31.01.2013, 10:15 Uhr
EWZ bedient bis zu 15 Prozent aller FTTH-Haushalte
In Zusammenarbeit mit zehn Providern bietet das Zürcher Elektrizitätswerk Internetdienste über Glasfaser an. Der verantwortliche Peter Messmann sagt im Interview mit Computerworld.ch, Gewinnmaximierung sei nicht oberste Priorität
Peter Messmann ist seit 1999 Leiter Telekom beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Er zeichnet seit der ersten Volksabstimmung im März 2007 für den Bau des Glasfasernetzes verantwortlich. Computerworld.ch spricht mit Messmann über Baukosten, die Pionierrolle des EWZ und die Aussichten, rentabel zu wirtschaften.
Die Zürcher Stimmbevölkerung sagte letztes Jahr mit 65% «Ja» zum 2. Kredit für den Bau des städtischen Glasfasernetzes. Wie erleichtert sind Sie nach dem deutlichen Entscheid?
Ich freue mich darüber. Das klare «Ja» ist Ausdruck des Vertrauens des Zürcher Stimmvolks, dass das EWZ dieses für den Standort so wichtige Infrastrukturprojekt schnell, effizient und in angemessener Qualität umsetzen kann.
Gratulation. Wie weit ist der Ausbau vorangeschritten? Sind Sie auf Kurs?
Ja. Die Verhandlungen mit Partnern für die Erschliessung bezüglich des Roll-Out laufen, die Zusammenarbeit mit Swisscom ist definiert und die Bauplanung sehr weit fortgeschritten. Dazu wurde die aktive Vermarktung seitens EWZ und der Service Provider intensiviert.
Dank den zwei positiv verlaufenen Abstimmungen darf das EWZ insgesamt 600 Millionen Franken investieren. Können Sie garantieren, dass das für den Ausbau des gesamten Stadtgebiets ausreicht und kein weiterer Kredit mehr nötig sein wird?
Die genannte Zahl muss man genauer anschauen: Bereits im Jahr 2007 bewilligte das Zürcher Stimmvolk einen Rahmenkredit für die erste Bauetappe des Glasfasernetzes von 200 Millionen Franken. Der Objektkredit von 400 Millionen Franken, der im September 2012 vom Zürcher Volk gesprochen wurde, deckt nach heutigem Kenntnisstand alle nötigen Kosten für den flächendeckenden Ausbau des Zürcher Glasfasernetzes inklusive Reserven.
Eine Garantie wollen Sie aber nicht aussprechen?
Wir haben das Projekt seriös und sehr genau durchgeplant und –gerechnet und haben zum heutigen Zeitpunkt keinen Anlass an der Umsetzbarkeit im gegebenen Kostenrahmen zu zweifeln.
EWZ hat vor der Abstimmung kommuniziert, es wolle Kredit zurückzuzahlen und weder Steuergelder noch Einnahmen aus dem Strombereich zu verwenden. Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Wir erhielten durch das «Ja» des Stimmvolkes den Auftrag, das Projekt ewz.zürinet im Rahmen des Objektkredits umzusetzen. EWZ finanziert den Betrag von 400 Millionen quasi vor. Steuergelder werden für den Bau des Glasfasernetzes in Zürich keine eingesetzt. Ebenfalls werden keine Kosten der Stromrechnung belastet.
Nochmals zum Wort «Zurückzahlen»: Ist das im Sinne von subventionierten Glasfaserzugängen für Bürger, Steuerrückerstattungen oder vergünstigtem Strom zu verstehen?
Weder noch. Gemäss Stromversorgungsgesetz ist sicherzustellen, dass keine Quersubventionierung zwischen den regulierten Bereichen «Stromverteilnetz», «Energiegrundversorgung» und den übrigen Geschäftsfeldern von EWZ erfolgt. Der genehmigte Leistungsauftrag stellt sicher, dass keine Quersubventionierung zwischen dem Geschäftsbereich Telecom und den anderen Bereichen stattfindet. Durch die Abstimmung hat das EWZ die Erlaubnis bekommen, den Betrag von 400 Millionen auszugeben. Wenn unser Geschäft profitabel wird, profitiert der Steuerzahler, da Gewinne zurück in die Gemeindekasse fliessen.
Also ist es keine Rückzahlung im eigentlichen Sinne...
Das stimmt. Da es sich beim Zürcher Glasfasernetz um ein öffentliches Infrastrukturprojekt handelt, ist Gewinnmaximierung nicht unsere erste Priorität.
Es gibt sicher einen Business-Plan. Ab wann dürfen die Steuerzahler mit ersten Gewinnen rechnen?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass der Marktanteil des ewz.zürinet in den nächsten 30 Jahren langsam auf 14 Prozent wachsen wird. Nach ungefähr 15 Jahren erwarten wir zum ersten Mal ein positives operatives Ergebnis und bis Ende 2040 einen kumulierten Gewinn von rund sechs Millionen Franken.
Wie stellen Sie sicher, dass es keine Mischrechnung mit dem Stromgeschäft gibt?
Der Geschäftsbereich Telecom wird innerhalb der EWZ-Rechnung als eigenständiges Profit Center geführt, das heisst die Ergebnisse werden immer transparent ausgewiesen. Das Glasfasernetz stellt eine Weiterführung der Wertschöpfungskette des EWZ dar und finanziert daher die Investitionen vor und trägt entsprechend die mit dem Bau des Netzes verbundenen Chancen und Risiken. Mit geeigneten Massnahmen werden diese allfälligen Risiken laufend überprüft.
Das EWZ ist seit der ersten Abstimmung im März 2007 ein Pionier punkto Glasfaserausbau in der Schweiz. Kommen andere Städte, Kantone oder der Bund auf Sie zu oder wie äussert sich das?
Andere Elektrizitätswerke profitieren sicherlich von den Erfahrungen und dem Wissen vom EWZ im Bereich Breitbandnetz und FTTH. Viele Städte haben Elemente unseres Business Modells sowie die Roll-Out Planung im Sinne eines «Best Practice» übernommen.
Gibt es eine konkrete Zusammenarbeit zwischen einzelnen Energieversorgern?
Ja. Eine Synergie zwischen den Energieversorgern ist zum Beispiel die Harmonisierung in der Produktentwicklung. Dadurch werden Eintrittshürden für die Anbieter gering gehalten und eine diskriminierungsfreie Nutzung der Netze gewährleistet.
Sie teilen sich die Ausbaukosten mit Swisscom anhand der anzunehmender Marktanteile mit 40 zu 60 Prozent. Wie wird die Aufteilung gehandhabt, wenn die Praxis anders aussieht, als die Theorie?
Wie Sie gesagt haben, übernimmt Swisscom 60 Prozent der Grunderschliessungskosten, EWZ übernimmt 40%. Dieser Verteilungsschlüssel basiert auf den angenommenen künftigen Netznutzungsanteilen und ist inzwischen zum Schweizer Standard geworden. Darüber hinaus spielen weitere Nutzungen wie Smart Metering oder das Projektgeschäft eine Rolle. Bei grösseren Abweichungen gegenüber diesen Annahmen, falls Swisscom zum Beispiel 65 Prozent des Netzes nutzt, werden Ausgleichsbeiträge fällig.
Heute sind 30'000 Haushalte per Glasfaser erreichbar. Wie viele nutzen das Angebot bereits? Wie viele sind Kunden bei Swisscom und wie viele bei Drittanbietern?
In vielen Erschliessungsgebieten haben wir durch eine kontinuierliche Marktbearbeitung die Ziele für die sogenannte «Take Rate», also die geplanten Marktanteile von Endkunden, bereits erreicht oder sogar übertroffen.
Wie hoch ist die Take Rate konkret?
In den heute schon erschlossenen Gebieten beträgt sie bis zu 15 Prozent und übertrifft damit unsere Erwartungen.
Etwas anderes hätte mich auch überrascht. Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus: Berechnen Sie von Drittanbietern eine Pauschale oder einen Betrag pro Kunde und Monat? Wie viel ist das?
Die Provider vergüten uns die Benutzung gemäss der genutzten Leistung. Abhängig von der in Anspruch genommen Bandbreite sowie zusätzlichen Leistungen variiert diese Gebühr.
Wie hoch ist die durchschnittliche Gebühr, die Service Provider Ihnen überweisen?
Das bemisst sich nach genutzter Bandbreite und allfälligen Zusatzdiensten. Eine konkrete Zahl können wir Ihnen allerdings nicht nennen.
Schade. Im Projektgeschäft bedienen Sie direkt Geschäftskunden. Wie viele Firmen dürfen Sie dazu zählen? Wie viele sollen es in 2-3 Jahren sein?
Zurzeit vertrauen über 200 Geschäftskunden auf unsere Erfahrungen und Leistungen. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl unserer Projektkunden in den nächsten Jahren weiter steigern wird.
Welche Vorteile bietet Glasfaser gegenüber Cablecom? Der Kabelnetzbetreiber bietet aktuell eine höhere Geschwindigkeit und ist ein seit Jahren etablierter Anbieter.
Reine Glasfasernetze sind den Netzen wie Cablecom eins betreibt, deutlich überlegen. Das Bedürfnis nach modernsten Multimedia- und Telekom-Anwendungen sowie ultraschnellen Internetverbindungen wird in den kommenden Jahren so stark zunehmen, dass nur noch die Glasfaser als zugrunde liegende Technologie in Frage kommt.
Das sagen Sie. Cablecom vertritt wohl eine andere Meinung. Wie lautet die Begründung?
Entscheidend für Kunden ist nicht nur die Bandbreite auf den zentralen Netzteilen sondern diejenige, die den Kunden Zuhause permanent zur Verfügung steht. Wenn Experten heute davon sprechen, dass die Kapazitäten der Netze in Zukunft nicht ausreichen, dann meinen sie insbesondere den letzten Abschnitt des Netzes bis in die Wohnung oder ins Geschäft. Das neue Glasfasernetz wird deshalb durchgehend gebaut, die hohen Bandbreiten sind also bis an die einzelne Steckdose verfügbar.
Was sind abgesehen von den letzten Metern mit Glasfaser die Vorteile gegenüber dem Cablecom-Netz?
Denken Sie an neue Anwendungen bei Bildver- und Bearbeitung, Cloud Computing und Application-as-a-Service oder die Nutzung von Fernsehangeboten in HD – und in Zukunft sogar 4K-Auflösung. In diesen Bereichen ist die symmetrische Up- und Download-Geschwindigkeit das zukünftige «Killer-Kriterium» bei Breitbandnetzen. Mittelfristig werden ausserdem über das Glasfasernetz Geschwindigkeiten erreicht, die über das Coaxial-Kabel nicht möglich sind – denn die theoretische Maximal-Kapazität von Lichtwellenleitern ist (fast) unlimitiert. Das Interview wurde schriftlich geführt.