Mitarbeiterinformationen. Um diesen Schatz zu heben, sind neue Instrumente, aber auch neue HR-Prozesse gefragt.
Claudia Broghammer ist Principal Solution Consultant bei HR Campus. Thomas Pfannstiel ist ECM Consultant bei Open Text. Bis zur Digitalisierung repräsentierten die Personaldossiers das Heiligtum einer Personalabteilung. Mitarbeiterinformationen wurden in Hängeregistern gesammelt, sortiert, verwaltet und abgeheftet. Heute werden diese Daten meist in strukturierter Form im Human-Ressource-Management-System (HRM) der Unternehmen verwaltet. Die papiergebundene Akte verkommt zum Ablagesystem für Originaldokumente wie Zeugnisse, Zertifikate, Verträge, Vereinbarungen oder anderen papiergebundenen Informationen, die nicht in die Struktur des HRM-Systems passen. Natürlich bieten die meisten HRM-Lösungen die Möglichkeit, elektronische Dokumente an einen Personalstamm anzuhängen. Das erhöht zwar den Komfort für Führungskräfte, die sich einen Überblick über ihre Mitarbeitenden verschaffen wollen – Stichwort «Manager Self Service». Allerdings entstehen so überflüssige Redundanzen, da alle oder zumindest viele Dokumente papierbasiert und elektronisch vorliegen. Eine wirkliche Effizienzsteigerung und Kostenersparnis wird so nicht bewirkt. Zudem ist diese Art der Dokumentenablage nicht zwangsläufig auch ein rechtsgültiges digitales Dossier.
Transparenz durch e-Dossiers
Für die HR-Abteilung bedeutet das vor allem eines: Mehrarbeit. Das Papier dominiert nach wie vor, wird kopiert und an Aussenstellen oder Vorgesetzte gesandt. Das generiert viel Papier und man verliert leicht den Überblick. Das bestätigt auch Thomas König, Leiter Saläradministration & Sozial-versicherungen bei Axpo, einem der führenden Schweizer Energieunternehmen: «Bei einem grossen Unternehmen bedeuten die Pflege und die laufende Aktualisierung der in Papierform aufbewahrten Personaldossiers einen enormen Aufwand.» Die Axpo hat sich aus diesem Grund entschieden, alle Personaldossiers zu digitalisieren. Für König die richtige Entscheidung: «Mit der E-Personaldossier-Lösung haben wir unter anderem eine Kostenreduktion für die Aktenverwaltung von rund 130000 Franken im Jahr erreicht.» Der Effizienzgewinn hat sich für die Axpo aber auch noch an anderer Stelle bemerkbar gemacht: «Für die Mitarbeitenden ist mit der elektronischen Abspeicherung der Personaldaten ein Gewinn an Transparenz verbunden, da sie jederzeit auf ihr eigenes Personaldossier zugreifen können», so König. «Gleichzeitig lässt sich mit den klar geregelten Zugriffsrechten sicherstellen, wer Einsicht in welche Personaldossiers nehmen kann.»
Neue Funktionen sind gefragt
Die Einführung eines digitalen Personaldossiers geht jedoch über das blosse Einscannen von Dokumenten oder ein einfaches Enterprise Content Management hinaus, denn es gelten besondere Ansprüche und rechtliche Auflagen. Inzwischen bauen die Hersteller klassischer HRM-Systeme ihre Lösungen entsprechend aus. Auch Business-Software-Anbieter erweitern ihre Lösungen um Funktionalitäten zur Erzeugung von Dokumenten und Steuerung kompletter HR-Prozesse. Das klingt simpel. Aber beide Seiten bewegen sich damit auf neuem Terrain: Differenziertes Know-how ist gefragt, das bis dato vielleicht nicht zur Kernkompetenz des Herstellers gehörte. Einige Marktplayer haben diese Transformation bereits abgeschlossen. So bietet zum Beispiel SAP mit dem voll integrierten Open Text Employee File Management ein Cockpit, das den kompletten Zugriff auf Mitarbeiterdaten, Dokumente sowie Auswertungen ermöglicht und zugleich als Schaltzentrale für sämtliche mitarbeiter-bezogenen HR-Prozesse dient.
HR-Prozesse hinterfragen
Unabhängig von der Wahl der richtigen Software zieht die Einführung eines digitalen Personaldossiers auch ein Re-Design von HR-Prozessen mit sich. Wo entstehen Dokumente und auf welchen Kanälen finden sie ihren Weg ins Personaldossier? Wie sehen diese Prozesse heute aus und wie können sie sich in Zukunft abspielen? Anstatt etwa ein Dokument zu erzeugen, auszudrucken, zu unterschreiben und wieder einzuscannen, kann der Prozess selbst direkt ein digitales Dokument generieren, das automatisch ins digitale Personaldossier des Mitarbeiters wandert. Andere Dokumente erreichen das Unternehmen auf dem Postweg, müssen gescannt und abgelegt werden. Dies kann zentral oder dezentral erfolgen. Häufig werden diese Abläufe mithilfe von Barcodes organisiert. Nebst den Prozessen rund um die Dokumentenentstehung und -ablage sind Zugriffsprozesse zu definieren und zum Beispiel in bestehende Manager- und Employee-Self-Services zu integrieren. Hinter all diesem Bestreben stehen die Faktoren Kosten, Raum und Zeit als wichtigste Treiber. Echte Einsparungen entstehen nur, wenn man sich tatsächlich vom papiergefüllten Hängeregister verabschiedet. Die gesetzliche Situation in der Schweiz erlaubt dies, sofern bestimmte Richtlinien eingehalten werden. Dazu gehören beispielsweise die Unveränderbarkeit der Dokumente durch Dateiformate wie PDF/A und TIFF G4, die Speicherung auf einem unveränderbaren Medium oder – falls die Speicherung auf veränderbaren Medien erfolgt – die Sicherstellung der Herkunft mittels digitaler Signatur. Zusätzlich müssen alle Zugriffe nachweisbar protokolliert sein. Für Thomas König bieten E-Dossiers sogar mehr Schutz als Papierakten: «Die digitale Aufbewahrung der Personaldaten ist sicherer als die physische. Die Dokumente können weder verloren gehen noch durch einen Brand zerstört werden. Ausserdem sind sie auf einem separaten Server abgelegt, in den niemand eindringen kann.»
Konsequent umstellen
Soll umgestellt werden, steht die Personalabteilung zunächst einmal vor einem Papierberg, den es abzutragen gilt. Sprich, es muss ein «Initialscanning» durchgeführt werden; eines der erfolgskritischen Elemente auf dem Weg zum erfolgreichen E-Dossier. Wird hier an der falschen Stelle gespart, sind die Dokumente später schlecht lesbar oder ungenügend klassifiziert. Dieses erste, grundlegende Einscannen wird meist von einem professionellen Scan-Dienstleister durchgeführt. Einige Monate nach dem go live folgt eine der letzten Projektphasen: das tatsächliche Leeren der Aktenschränke. Bei der Aktenvernichtung ist der Einbezug eines zertifizierten Partners empfehlenswert. Dieser stellt sicher, dass die relevanten Normen ISO 9001 und ISO 14001 eingehalten werden.