Microsoft vs Google 06.03.2012, 16:25 Uhr

Kampf mit allen Mitteln

Beim Versuch, den Konkurrenten Google auszubooten, ist Microsoft scheinbar jedes Mittel recht. Vor allem bei EU-Institutionen lobbyieren die Redmonder fleissig.
Microsoft lobbyiert sich ins Abseits.
Microsoft benutzt scheinbar Seminare in Brüssel dazu, den Konkurrenten Google zu diffamieren, berichtet Rick Falkvinge. Der Schwede ist nicht irgendwer, er ist Gründer der ersten Piratenpartei weltweit, die mittlerweile in über 25 Ländern Ableger gefunden hat. Sein Wort hat auch ausserhalb Skandinaviens Gewicht.  Darum sind die Anschuldigungen, die er in seinem Blog erhebt, wohl ernst zu nehmen. Falkvinge berichtet von einem Besuch im Brüsseler EU-Parlament, der als Seminar über Privatsphäre, Big Data und Online-Identitäten beworben und von einer Organisation namens «ICOMP» durchgeführt wurde. Doch schon beim Eintreffen im Saal hatte Falkvinge das Gefühl, dass er hier für andere Zwecke missbraucht wird.  Ihm wurde ein Zeitungsartikel in die Hand gedrückt, der über ein Jahr alt war und negativ über Google berichtet. Der Zusammenhang zum Seminar war Falkvinge zu Beginn nicht klar, doch als er knapp 20 Minuten später in grosser Entrüstung ( «Ich fühlte wie mein Blut zu kochen begann» ) den Saal vorzeitig verliess, war er in prominenter Gesellschaft. Auch EU-Parlamentarier Christian Engström wollte sich nicht mehr länger anhören, was ihm dargeboten wurde.

Dreistes Google-Bashing

Laut Falkvinge wurde das Seminar ausschliesslich ? jedenfalls in der Zeit, in welcher er anwesend war ? dazu benutzt, sich negativ über Google zu äussern: «Von einem Seminar zum Thema Privatsphäre kann keine Rede sei. Das war ein von Microsoft finanziertes Geschmiere», enervierte sich der Schwede anschliessend. Die Bemerkung galt dem Veranstalter. Denn «Initiative for a Competitve Online Marketplace (ICOMP) ist eine Lobbyorganisation, die von Microsoft mitfinanziert wird. Betrieb der Software-Riese in Brüssel also gezieltes Google-Bashing? Die Tatsache, dass Rick Falkvinge ehemaliger Angestellter des von ihm kritisierten Unternehmens ist, könnte auf eine schwarz-gefärbte Einstellung gegenüber dem Windows-Hersteller hindeuten. Die beste Meinung über seinen ehemaligen Arbeitgeber hat er jedenfalls nicht: «Microsoft, ich habe einst für euch gearbeitet und bin so froh, es nicht mehr zu tun». Allerdings ist Falkvinge nicht der einzige, der Vorwürfe dieser Art erhebt.

Kein Einzelfall

Auch das Wirtschaftsmagazin «Economist» berichtet, dass Microsoft «ICOMP» dazu benutzt, Google schlecht zu machen. So soll am 29. Februar, einen Tag bevor Googles neue Privacy Policy gültig wurde (Computerworld.ch berichtete), in London ein ähnliches Seminar wie in Brüssel abgehalten worden sein, dieses Mal unter dem wenig aussagenden Titel: «Schutz des Konsumenten: Private Daten im digitalen Zeitalter.»  Was dann aber beim Treffen gesagt wurde, war dafür laut dem Economist umso klarer: Das einzige Thema war Google und seine Missstände. Die Rednerin hiess Pamela Jones Harbour, ihres Zeichens eine frühere Direktorin der US-Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC). Heute arbeitet sie für eine Anwaltskanzlei, welche Microsoft repräsentiert. Unter den Gästen befanden sich unter anderem der englische Vorsitzende des Informationsdepartements, Christopher Graham, sowie der Google-Verantwortliche Theo Bertram, früherer Berater von Tony Blair und Gordon Brown. Dessen Fragen über Microsoft weigerte sich Frau Jones aber zu beantworten, obwohl sie ja offiziell nicht als Repräsentantin der Firma, sondern von «ICOMP» anwesend war. 

Microsoft lässt nicht locker

Ein Blick auf die Website vom ICOMP reicht dann auch, um eine gewisse Google-kritische Haltung feststellen zu können. Sätze wie «Googles neue Privacy Policy: Ungesetzlich und unfair» oder «Grundlegendes Bedenken gegenüber Googles Geschäftsmodell» sind relativ eindeutig. Ebenfalls transparent dargestellt ist der Satz: «ICOMP finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und wird durch Microsoft gefördert». Es wird also offen zugegeben, wer hinter den Aktivitäten steckt. Bloss warum? Dass Firmen Lobbying betreiben ist heutzutage normal. Dass Microsoft Googles Dominanz im Suchmaschinen-Geschäft brechen will, ist ebenso verständlich. Man hat schliesslich mit Bing ein Konkurrenzprodukt auf dem Markt. Doch warum wird es so plump gemacht? Microsoft wollte sich gegenüber Computerworld.ch bisher nicht zu den Vorwürfen äussern. Man kann sich darauf einstellen, dass die Angriffe von Microsoft nicht weniger werden. Das Wall Street Journal vermeldete vor wenigen Tagen, dass in Redmond erfolgreich Headhunting betrieben wurde: Randall Long, früherer Deputy Assistant Director der Federal Trade Commission, wird neu für den Software-Giganten lobbyieren. Pikant: In seinem früheren Job hatte Long Einsicht in diverse vertrauliche Dokumente wie Verkaufszahlen, Emails oder Strategiepapiere. Denn Long war für die karteirechtliche Prüfung des Google-Kaufs von Doubleclick im Jahr 2007 zuständig und bearbeitete im Jahr 2010 die 750 Millionen Dollar bernahme von AdMob. Dabei sorgte er für eine sehr lange Verzögerung des Abschlusses, seither gilt er als Gegner von Google.  Entsprechend fällt die Reaktion beim Suchmaschinisten aus: «Wir hoffen, dass Herr Long sich an die FTC Regeln halten wird, nicht gegen Google lobbyiert  und keine vertraulichen Informationen missbraucht», sagte ein Google-Sprecher gegenüber Cnet.com. Google ist allerdings nicht nur Lobbying-Opfer. Das Unternehmen investiert selbst ausgiebig in entsprechende Methoden. So gab es alleine im letzten Jahr 9,7 Millionen Dollar fr Lobbying aus, den Grossteil davon im letzten Quartal.  Falkvinges Blog ist übrigens, seit gestern die ersten Artikel zu diesem Thema veröffentlicht wurden, nicht mehr erreichbar.        



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