Gastbeitrag 28.03.2025, 07:30 Uhr

Digitaler Produktpass: Pflicht & Chance

Schweizer Firmen, die mit der EU wirtschaften, brauchen ab 2027 einen digitalen Produktpass. Lästige Pflicht? Keineswegs, sondern eher eine Chance.
Unternehmen müssen neue Wege gehen, um  ihre Lieferketten transparent und nachhaltig zu gestalten.
(Quelle: Shutterstock/1135057244)
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind nicht nur Schlagworte, sondern geschäftskritische Faktoren. Mit der Ökodesign-Verordnung (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, kurz ESPR) verpflichtet die Europäische Union Unternehmen ab 2027 dazu, den digitalen Produktpass (DPP) einzuführen. Ziel ist es, Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen und Nachhaltigkeitsstandards zu sichern. Für Schweizer Unternehmen, die mit der EU verflochten sind, stellt sich punkto Umsetzung nicht die Frage des «Ob», sondern des «Wie». Der DPP wird in verschiedenen Branchen relevant: Von der Automobil- über die Chemie- bis zur Elektronikindustrie müssen Unternehmen neue Wege gehen, um ihre Lieferketten transparent und nachhaltig zu gestalten. Dies bedeutet nicht nur eine Herausforderung für Compliance-Abteilungen, sondern auch eine strategische Chance für Unternehmen, wenn sie frühzeitig eine umfassende Produktdaten-Basis schaffen und rechtzeitig in eine DPP-Lösung investieren.

Ist der DPP für Schweizer Unternehmen von Relevanz?

Die Schweiz ist eng mit der EU verbunden – sei es durch Exporte, Zulieferbeziehungen oder gemeinsame Nachhaltigkeitsziele. Wer Produkte in die EU liefern will, muss ab 2027 einen DPP bereitstellen. Die wichtigsten Anforderungen im Überblick:
  • Umfassende Produktinformationen: Rohstoffe, Produktionsprozesse, CO2-Fussabdruck, Recyclingfähigkeit
  • Verpflichtende Datenverfügbarkeit: Unternehmen müssen gewährleisten, dass Informationen entlang der gesamten Lieferkette abrufbar sind
  • Einhaltung der ESPR: Ohne DPP droht der Verlust des Marktzugangs zur EU
Dabei geht es nicht nur um Dokumentation, sondern um eine digitale Transformation der Produktinformationen. Der DPP ermöglicht eine lückenlose Rückverfolgbarkeit, die nicht nur die Einhaltung von Vorschriften erleichtert, sondern auch den Produktionsprozess optimiert. Unternehmen können so Einsparpotenziale erkennen, effizienter mit Ressourcen umgehen und nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln.

Vom Pflichtprogramm zur Wettbewerbschance

Wer bereits jetzt die Herausforderung proaktiv angeht und vorausschauend die richtige Datenstrategie samt solider Datenplattform implementiert, kann die zahlreichen Vorteile des DPP strategisch für sein Unternehmen nutzen. Der DPP kann somit als Instrument zur Optimierung von Effizienz und Nachhaltigkeit fungieren. Folgende strategische Hebel bieten sich an:
1. Nachhaltigkeit als Markenvorteil: Transparente Daten schaffen Vertrauen. Kunden und Investoren bewerten nachhaltige Unternehmen positiver, was sich in einer stärkeren Marktposition niederschlägt.
2. Optimierte Prozesse und Ressourceneffizienz: Die durch den DPP geforderte detaillierte Datenerfassung hilft, Lieferketten zu optimieren, Abfall zu reduzieren und Materialkreisläufe effizienter zu gestalten.
3. Innovation durch digitale Infrastruktur: Der Aufbau einer soliden Datenplattform zur DPP-Verwaltung erleichtert nicht nur die Einhaltung von Vorschriften, sondern ermöglicht auch eine umfassendere Digitalisierung diverser Unternehmensprozesse.
4. Kreislaufwirtschaft vorantreiben: Unternehmen, die den DPP nutzen, haben mehr Wiederverwertungs- oder Recycling-Optionen – dies stellt nicht nur eine regulatorische Anforderung, sondern auch eine wirtschaftliche Chance dar.
5. Verbraucherverhalten aktiv beeinflussen: Ein gut implementierter DPP erlaubt es Unternehmen, ihre nachhaltigen Produkte gezielt zu vermarkten. Kunden treffen zunehmend Kaufentscheidungen auf Basis von Umweltverträglichkeit und Transparenz.

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung

Folgende Aspekte sollten Unternehmen bei der Implementierung des DPP am Radar haben:
  • Klare Datenstrategie entwickeln: Ein unumgänglicher Schritt und häufig eine grosse Herausforderung. Unternehmen müssen frühzeitig definieren, welche Daten benötigt und wie diese erfasst und verwaltet werden.
  • Technologische Infrastruktur aufbauen: Moderne Cloud- und Blockchain-Technologien können eine sichere und effiziente Verwaltung der Produktdaten gewährleisten.
  • Branchen-Data-Spaces nutzen: Netzwerke wie Catena-X für die Automobilbranche oder Data Space 4.0 für die Industrie erleichtern den standardisierten Datenaustausch.
  • Interne Prozesse anpassen: Die Integration des DPP in bestehende Unternehmensprozesse erfordert ein Umdenken bei Compliance, IT und Supply Chain Management.
  • Mitarbeitende einbinden und schulen: Die Einführung des DPP betrifft nicht nur das Management, sondern alle Abteilungen – von der Produktion bis zum Vertrieb. Schulungen und Change Management sind essenziell.
Der digitale Produktpass ist nicht nur eine regulatorische Anforderung – er ist eine Chance, nachhaltiger, effizienter und wettbewerbsfähiger zu werden. Unternehmen, die jetzt handeln, setzen sich an die Spitze der Entwicklung, vermeiden spätere Engpässe und sichern sich langfristige Vorteile. Die Umstellung ist herausfordernd, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Wer frühzeitig in nachhaltige Prozesse und ein intelligentes Datenmanagement investiert, wird nicht nur den gesetzlichen Anforderungen gerecht, sondern auch Vertrauen bei Kunden und Partnern gewinnen. Die Zukunft gehört den Unternehmen, die Nachhaltigkeit als wirtschaftliche Chance begreifen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, aktiv zu werden und sich auf den DPP vorzubereiten. Die Anforderungen an Transparenz und Umweltfreundlichkeit werden weiter steigen. Wer sich heute vorbereitet, hat morgen einen entscheidenden Vorteil.
Der Autor
Sven Östlund
Sven Östlund
Tietoevry
Als Market Lead Switzerland bei Tietoevry Create berät Sven Östlund Unternehmen aus Industrie, Finanzwirtschaft und Telekom zu Daten, KI, Software und Cloud. www.tietoevry.com/ch



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