28.10.2013, 11:21 Uhr

SAP unter Druck

SAPs Technologievorsprung schmilzt, das Zeitfenster für die Vorzeigelösungen des Unternehmens schliesst sich. Wie reagiert der ERP-Weltmarktführer darauf?
Hasso Platter schmeisst Hagemann Snabe raus und liebäugelt mit dem Gedanken, den Firmen-Hauptsitz in die USA zu verlagern.
SAP macht mit seiner In-Memory-Appliance Hana von sich reden, und baut Hana zur strategischen Plattform für ihr gesamtes Software-Portfolio aus. "Hana ist das Herz all desssen, was wir tun", betont SAP CTO Vishal Sikka immer wieder. Mittlerweile aber ist die Konkurrenz dabei, mit eigenen In-Memory-Lösungen nachzuziehen. SAPs Vorsprung schmilzt. IBM kam mit seiner auf In-Memory aufgerüsteten Datenbank DB2 Version 10.5 (Blu-Technologie) auf den Markt. Microsofts neuer SQL Server 2014 steht schon ungeduldig in den Startlöchern. Ebenfalls 2014 will Oracle seinen 400.000 Kunden weltweit eine In-Memory-Option für die aktuelle Datenbank 12c anbieten. Oracle-Chef Larry Ellison spricht von Geschwindigkeitsvorteilen von um die 100x. SAPs strategischer Eckstein, die schnelle Echtzeit-Appliance Hana, gerät unter Druck. "Zwei Jahre lang hat die Konkurrenz In-Memory-Computing schlecht geredet, jetzt machen es alle selbst", sagte Hanspeter Groth von SAP Schweiz zu Computerworld. SAP reagiert darauf mit Partnerschaften, um die Basis für Hana zu vergrössern, bevor die In-Memory-Produkte der Konkurrenz am Markt so richtig Fuss fassen. Ausserdem hat das Unternehmen die Investitionstöpfe für Hana vergrössert. 

Financials und Telkos

Mitte Oktober kündigten Walldorf und SAS eine Partnerschaft punkto Business Analytics an. Im nächsten Jahr sollen SAS-Lösungen auf Hana zum Verkauf angeboten werden. Damit analysieren Anwenderunternehmen grosse Volumina an Geschäftsdaten nahezu in Echtzeit. Zielgruppe sind Unternehmen aus der Finanzbranche, der Telekommunikation, aber auch das verarbeitende Gewerbe und die Verbrauchsgüterbranche. Unternehmen also, wo traditionell viel "Big Data" anfällt. Als Geschäftsszenarien werden Asset Management, Geldwäscheprävention, Risikalkulationen in Echtzeit und die Prognose des Kundenverhaltens genannt (Computerworld berichtete). SAP ist, im Gegensatz zu Oracle, auf Hardware-Partner angewiesen, um seine Hana als Appliance verkaufen zu können. Hewlett-Packard offferiert, für unterschiedlich Arbeitslasten konfiguriert, die SAP-zertifizierte Hana auf ProLiant-Servern. Ausserdem können Kunden in Australien und Neuseeland SAP Hana "as a Service" aus der HP-Cloud beziehen. Leider zurzeit noch nicht in der Schweiz, also noch nicht über ein Rechenzentrum mit Standort innerhalb der Landesgrenzen. Als einer der ersten Kunden nutzen die international tätige Aareon AG, die französische Atos und die deutsche Gesellschaft für Information und Bildung (G.I.B.) die "Dell Active Infrastructure Solutions for SAP Hana". Aareon und die G.I.B. haben Hana auf Dell PowerEdge-Servern installliert. Das wurde auf der SAP TechEd Ende Oktober in Las Vegas bekannt gegeben.

SAPs Zeitfenster schliesst sich

SAP rüstet massiv punkto Partnerschaften auf, und muss das auch tun. Denn der Technologievorsprung, den Walldorf mit seiner Echtzeit- und In-Memory-Appliance Hana lange Zeit innehatte, schmilzt zurzeit wie Schnee in der Sonne. Hinzu kommt, dass an der Führungsspitze des Unternehmens in den nächsten Monaten ein Wechsel ansteht. Co-CEO Jim Hagemann Snabe scheidet nach Querelen mit SAP-Gründer Hasso Plattner aus.

Snabe geht zu Siemens

Allenfalls als Vorstandsmitglied will Snabe dem Unternehmen treu bleiben, und auch das ist fraglich. Mittlerweile darf sich der technisch versierte Snabe, der besonders unter europäischen Kunden sehr beliebt war, über einige attraktive, externe Angebote freuen. Der 47-jährige Snabe, das steht mittlerweile fest, übernimmt den Aufsichtsratssitz von Josef Ackermann bei Siemens. Warum also noch weiter über SAP ärgern? Künftig wird also der Markering- und Vertriebsprofi Bill McDermott als Alleinherrscher über die Geschicke von SAP entscheiden. McDermott ist Amerikaner und will SAP endgültig in die internationale Liga der "Global Player" führen. Gerüchten zufolge, die Unternehmenssprecher noch schneller dementieren, als sie auftauchen, soll der Hauptsitz des Unternehmens von Walldorf in die USA verlegt werden. Auch das sorgt für Unruhe unter der Belegschaft. SAP muss aufpassen, dass dem Unternehmen nicht die Talente abhanden kommen, die es gerade jetzt so dringend braucht.



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