Leiter IT bei Sombo
10.01.2022, 06:17 Uhr
«Digitale Transformation praktiziere ich seit 20 Jahren»
Für Roman Dätwiler ist die digitale Transformation die IT-gestützte Optimierung von Geschäftsprozessen. Beim Spielwaren-Grosshändler Sombo praktiziert er sie seit 20 Jahren.
Roman Dätwiler verantwortet als Co-Geschäftsführer auch die IT des Spielwaren-Grossisten Sombo
(Quelle: Stefan Walter/NMGZ)
Sombo beliefert als Spielwaren-Grosshändler mit einem Sortiment von rund 10'000 Artikeln Händler, Online-Shops und Warenhäuser in der ganzen Schweiz. Der Co-Geschäftsführer und IT-Leiter Roman Dätwiler hat seinen Betrieb gegen einen Ausfall gesichert. Denn ohne die IT macht Sombo kein Geschäft mehr. Das zentrale ERP läuft auf eigenen Servern und nicht in der Cloud, weil es kostengünstiger ist. Wie Dätwiler erklärt, erzielt Sombo messbare Effizienzvorteile durch den Einsatz der IT.
Computerworld: Sie sind Mitinhaber eines mittelständischen Betriebs und gleichzeitig der IT-Leiter. Wie kam es dazu, dass Sie die Rolle übernommen haben?
Roman Dätwiler: Als ich vor rund 20 Jahren in die Firma eingestiegen bin, gab es keine Person mit einem Flair für IT. Ich war mit Computern aufgewachsen und habe als Jugendlicher die Rechner selbst zusammengebaut. So bin ich damals in die Rolle hineingewachsen. Während der vergangenen 20 Jahre ist die Bedeutung von IT für unseren Betrieb und die einzelnen Geschäftsprozesse stetig gewachsen. Meine Kollegen und ich waren immer bestrebt, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten.
CW: Welches waren für Sie die wichtigsten Veränderungen im IT-Einsatz bei Sombo in den letzten 20 Jahren?
Dätwiler: Mir kommen spontan zwei Entwicklungen in den Sinn. Zuerst die Ablösung des früheren ERP-Systems im Jahr 2010. Bis dahin basierte unser Geschäft auf einer DOS-Warenwirtschaft, bei der es nach knapp 25 Jahren Betrieb an allen Ecken und Enden an Funktionen fehlte. Diese haben wir mit einer ERP-Software von Opacc ersetzt.
Zweitens brachte die Vernetzung der mittlerweile drei Standorte Birr, Walterswil und Wildegg vor acht Jahren einige Herausforderungen mit sich. Dabei wurde die IT-Infrastruktur aller Standorte fast von Grund auf neu aufgebaut. Eine Konsequenz war auch die Glasfaseranbindung aller Standorte sowie georedundante Datensicherungen, Serverreplikationen etc.
Zur Person
Roman Dätwiler
ist seit knapp 20 Jahren beim Spielwaren-Grosshändler Sombo tätig. Zuerst während sieben Jahren als Produktmanager, anschliessend hauptsächlich als Leiter IT und Qualitätsmanagement. Seit drei Jahren zeichnet der Co-Geschäftsführer zusätzlich für das Finanzwesen und das Personal verantwortlich. Der 40-Jährige hat das Wirtschaftsgymnasium abgeschlossen und Weiterbildungen in Betriebsökonomie, Finanz und Personal absolviert.
Produktivitätssteigerungen durch die IT
CW: Könnten Sie die Produktivitätssteigerung durch IT quantifizieren?
Dätwiler: Ich kann ein Beispiel nennen. Früher waren in der Auftragsbearbeitung sechs bis sieben Personen angestellt. Heute ist die Arbeit von drei Angestellten gut zu bewältigen. Parallel ist das Umsatzvolumen noch gestiegen. Die Gründe für eine derartige Produktivitätssteigerung liegen in verbesserten internen Prozessen, jedoch aber auch an Optimierungen seitens der Kunden.
CW: Welche Rolle spielt Mobilität für Ihr Geschäft?
Dätwiler: Hier kann ich vielleicht noch eine dritte Entwicklung anfügen. Vor über zehn Jahren haben wir mobile Scanner im Verkauf eingeführt (Aussendienst, Merchandiser). Diese Geräte haben zu einer beeindruckenden Produktivitätssteigerung geführt, da wir neu den Warenbestand in Echtzeit abrufen, allfällige Rückstände des Kunden erkennen sowie eine Vielzahl an Schreibfehlern und die damit verbundenen Rückfragen beim entsprechenden Mitarbeiter eliminieren konnten.
Viertens noch die Umstellung von Papier auf digitale Verkaufsunterlagen, ein Projekt, das auch bereits zehn Jahre zurückliegt. Wir führen über 10'000 Artikel im Sortiment. Früher wurden alle Produktabbildungen ausgedruckt und dem Aussendienst bereitgestellt. Da der Spielwarenhandel von Neuheiten und Trends lebt, sich auch die Warenverfügbarkeit ständig ändert, mussten die Aussendienstkollegen quasi wöchentlich ihre Zeigebücher auf den neusten Stand bringen. Seither verfügen die Mitarbeiter über ein Tablet, auf dem die Kataloge als PDF abgelegt sind. Die Aktualisierung funktioniert real-time über OneDrive.
“Es wäre mein Wunsch, in Zukunft das ERP aus der Cloud zu beziehen„
Roman Dätwiler
CW: Welche Art von Produktpräsentationen verlangen die Kunden von Sombo?
Dätwiler: Die Bedürfnisse der Kunden sind unterschiedlich. Der Showroom, in dem wir uns gerade befinden, bietet eine gute Übersicht über das Sortiment. Wir laden unsere Kunden gerne ein, um ihnen hier die Neuheiten und das Sortiment vorzustellen. In den vergangenen zehn Jahren sind in der Schweiz auch zahlreiche Spielwaren-Onlineshops entstanden. Bei Internet-Kunden kommt die Anforderung hinzu, dass wir umfangreiche Stammdaten bereitstellen müssen, inklusive regelmässiger Bestandesaktualisierungen. Zudem benötigen sie Zugang zu hochaufgelösten Bildern von den über 10 000 Produkten, bestenfalls auch noch Links zu YouTube-Videos etc.
Eine weitere Kundengruppe ist der Spielwarenfachhandel. Viele von ihnen haben die Anforderung, dass wir die Übersicht über unser Sortiment auch in Papierform bereitstellen. Diese Kataloge drucken wir selbst inhouse. Die Händler legen sie typischerweise im Ladengeschäft auf, sodass Endkonsumenten zusätzlich zum Sortiment vor Ort auch in den Katalogen blättern können, um eine Extrakundenbestellung zu platzieren.
Die Zukunft der Papierkataloge
CW: Sehen Sie ein Ende der Papierkataloge?
Dätwiler: Papierkataloge wurden über die Jahre deutlich weniger. Schöne Verkaufsunterlagen behalten aber dennoch ihre Wichtigkeit. Heute basieren die Ausdrucke auf einer Kombination aus dem ERP und einer Schnittstelle zu einer Access-Datenbank, wo Kataloglayouts aufbereitet werden können. Gemeinsam mit unserem ERP-Anbieter Opacc entwickeln wir eine Lösung, mit der wir künftig wirklich coole Offertenblätter, PDF-Kataloge und allgemeine Verkaufsunterlagen direkt aus dem ERP heraus produzieren können. Aufgrund unserer Inputs programmieren die Entwickler bei Opacc ein neues Modul – nennen wir es mal «Catalog-Output» –, das später voraussichtlich auch anderen Kunden angeboten werden soll. Das Tool ist inzwischen bereits vollumfänglich funktionsfähig. Ich finds richtig hot! Unsere Mobile-Scanning-Lösung ist damals in einer ähnlichen Kooperation mit Opacc entstanden und wird mittlerweile als eigenständiges Modul angeboten.
CW: Wie viele Personen sind neben Ihnen bei Sombo mit IT beschäftigt?
Dätwiler: Hauptsächlich eine Person. Meine Assistentin kümmert sich um den Support der Computer und der Peripherie an den Arbeitsplätzen. Sie erledigt diese Arbeit wie ich selbst in einem Teilzeitpensum. Sie deckt den Grossteil des First-Level-Supports ab. Sie ist enorm wichtig für mich, sie ist meine persönliche Firewall!
Wenn gröbere Anpassungen an der Software oder Infrastruktur erforderlich sind – etwa die elektronische Anbindung eines Händlers aufgegleist oder komplette Serversysteme neu installiert werden müssen –, übernehmen unsere Dienstleister die Arbeit. In diesen Fällen agiere ich selbst in der Regel hauptsächlich als Projektplaner und Koordinator – dies aus Zeit- und Effizienzgründen.
Wenn gröbere Anpassungen an der Software oder Infrastruktur erforderlich sind – etwa die elektronische Anbindung eines Händlers aufgegleist oder komplette Serversysteme neu installiert werden müssen –, übernehmen unsere Dienstleister die Arbeit. In diesen Fällen agiere ich selbst in der Regel hauptsächlich als Projektplaner und Koordinator – dies aus Zeit- und Effizienzgründen.
CW: Wer verwaltet die IT an den Arbeitsplätzen?
Dätwiler: Das Management der etwas mehr als 80 PCs und Drucker sowie der 40 Tablets für Aussendienst und Lager leisten wir selber. Wir setzen neue Computer auf, konfigurieren die Drucker und verwalten die Zugriffsrechte der Mitarbeiter im Active Directory. Unsere Dienstleister übernehmen in der Regel dort, wo es um komplexere und zeitintensive Eingriffe bei der Infrastruktur geht, etwa der Installation einer Firewall, der Konfiguration von Switches o. ä.
CW: Mit welchem Pensum arbeiten Sie als IT-Leiter?
Dätwiler: Der Vergleich zwischen der Höhe des geplanten und dem tatsächlichen Pensum bietet sich hier eher an. Geplant sind ca. 50 Prozent meiner Arbeitszeit, es könnten und sollten manchmal mehr sein. Da ich aber zusätzlich noch für Personal und Finanzen, das Gebäudemanagement und die Qualitätssicherung bei Spielzeug zuständig bin, gelingt es mir nicht, mehr Zeit in die IT zu investieren.
Bei einem Unternehmen in der Grösse der Sombo sollte die Stelle ungefähr einem 100-Prozent-Pensum entsprechen. Da ich den Betrieb sehr gut kenne und über 20 Jahre die IT selber aufgebaut und optimiert habe, genügen die 50 Prozent knapp. Beispielsweise versuche ich, nicht nur einen, sondern gleich zehn Etikettendrucker vom gleichen Typ zu beschaffen, dies gilt natürlich auch für andere Hardware. Damit werden die Installation, der Betrieb und die Wartung sehr viel effizienter als mit Dutzenden Einzelgeräten. Ausserdem habe ich in den 20 Jahren eine umfangreiche Knowledge Database aufgebaut mit Hunderten von Einträgen zur Opacc-Software und der Peripherie. Diese Dokumentationsarbeit über die Jahre erlaubt mir heute eine unglaublich hohe Effizienz in der täglichen Arbeit.
Hybrider Ansatz in Sachen Cloud
CW: Besitzt Sombo eigene Server oder laufen die Anwendungen in der Cloud?
Dätwiler: Ein gutes Stichwort. Als vor ca. fünf Jahren das Cloud Computing zu einem ernst zu nehmenden Thema und Marketingschlagwort wurde, setzte ich mir das Ziel, bei der nächsten Hardware-Erneuerung sämtliche Systeme in die Cloud zu bringen. Denn die Vorteile lagen auf der Hand: Niemand – also auch ich nicht – muss sich mehr um die Server kümmern, wir sparen Kosten und können bei Bedarf skalieren. Als Vorbereitung auf diese Situation habe ich mit zwei oder drei Partnern Evaluationen durchgeführt. Dabei musste ich leider feststellen, dass sich ein Betrieb in der Cloud doch als recht viel teurer herausstellte als der Betrieb unserer lokalen Systeme.
So fahren wir heute einen hybriden Ansatz: Gewisse Systeme, beispielsweise Backups und eine gespiegelte Benutzerverwaltung mit Active Directory, sind in der Cloud. Für alles andere betreiben wir eigene Server, die wir auch warten und updaten. Da wir über mehrere Standorte verfügen, können wir eine georedundante Datensicherung und Replikation der Serversysteme über das eigene Netzwerk selbst und kostengünstig realisieren.
“Für KMU ist IT oft ein notwendiges Übel. So sind sie ein leichtes Opfer von Cyberkriminellen„
Roman Dätwiler
CW: Wird auf diesen Systemen auch das ERP betrieben? Oder beziehen Sie die Software als Service?
Dätwiler: Das ERP läuft auf unseren eigenen Servern am Standort in Birr. Hintergrund ist, dass sich an diesem Standort die Auftragsabwicklung und ein grosses Lager befinden. Sollte doch mal eine Internet-Leitung gekappt werden, können wir im Kern immer noch weiterarbeiten. Mein Wunsch wäre es, in Zukunft das ERP aus der Cloud zu beziehen. Auch dieses Szenario haben wir vor zwei Jahren evaluiert. Aber wir mussten ebenfalls feststellen, dass die Kosten für den externen Betrieb deutlich höher wären. Wenn jetzt die nächste Hardware-Erneuerung ansteht, werden wir den Cloud-Betrieb nochmals evaluieren. Ich bin gespannt, ob sich der Business Case dann rechnet.
Massnahmen gegen IT-Ausfall
CW: Wie viel Geschäft funktioniert ohne die IT?
Dätwiler: Wir sind zweifellos sehr abhängig von einer funktionierenden IT. Wenn die Systeme an allen drei Standorten ausfallen, können wir noch via E-Mail kommunizieren, weil der Server bei Microsoft im Rechenzentrum steht. Weiter funktionieren würde die Kommunikation via Handy. Und im Lager wird teilweise aus rein praktischen Gründen noch mit Papier gearbeitet, sodass wir gewisse Aufträge noch rüsten könnten. Aber dann stünde das Geschäft still. Der Warenein- und -ausgang läuft IT-gestützt, die Auftragsannahme, das ERP und der Webshop würden ausfallen. Wir müssten den Betrieb bald einstellen, wenn die IT nicht läuft.
CW: Welche Massnahmen haben Sie ergriffen, damit ein Ausfall der IT nicht passieren kann?
Dätwiler: Zunächst einmal werden alle Systeme georedundant repliziert. So verfügen die produktiven Systeme über eine gewisse Ausfallsicherheit. Bei einem Kryptotrojaner oder einem Virenbefall muss man davon ausgehen, dass im Worst Case die gesamte vernetzte IT-Umgebung nicht mehr funktioniert. Um für solche Vorfälle gewappnet zu sein, haben wir ein automatisches Backup der Systeme in die Azure-Cloud eingerichtet. Eine zweite Sicherung geht in ein nahegelegenes Rechenzentrum von unserem Infrastrukturpartner. Hinzu kommen regelmässige Backups auf mobile Datenträger: Tages- und Wochensicherungen, die teilweise ausserhalb der Infrastruktur gelagert werden. In regelmässigen Abständen testen wir zudem, ob sich die verschiedenen Backups auch problemlos wieder zurückspielen lassen. Diese Prüfung ist essenziell!
Damit es gar nicht erst zu so einem Notfall kommt, versuchen wir, die Mitarbeiter für mögliche Cybergefahren zu sensibilisieren. Dafür informieren wir regelmässig über potenzielle Gefahren und nehmen direkten Bezug auf aktuelle Maschen der Cyberkriminellen. Denn sehr selten hat jemand tatsächlich einen entfernten Onkel, der ihm plötzlich 10 Millionen Dollar vererben will [schmunzelt].
Eine dritte Massnahme ist das Durchspielen von Worst-Case-Szenarien: Wir arbeiten derzeit an einem konkreten Konzept für eine Notfallübung. Hier geht es auch darum, eine lauffähige Ersatzinfrastruktur so rasch wie möglich aufzuziehen, falls die kompromittierten Systeme komplett runtergefahren werden müssten. Dies würde im Rechenzentrum unseres IT-Dienstleisters geschehen, zwecks raschmöglicher Verfügbarkeit und Skalierbarkeit.
CW: Holen Sie sich für IT-Security Hilfe von Experten?
Dätwiler: Das ist ein gutes Stichwort. Denn meiner Meinung nach verharren viele IT-Anbieter in einer klassischen Dienstleisterrolle. Wenn es irgendwo brennt, bieten sie sofort ihre Dienste an. Wenn der Betrieb aber normal läuft, bleiben viele Anbieter meiner Meinung nach klar zu passiv. Angesichts der vielen Sicherheitsvorfälle bei Schweizer KMU, von denen in den letzten Monaten immer wieder zu lesen war, dürften einige Dienstleister durchaus proaktiver werden. Ich befürchte, viele KMU wissen schlicht meist nicht, welchen Schutz sie wirklich benötigen oder ob ihre Systeme ausreichend gesichert sind. Auch kleinere Unternehmen sind regelmässig Ziele von Angriffen. Mittlerweile wird alles verschlüsselt – von der Autogarage bis zur Bäckerei. Da draussen herrscht Krieg!
Es gibt IT-Firmen, die diesen Bedarf mittlerweile erkannt haben und potenzielle Kunden mit Beratungsangeboten, Newslettern und Webinaren adressieren. Darin geht es nicht nur rein um Marketing, sondern auch um praxisnahe Anleitungen zum besseren Schutz: Backup-Strategien, Firewall-Lösungen, Netzüberwachung, Notfallkonzepte, Phishing-Erkennung oder auch Erfahrungsberichte von betroffenen Firmen. Die Bedrohung durch Cyberkriminelle wird jeden Tag grösser und mit der hohen Erfolgsquote wird dieses Business-Modell so rasch leider nicht verschwinden. Mit dieser Entwicklung kann ein KMU, bei dem IT manchmal nur ein notwendiges Übel ist, kaum mithalten.
Digitalisierungs-Strategie
CW: Was war der grösste beruflicher Rückschlag von Herrn Dätwiler als IT-Leiter?
Dätwiler: Ein herber Rückschlag in der Rolle des IT-Leiters ist mir zum Glück bis anhin erspart geblieben. Als Geschäftsführer erinnere ich mich nur sehr ungern an den März vergangenen Jahres, als der Lockdown angeordnet wurde. Wir waren alle sehr verunsichert über den weiteren Verlauf der Pandemie und den Fortgang des Geschäfts. Bald sollte sich allerdings herausstellen, dass in Phasen von Lockdowns der Konsum übers Internet zu einem bedeutenden Faktor wird und es nach einer solchen Periode jeweils Nachholbedarf bei den Konsumenten gibt. Dies zu wissen, wirkt etwas beruhigend – auch in Bezug auf die aktuelle Lage in der Schweiz und mögliche weitere Massnahmen.
CW: Wie würden Sie die digitale Transformation für Sombo definieren?
Dätwiler: Manchmal kommt es mir vor, als sei die digitale Transformation einfach ein cooler Begriff dafür, was ich in den vergangenen 20 Jahren schon bei Sombo praktiziere: die IT-gestützte Optimierung von Business-Prozessen.Wenn man allerdings in den Medien vernimmt, dass in diversen Ländern Europas Corona-Fallzahlen bis vor Kurzem noch immer via Fax an die Gesundheitsämter gemeldet wurden, dann sehe ich schon ein, dass die digitale Transformation in gewissen Bereichen noch ein riesiges Potenzial hat. Und ja, klar ist es cool, dass ich heute ein Säule-3a-Konto innert fünf Minuten über mein Handy eröffnen kann, aber letztendlich ist dies doch nur eine logische Folge der heutigen technischen Möglichkeiten. Evolution, keine Revolution – wie man so schön sagt. Für mich persönlich ist «digitale Transformation» auch ein Marketingbegriff, um den Verkauf zu fördern, und ein Wort, das Manager und Politiker gern verwenden, um fortschrittlich zu erscheinen.
Inventur auf Knopfdruck?
CW: Apropos Verkauf ankurbeln. Kommuniziert Ihr Lager automatisch mit den Lieferanten, wenn sich ein Lagerbestand dem Ende nähert?
Dätwiler: Ich gebe Ihnen recht, dass hier viel Potenzial für Digitalisierung und Optimierung brachliegt. Aber nein, für unseren Betrieb wäre eine solche Technologie zu aufwendig umzusetzen. Als Schweizer KMU mit beschränkten Ressourcen und einer grossen Anzahl an Lieferanten, die auf der ganzen Welt verteilt sind, lässt sich die von Ihnen skizzierte Lösung nicht realisieren. Und selbst wenn wir bereit wären: Viele der Lieferanten sind bei der IT-Unterstützung ihres Geschäfts noch lange nicht auf dem Stand, der eine automatisierte Bestellung erlauben würde. Uns würde es schon sehr helfen, wenn nur schon Artikelstammdaten von allen Lieferanten sauber und vollständig vorliegen würden. Dem ist aber oft nicht so. Wir müssen noch viele Ergänzungen vornehmen, sei es bei Abmessungen oder Artikelbeschrieben.
CW: Sie haben den Lagerbestand in Echtzeit angesprochen. Klappt bei Sombo die Inventur auf Knopfdruck?
Dätwiler: Nein, auch das ist Zukunftsmusik, aber ich warte seit 20 Jahren auf dieses Szenario. Damit es Realität wird, müsste jeder Artikel mit einem RFID-Chip ausgerüstet sein. Dann könnten wir wohl mit einem Scanner durch das Lager wandern und anschliessend den Bestand im ERP ablesen. Leider sind derartige Chips immer noch zu teuer, sodass sich das elektronische Markieren von Artikeln im Wert von wenigen Franken oder gar Rappen nicht lohnt. Für eine Inventur müssen wir also weiterhin die mehr als 10'000 Artikel an rund 12'000 Palettenplätzen einzeln zählen und die Resultate manuell in das ERP eingeben.
CW: Nun steht das Jahresendgeschäft an. Nutzen Sie die Verkaufsdaten für die vorrausschauende Planung?
Dätwiler: Die Analytik wäre spannend, wenn wir den Endkundenmarkt bedienen würden. Da wir aber ein reiner Grosshändler sind, verlassen wir uns auf den Bedarf des Detailhandels, allgemeine Trends und eigene Prognosen. Bei der Planung kalkulieren wir seit dem Beginn der Pandemie die Unsicherheit in den Lieferketten ein. Das ist unsere Strategie, die bisher aufgegangen ist. Nun sind für das Jahresendgeschäft unsere Lager prall gefüllt, damit wir auch bei Verzögerungen bei den Herstellern lieferfähig bleiben. Durch die erhöhte Nachfrage während und nach der Krise sind auch die Preise gestiegen. Indem wir rechtzeitig reagiert haben, können wir zuverlässig liefern und auch das Preisniveau für unsere Kunden attraktiv halten.
Pläne für den Webshop
CW: Sie betreiben seit mehr als zehn Jahren einen Webshop. Dort steht eine Erneuerung an. Was ist geplant?
Dätwiler: Korrekt, der derzeitige Webshop ist aus der Steinzeit. Da wir uns nicht an die Endkonsumenten wenden, war der Druck zur Erneuerung nicht allzu gross. Wir haben uns in den letzten Jahren um dringendere Projekte gekümmert, zum Beispiel die elektronische Kundenanbindungen, Bereitstellung von Stammdaten sowie die Cybersicherheit.
Unser Anspruch ist es allerdings, nun auch dem Webshop ein zeitgemässes Aussehen zu verpassen, denn er ist auch unsere Visitenkarte. Deshalb haben wir vor einiger Zeit ein Erneuerungsprojekt lanciert. Es steht nun ebenfalls kurz vor dem Abschluss. Der Relaunch ist geplant für das erste Quartal 2022 – nach dem Jahresendgeschäft.
Im neuen Webshop werden wir unsere Produkte dann adäquat präsentieren können. Neu auch mit Fotos, YouTube-Videos etc. und in einem zeitgemässen Gewand. Dabei haben wir auch den Endkonsumenten im Blick, der sich bei uns über ein Produkt informieren kann und dann zu einem der Händler weitergeleitet wird, wo er die Ware kaufen kann. Diesen Traffic wollten wir als B2B-Anbieter bisher vermeiden, indem wir den Webshop eher «versteckt» haben. Nun erfolgt hier ein kleiner Strategiewechsel.
Zur Firma
Sombo
zählt nach eigenen Angaben zu den führenden Schweizer Importeuren und Grosshändlern von Partyartikeln und Spielwaren. Das 1974 gegründete Unternehmen beschäftigt heute rund 85 Mitarbeitende. Ein zehnköpfiges Verkaufsteam betreut Kunden in der ganzen Schweiz. Dazu zählen Fachhändler, Online-Shops und Warenhäuser. Beliefert werden die Kunden aus Lagern in Birr AG, Wildegg AG und Walterswil SO, wo sich auch ein ca. 600 Quadratmeter grosser Showroom befindet.