Digitale Transformation
01.03.2021, 06:26 Uhr
Der mühsame Weg zum papierlosen Büro
Papierloses Arbeiten hat neben der unmittelbaren Verfügbarkeit und Kostenersparnis zahlreiche weitere Vorteile. Dennoch wird wohl auch in Zukunft nicht gänzlich auf Papier verzichtet.
Eine Senkung des Papierverbrauchs spart nicht nur Rohstoffe, Tinte und Toner, sondern vor allem Wasser. Die Produktion eines handelsüblichen DIN-A4-Blatts benötigt etwa 10 Liter Wasser. Bei Recyclingpapier sind es nur noch rund 100 Milliliter. Zwar wird das papierlose Büro schon seit Jahrzehnten propagiert, doch quellen noch immer die Papierkörbe über. Dabei lässt sich prinzipiell alles digital und damit weitgehend papierlos erledigen, ob Verträge, Rechnungen, Personalakten, Lieferscheine oder Urlaubsanträge.
Aber den Druckerherstellern geht es prima, und pro Jahr werden laut Verband Deutscher Papierfabriken in Deutschland 22 Millionen Tonnen Papier und Pappe produziert - Tendenz gleichbleibend. Das papierlose Büro scheint also nicht voranzukommen. Doch die Corona-Pandemie bringt womöglich eine Wende. Eine Studie des Branchenverbands Bitkom kommt zu dem Ergebnis, dass 86 Prozent der Unternehmen in Deutschland vorhaben, Kommunikationsprozesse zu digitalisieren. Auch der Umzug ins Homeoffice trägt dazu bei, den Papierbedarf zu verringern. Hat früher bei Meetings und Konferenzen jeder seinen Stapel Papier dabeigehabt, machen Videokonferenzen das überflüssig. Die Erkenntnis bei Entscheidern wie Mitarbeitern: Es geht auch ohne.
Neue Gesetze führen Unternehmen ebenfalls langsam, aber stetig auf dem Weg zum papierlosen Büro voran. Das Gesetz zu elektronischen Rechnungen von 2016 verpflichtete die Behörden, bis April 2020 die Voraussetzungen für den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen zu schaffen. Seit 27. November dürfen Lieferanten der öffentlichen Hand keine Rechnungen mehr auf Papier stellen.
Papier und/oder digital?
Kyocera und Statista haben für eine Studie Angestellte in Deutschland und Österreich befragt, wie weit digitale Arbeitsweisen in ihrem Unternehmen vorangeschritten sind. Lediglich 4 Prozent der Befragten gaben an, bei ihrer Arbeit komplett auf Papierdokumente zu verzichten. Vier von zehn Mitarbeitern drucken zwischen 21 und 100 Seiten in der Woche, ein Viertel wöchentlich sogar mehr als 100 Seiten. Rund die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, dass externe Stellen wie Kunden oder Dienstleister Papier erwarten, wenn es um Lieferscheine, Rechnungen, Gutscheine oder Verträge geht.
Die Aufgabe, die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben, liegt bei den Geschäftsführern und IT-Entscheidern. Sie sind gefragt, eine klare Digitalisierungsstrategie zu etablieren. Jörg Prinzhorn ist Director Sales EMEA bei Wacom for Business, einem Hersteller von Grafik-Tablets. Für ihn steht die grösste Hürde für das papierlose Büro dort, wo die Unterschrift eine juristische Komponente hat oder mehrere Institutionen unterschiedliche rechtliche Vorgaben haben. «Aber auch hier ist ein papierloser Workflow möglich - grundsätzlich können etwa 98 Prozent der Abläufe im Unternehmen inzwischen rein digital dargestellt werden.» Dabei sei die Entwicklung der fortgeschrittenen oder biometrischen Signatur ein echter Meilenstein gewesen: «Die Möglichkeit, eine handschriftliche elektronische Unterschrift zu generieren, hat den Weg zu rechtssicheren digitalen Workflows geebnet.»
«Für die unternehmensinterne Kommunikation und den Informationsaustausch wird kein Papier mehr benötigt», ist Ralph Onasch überzeugt. Er ist Senior Manager Collabora-tion & Digital Workplace bei NTT Deutschland. «Hier gibt es neben E-Mail, Telefon, Videokonferenzen und Chats mittlerweile genügend digitale Medien und Tools, die eine Kommunikation in Papierform überflüssig machen. Das können Lernfilme oder Bedienungs- und Installationsanleitungen als PDF und in Videoform sein, aber auch Anwendungen für Virtual, Augmented und Mixed Reality, Umfrage-Tools sowie elektronische Checklisten und Formulare.» Auch im Austausch mit Externen könnten diese Lösungen zum Einsatz kommen, allerdings werde oft noch Papier verlangt, etwa bei Rechnungen, Belegen, Entsorgungsnachweisen, Transport- und Exportpapieren, so Onasch weiter. Das liege unter anderem an gesetzlichen Vorgaben zur Aufbewahrung im Original mit bestimmten Aufbewahrungsfristen.
“Für die unternehmensinterne Kommunikation und den Informationsaustausch wird kein Papier mehr benötigt.„
Ralph Onasch, Senior Manager Collaboration & Digital Workplace bei NTT
«Nutzen Unternehmen die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung konsequent, dann hat das papierlose Büro nicht nur das Potenzial, ortsunabhängiges Arbeiten zu ermöglichen, vielmehr hilft es auch Unternehmen langfristig, effizienter zu werden und Fehler in Prozessabläufen zu reduzieren», meint Roderik Bojanowski, Head of Business Development Microsoft 365 beim IT-Consulting-Unternehmen BTC. «Selbst mit viel Fantasie fällt mir kein Arbeitsschritt oder Prozess ein, der nicht digitalisiert werden könnte. Hier ist es wichtig, eine passgenaue Digitalisierungslösung für jedes einzelne Unternehmen zu entwickeln. Nicht jedes Tool, nicht jede Plattform ist für jedes Unternehmen sinnvoll, aber theoretisch lassen sich alle Bedürfnisse digital abbilden. Auch die Gesetzgebung passt sich hier immer mehr an, sodass auch viele rechtliche Hürden beseitigt worden sind. Nicht zuletzt hat sich die öffentliche Verwaltung selbst für die nächsten Jahre hohe Ziele auf dem Weg zur digitalen Behörde gesetzt. In den öffentlichen Verwaltungen wird dann jede Menge Papier eingespart.»
«Wo immer sie sinnvoll eingesetzt werden, beschleunigen digitale Workflows Prozesse und sparen Ressourcen», fügt Jörg Prinzhorn hinzu. «Lange waren das die klassischen Argumente für ein papierloses Büro. Doch in den letzten Monaten ist noch ein ganz anderer Aspekt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt: Wie kann Collaboration auch über räumliche Grenzen hinweg funktionieren?» Auch hier könne das papierlose Büro wichtige Impulse geben: «Statt auf dem Flipchart werden die Ergebnisse eines Meetings auf dem digitalen Whiteboard festgehalten; statt Verträge auf dem Postweg hin- und herzuschicken, können alle Unterschriften digital eingeholt werden.» Auch aus hygienischen Gründen könne es sinnvoll sein, bei Dokumenten, die durch viele Hände gehen, auf Papier zu verzichten. «Die weltweite Pandemie hat einen enormen Digitalisierungsdruck ausgelöst und wenige Bereiche sind davon so stark betroffen wie der Arbeitsplatz.»
Dem papierlosen Arbeiten stehen vor allem zwei Dinge entgegen: das Schriftformerfordernis und Archivierungsvorschriften. Die Schriftform ist etwa bei notariellen Angelegenheiten und Verträgen relevant. Die sind nur mit einer «fortgeschrittenen» elektronischen Signatur rechtskräftig, einer elektronischen Signatur, die es ermöglicht, Authentizität und Unverfälschtheit der signierten Daten zu prüfen.
Im Zuge der Digitalisierung liegt es nahe, mehr und mehr Geschäftsunterlagen papierlos zu archivieren. Als Archivierungsformat für digital unterzeichnete Dokumente hat sich PDF/A etabliert. Rechtlich sind digitale Archive kein Problem, sofern die Unternehmen die «Grundsätze zur ordnungsmässigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff»(GoBD) beachten. Doch obwohl eine rechtssichere Archivierung in der Cloud ohne Weiteres möglich ist, bevorzugen viele Entscheider insbesondere bei wichtigen Dokumenten noch immer die gedruckte Form. Lediglich knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen setzt E-Signaturen ein oder hat vor, sie einzuführen.
Autor(in)
Andreas
Dumont