Gastbeitrag 15.04.2024, 08:10 Uhr

KI ist Chefsache

Künstliche Intelligenz revolutioniert die Welt in Turbo-Speed. Halten Schweizer Unternehmen mit? Die Swiss IT-Studie sagt: Jein. Das Potenzial ist erkannt, aber die Wettbewerbsvorteile sind noch nicht ausgeschöpft.
(Quelle: Swisscom)
So viel ist klar: Künstliche Intelligenz hat disruptives Potenzial. Dank KI können wir smarter und effizienter agieren, Prozesse optimieren und Insights generieren. Nutzen Schweizer Unternehmen dieses Potenzial für ihre Wettbewebsvorteile? Christof Zogg, Head of Business Transformation bei Swisscom Business Customers, ordnet die Resultate der Swiss IT-Studie ein. Und gibt Tipps, um mit KI im Unternehmen loszulegen.
Sara Wyss: Wie stehen Sie zur These, dass Unternehmen nur mit KI Bestand haben?
Christof Zogg: Das ist zwar etwas zugespitzt formuliert, aber genau meine Rede. Firmen die konsequent KI einsetzen, um ihre Betriebsprozesse zu digitalisieren und zu automatisieren bzw. um einen strategischen Wissensvorsprung zu erlangen, werden eindeutig wettbewerbsfähiger sein als ihre Marktbegleiter, welche die neuen Möglichkeiten zu spät oder zu wenig energisch anpacken. Selbstverständlich ist das Verbesserungspotenzial in denjenigen Branchen grösser, welche einen hohen Anteil an Wissensarbeit haben, zum Beispiel Banken, Versicherungen, öffentliche Verwaltung, Bildung. Das relative Potenzial an Wettbewerbsvorteil besteht aber in jeder Branche.
Wyss: Wie tickt die Schweizer Wirtschaft – schreckt sie vor den Risiken von KI zurück oder sieht sie deren Potenzial?
Zogg: Viele der neuen Services insbesondere im Bereich der generativen KI, also die riesigen Sprach- oder Bildmodelle wie GPT (OpenAI), Claude (Anthropic) oder LLaMA (Meta) sind bisher praktisch nur aus der Cloud nutzbar. Die Frage lautet also eigentlich, wie weit die Schweiz mit der Cloud-Nutzung ist. Hier hinken wir den angelsächsischen Ländern hinterher. Gleichzeitig spüren wir eine enorme Nachfrage für KI-Beratung und -Umsetzungen in Form von Proof of Concepts und konkreten Projekten. Das Potenzial wird fast überall erkannt.
Wyss: Was sind erfolgreiche Anwendungsfälle von KI?
Zogg: KI lässt sich universell einsetzen. Konkrete Beispiele sind Anwendungen von Textanalyse (automatisiertes Bearbeiten von Rechnungen oder Schadensmeldungen) und Textgenerierung (automatisiertes Erstellen von Austrittsberichten und Dokumentzusammenfassungen). Aber auch Searchbots für Human Resources-Themen bzw. Kundenverträge, die Resultate bequem und in beeindruckender Qualität in natürlicher Sprache zusammenfassen. Klassisches KI kann auch erfolgreich zur Gewinnung eines strategischen Wissensvorsprungs eingesetzt werden. Hier trainiert man in der Regel Prediction Models, mit denen sich etwa Produktetrends, der Bestelleingang oder der Erneuerungsbedarf von Bahninfrastruktur mit hoher Genauigkeit vorhersagen lassen.
Wyss: Betrachtet man KI bereits ausreichend stark als Wettbewerbsvorteil?
Zogg: Wir empfehlen Unternehmen, etwas höher und ambitionierter zu zielen. Das bestätigen auch die Resultate der Swiss IT Studie. Richtig eingesetzt, können neue Softwaretools Unternehmen effi­zienter machen. Erzielt man dabei zweistellige Effizienzgewinne ist das schon das höchste der Gefühle. Konsequenter KI-Einsatz bietet dagegen noch einen viel grösseren Hebel.
Quelle: Swisscom
Wyss: Wie kriegt man die Unternehmens-IT fit für die Umsetzung von KI?
Zogg: Nach meiner Beobachtung haben spätestens seit dem Durchbruch von ChatGPT alle IT-Abteilungen das Thema auf ihrer Agenda. Anders sieht es aus, wenn Unternehmen eigene KI-Modell trainieren möchten. Hier ist die wichtigste Fitness-Voraussetzung eine zentrale, umfassende und automatisierte Datenplattform. Und an dieser Herkulesaufgabe sind eigentlich noch die meisten Unternehmen mit unterschiedlichem Reifegrad dran.
Wyss: Vertrauen Sie Ihre Unternehmensdaten vorbehaltlos einem KI-Modell an?
Zogg: Zunächst einmal gilt es eine wichtige Nuance festzuhalten: KI-Modelle werden durch Abfragen (aka Prompts) nicht trainiert, d.h. jede Interaktion ist ein eigenständiger in sich abgeschlossener Vorgang. Nichtsdestotrotz werden in Abfragen teilweise sehr sensitive Inhalte übermittelt, die der Betreiber theoretisch speichern und damit die nächste Version seines Modells trainieren könnte. Wie bei jedem anderen Softwareprojekt gilt es also auch bei KI-Vorhaben die Fragen der Data Governance zu klären und basierend darauf, die passende Softwarearchitektur zu wählen.
5 Tipps, um mit KI in Unternehmen loszulegen
  1. Sich bewusst machen, dass KI ein wichtiger Wettbewerbsfaktor werden wird und es sich lohnt, vorne dabei zu sein.
  2. Ein passendes Framework einsetzen, das hilft die vielversprechendsten Use Cases zu identifizieren (siehe nebenstehende Illustration).
  3. Ein interdisziplinäres Team aus IT- und Businessvertretern zusammenstellen.
  4. Mit einem generativen KI Proof of Concept starten, da dafür kein eigenes KI-Modell trainiert werden muss.
  5. Die ersten Projekte auf interne Prozesse fokussieren, um den Change zu initiieren und Erfahrungen zu sammeln, bevor KI in der Kundenschnittstelle eingesetzt wird.
Wyss: Zusammengefasst: Weshalb sollte sich ein CEO um KI kümmern?
Zogg: Wenn man, wie oben dargelegt, überzeugt ist, dass KI ein strategisches Werkzeug zu mehr Wettbewerbsfähigkeit ist. Ein CEO sollte sich persönlich engagieren, weil es schneller vorwärtsgeht, wenn ein Unternehmensthema Chefsache ist. Das ist zwar eine Binsenwahrheit, dadurch aber nicht weniger wahr: In meinen Impulsreferaten und Workshops mit Geschäftsleitungen spüre ich sofort, ob der CIO zuerst noch seine GL-Kolleg*innen abholen muss oder das Commitment auf oberster Stufe bereits steht.
Die Autoren
Swisscom
Sara Wyss, Senior Communication Consultant Swisscom
Christof Zogg, Head of Business Transformation Swisscom Business Customers



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