31.12.2011, 07:03 Uhr

Die 5 grössten IT-Flops des Jahres

IT-Projekte, namentlich ERP-Vorhaben, gehen hin und wieder andere Wege als von den Beteiligten antizipiert - um es diplomatisch auszudrücken. Das war 2011 nicht anders.
ERP- und andere Software-Projekte laufen oft aus dem Ruder. Und die Flops führen zu einer Menge verschwendeter Ressourcen in Geld und Arbeitszeit. Hinzu kommen Vorwürfe, gegenseitige Schuldzuweisungen bis hin zu gerichtlichen Klagen. Das war 2011 nicht viel anders als in den Vorjahren. Computerworld.ch hat einige der ERP-Flops zusammengetragen, die 2011 für Schlagzeilen sorgten.

Britische Regierung setzt 12 Milliarden Pfund in den Sand

Im September haben britische Beamte den Stecker gezogen von einem IT-Projekt, das als eines der grössten öffentlichen IT-Projekte aller Zeiten gelten darf. Das Vorhaben sollte allen Bürgern des Vereinigten Königreichs eine elektronische Patientenakte bescheren.

Das Mammut-Vorhaben der nationalen Gesundheitsbehörde NHS wurde im Jahr 2002 begonnen. Trotz immenser Ausgaben in Höhe von 12 Milliarden Pfund konnte nie ein funktionierendes System zum Laufen gebracht werden.

Das Projekt war schlicht zu gross und zu komplex, um je abheben zu können. «Je höher sie fliegen, desto tiefer fallen sie», kommentiert Michael Krigsman, CEO der Beratungsfirma Asuret, die Vorgänge. «Sie wollten eine zentralisierte Lösung einer Organisation verordnen, die geografisch und politisch diverser nicht sein könnte», sagt er. Schlussendlich sei es ein Paradebeispiel dafür, was alles schieflaufen kann, ergänzt Krigsman Lesen Sie auf der nächsten Seite: Stadt Zürich zieht Notbremse

Stadt Zürich beerdigt IT-Projekt

Doch nicht nur im Ausland erleiden IT-Projekte Schiffbruch. In der Stadt Zürich musste im Herbst 2011 das problembehaftete Projekt Elusa gestoppt werden. Die Kosten für die Rettung wären zu hoch gewesen, hiess es.

Das vom Stadtrat 2006 bewilligte IT-Projekt «Famoz» («Fallmanagement Modell Zürich») hätte vier zuvor im Sozialdepartement für die Fallführung und Klientenbuchhaltung eingesetzte IT-Systeme ablösen sollen. Es wies jedoch seit der Einführung Anfang 2008 gravierende Lücken und Mängel auf und führte zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der betroffenen Geschäftsprozesse.

Nach einer Turnaround-Phase, mehreren technischen und konzeptionellen Klärungen und einer Neulancierung unter dem Titel «Elusa» («Elektronisch unterstützte soziale Arbeit») konnten nach Angaben der Stadt Zürich diverse Teilerfolge erzielt werden. Nach der bernahme der ursprnglichen Lieferantenfirma durch eine grssere Firma im  Sommer habe sich jedoch gezeigt, dass die aktuelle Offerte zur Realisierung der Schlussetappe nicht würde eingehalten werden können, schrieb das Sozialdepartement in einer Mitteilung. Die Umsetzung des bereits reduzierten Umfangs des Projekts hätte sich noch einmal stark verzögert, bei einer gleichzeitigen untragbaren Erhöhung der Kosten.

Deshalb hat Stadtrat Martin Waser entschieden, das Projekt zu beenden. Das hat zur Folge, dass ein grosser Teil der vom Stadtrat im Juli bewilligten letzten Kredittranche in der Höhe von 6 Millionen Franken nicht ausgegeben werden muss. Der Kredit, der 2006 11,4 Millionen Franken betragen hatte, war mehrfach erhöht worden und belief sich zuletzt auf 29,3 Millionen Franken. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Lohnabrechnungssystem wird zum Fiasko

Lohnabrechnungssystem wird zum Fiasko


Die Stadt New York wollte mit CityTime ein einheitliches Lohnabrechnungssystem einführen. Das Projekt lief dabei nicht nur preislich aus dem Ruder, Exponenten des Systemintegrators SAIC und dessen Subunternehmers TechnoDyne  mussten sich im Juni sogar wegen krimineller Machenschaften vor Gericht verantworten.

CityTime war ursprünglich mit 63 Millionen Dollar budgetiert. Die Kosten stiegen aber rasant an und erreichten schätzungsweise 760 Millionen Dollar.

Vertreter der Stadt New York versuchen nach wie vor Geld, das dem Systemintegrator gezahlt wurde, zurückzuerlangen. Lesen Sie auf der nächsten Seite:  SAP-Projekt schlägt auf die Bilanz

SAP-Projekt schlägt zweimal auf die Bilanz


Auch Hightech-Firmen sind als Kunden nicht vor  IT-Projekten immun, in denen der Wurm drin ist. Im April musste der Technologie-Distributor Ingram Micro bekannt geben, dass ein SAP-Projekt in Australien schuld sei an einem Gewinneinbruch im ersten Quartal.

Statt 70 Millionen wie im Vorjahr schrieb die Firma noch gut 56 Millionen Gewinn. Der Schwund bei den schwarzen Zahlen sei hauptsächlich auf Probleme beim Umstieg auf ein neues ERP in Australien zurückzuführen, hiess es damals. Ingram Micro versuchte darauf die Investoren mit dem Hinweis zu beruhigen, dass das ERP, falls es einmal laufe, hohe Einsparungen im Betrieb verspreche.

Auch im Folgequartal beeinflusste das wacklige IT-Projekt den Gewinn der Firma in ähnlichem Ausmass. Unterdessen hätten die Probleme mit der SAP-Einführung behoben werden können, heisst es. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Falsche Löhne für Krankenschwestern

Kanadische Krankenschwestern erhalten falsche Löhne

Ein Lohnabrechnungssystem von SAP und IBM war der Grund, dass Krankenschwester in der kanadischen Provinz Neuschottland während sechs Monaten fehlerhafte Beträge in ihren Lohntüten hatten. Eine Regelmässigkeit war dabei nicht feststellbar. Während ein Teil des medizinischen Personals weniger Geld erhielt, durften sich andere über teilweise doppelt so hohe Lohnabrechnungen freuen.

«Am schlimmsten ist, wenn jemand nur etwa100 Dollar mehr erhalten hat», meint Janet Hazelton von der lokalen Gewerkschaft. «Denn der Lohn fällt von Monat zu Monat unregelmässig aus, so dass die meisten nicht gemerkt haben dürften, dass sie mehr erhalten haben und das Geld nun zurück zahlen müssen», führt sie weiter aus. Die oft ändernden und unregelmässigen Löhne und Arbeitszeiten seien denn auch ein Hauptgrund, dass das System nicht rund gelaufen sei.

Ein weiterer Grund  für das SAP-Fiasko sei gewesen, dass das System zu wenig gründlich vor der Inbetriebnahme getetstet worden sei und dass die Berater zu wenig Erfahrung gehabt hätten, meint Jarret Pazahanick, die für unseren IDG News Service über den Fall berichtet hat. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Hoffnungsschimmer vom Berater

Beruhigung vom Berater

Trotz der aufgeführten Software- und ERP-Horrors: Es gäbe auch Grund zur Hoffnung. Dieser Überzeugung ist Asuret-Berater Krigsman.

Auch wenn die Anzahl grosser IT-Projektkatastrophen 2011 gleich gross sei, wie im Vorjahr, hat er trotzdem das Gefühl, dass «die Industrie aufgewacht sei und heute verstehe, dass die Abnehmer diese Situation schrecklich und inakzeptabel finden».

Viele der grösseren Software-Hersteller würden daher Schritte unternehmen, um die Probleme zu lösen. Doch der ERP-Lieferant sei auch nur eine Figur in einem grösseren Ökosystem, in denen der Kunde und der Systemintegrator eine bedeutende Rolle spielen. «Probleme lassen sich nur verhindern, wenn die Koordination zwischen diesen Spielern verbessert wird. In jedem Fall sollten die ERP-Hersteller hierbei eine Führungsrolle übernehmen», schliesst Krigsman.



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