05.04.2007, 08:42 Uhr

«Alle Software wird offen»

Für Mårten Mickos, Chef von My-SQL, der Herausgeberin der gleichnamigen, quelloffenen Datenbank, werden früher oder später alle Software-Hersteller auf Open-Source setzen. Wie man trotzdem Geld verdienen kann, erklärt Mårten Mickos im Gespräch mit Computerworld.
«Mit Open-Source sparen Sie in manchen Fällen mehr als 90 Prozent an Kosten», rechnet Mårten Mickos, Chef der Datenbankherstellerin My-SQL, vor.
Mit ihrer quelloffenen Gratis-Datenbank wirbelt die schwedische My-SQL AB derzeit die Szene auf. Wie seine Firma trotzdem Geld verdient, warum er Oracle nicht hasst und weshalb in Zukunft alle Software gratis sein wird, darüber gibt Mårten Mickos, CEO von My-SQL, im Interview Auskunft.

Computerworld: Manche Experten behaupten, in 20 Jahren würde niemand mehr Lizenzgebühren zahlen. Wenn das eintrifft: Wie werden Software-Hersteller überleben?

MÅrten Mickos: Die Frage ist nicht, wie die Softwarehersteller künftig überleben werden, sondern: Wie konnten die Kunden in den 80er- und 90er-Jahren überleben, mit all den Ausgaben für überteuerte Programme, die zu allem Übel auch noch voller Bugs waren?
Aber mal ernsthaft: Geld wird künftig durch laufende Vergütungen verdient. Diese bestehen beispielsweise aus Abonnements-Gebühren für Support und Unterhalt.

Sie behaupten, dass Anwender mit ihrer Open-Source-Datenbank bis zu 90 Prozent Kosten sparen können. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Sie sparen in einigen Fällen sogar mehr als 90 Prozent. Die grossen Einsparungen rühren zum einen daher, dass Open-Source-Software (OSS) schlicht und einfach gratis ist. Zum anderen gehen die quelloffenen Programme effizienter mit den Hardware-Ressourcen um. Dadurch müssen weniger Server gekauft werden. Das wiederum spart Platz im Rechenzentrum und macht sich auch auf der Stromrechnung positiv bemerkbar. Darüber hinaus ist OSS einfacher zu bedienen, was sich günstig auf die Personalkosten auswirkt. Zu guter Letzt basieren die quelloffenen Programme auf Standards, die gut dokumentiert sind, was wiederum die Trainingsausgaben minimiert.

Sie fahren eine Doppelstrategie. Zum einen veröffentlichen Sie die Datenbank My-SQL unter der GPL (GNU Public Licence), wodurch sie gratis bezogen werden kann. Zum anderen lizenzieren Sie Ihre Datenbank. Wie passt das zusammen?

Unser Geschäftsmodell macht doppelt Sinn: Durch die 100-prozentige Freigabe des Quelltexts ist unsere Datenbank heute weit verbreitet und wird von den Anwendern weiterentwickelt. Das spart uns Entwicklungskosten. Und durch die Popularität müssen wir überdies deutlich weniger ins Marketing investieren.
Durch die Lizenzierung an Branchenriesen wie Cisco, Nokia, Business Objects oder HP, die My-SQL in ihre Produkte einbetten, generieren wir wichtige Einnahmen. Diese erlauben es uns, gute Programmierer zu engagieren, welche das Produkt voranbringen. Gleiches gilt für Grossunternehmen. Von diesen verlangen wir jährlich einen Fixbetrag von 32 000 Euro. Dafür erhalten sie unlimitierten Support für die Datenbank.

Geht Ihr Geschäftsmodell auf? Schreiben Sie schwarze Zahlen?

Fast. Im Jahr 2006 verzeichneten wir starkes Wachstum. Da wir aber nach wie vor kräftig in dieses Wachstum investieren, schreiben wir noch keinen Gewinn. Wir sind aber nahe dran. Zudem haben wir weiteres Risikokapital erhalten, und zwar von strategischen Investoren wie SAP, Red Hat und Intel.

Wie viel nehmen Sie durch die Lizenzierung an die Grossen der Branche ein? Und wie viel durch Support?

Zu finanziellen Details äussern wir uns nicht.

Nach unserer Kenntnis vertreibt auch Oracle My-SQL als Teil ihres «Unbreakable Linux»-Pakets. Haben Sie also einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?

Oracle distribuiert tatsächlich My-SQL. Unter den Bedingungen der GPL können sie das auch tun. Dafür brauchen sie uns nicht um Erlaubnis zu bitten. Natürlich begrüssen wir jede Firma, die unserer Software zu grösserer Verbreitung verhilft. Durch das Vorgehen von Oracle haben Larry Ellisons Mannen automatisch zugegeben, dass wir grossartige Datenbanktechnik entwickelt haben. Abgesehen davon halte ich Oracle nicht für den Teufel. Ich kann verstehen, dass es viele frustierte und enttäuschte Oracle-Kunden gibt. Open-Source hat die Firma dagegen immer unterstützt.

Mit Max-DB sind Sie auch ein Partner von SAP. Wie profitieren Sie von dieser Allianz? Und planen Sie, diese Partnerschaft auszuweiten?

Diese Allianz ist äusserst fruchtbar. Wir lernen wichtige Dinge über die Anforderungen von Datenbanken in Grossunternehmen. Und SAP macht wichtige Erfahrungen in Sachen Open-Source. Zudem muss unsere Software die harten SAP-eigenen Tests bestehen, wodurch sich die Qualität massiv verbessert. Schliesslich bringt der gemeinsame Verkauf von Max-DB sowohl SAP als auch My-SQL Umsatz.

Ist Open-Source kreativer und innovativer als kommerzielle Software?

Software ist für sich genommen weder kreativ noch innovativ. Aber für mich ist klar, dass Programmierer in einer quelloffenen Welt innovativer und kreativer sind. Denn sie können sich mit anderen austauschen und werden von dieser Gemeinschaft angespornt, unterstützt und herausgefordert. Ich sehe im anderen Lager nicht annähernd dieselbe Dynamik.

Heute haben sich viele kommerzielle Firmen wie Novell, IBM, Oracle und Sun der Quelloffenheit verschrieben. Was macht diese OSS-Firmen aus?

Für mich werden früher oder später alle Softwarehersteller Open-Source-Firmen sein. Wichtig ist, dass sie ihre Programme unter einer der Open-Source-Standardlizenzen publizieren. Denn nur dann ist garantiert, dass bei freier Software nicht der Freibier-Aspekt dominiert, sondern auch die Freiheit, den Source-Code zu kopieren, zu ändern, zu erweitern und zu verbessern.
Informationen zum Unternehmen

My-SQL

My-SQL ist 1995 von Michael «Monty» Widenius, David Axmark und Allan Larsson gegründet worden. Hauptprodukt der im schwedischen Uppsala ansässigen Firma ist die gleichnamige quelloffene Datenbank. Diese wird vor allem von Betreibern von Webseiten genutzt, und zwar als Teil der «Lamp»-Sammlung (Linux, Apache, My-SQL und PHP/Perl/Python). Die Software ist als Klon von Mini SQL oder M-SQL von Hughes Technologies entstanden.
Zur Person

Mårten Mickos

Der 44-jährige Mårten Mickos ist seit 2001 Chef der schwedischen Datenbankherstellerin My-SQL. Unter der Führung des gebürtigen Finnen hat sich die Firma vom kleinen Start-up zur - eigenen Angaben zufolge - zweitgrössten Open-Source-Firma und zur am schnellsten wachsenden Daten-bankanbieterin gemausert. Vor seiner Position bei My-SQL führte Mickos mehrere finnische Unternehmen. Mickos hat an der Technischen Universität von Helsinki technische Physik studiert und hält einen Mastertitel.



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