5G: Diskussion statt Aktion
Diskussionen um die NISV
Für alle Betreiber erweisen sich die strengen Schweizer Anlagegrenzwerte und die hiesige Einsprachenflut gegen neue 5G-Sender als Hindernisse. Im Februar 2020 beschloss der Grosse Rat im Kanton Genf ein dreijähriges Moratorium für die 4G+- und 5G-Technik mit 60 Ja-Stimmen, 35 Nein-Stimmen und einer Enthaltung.
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass alle neuen Antennen während dieses Zeitraums genehmigungspflichtig sind. Zudem fordert Genf, wie bereits der Kanton Neuenburg, ein landesweites Moratorium
für 5G-Millimeterwellen, wobei deren Einführung noch ungewiss ist. Hierzu wurde eine Kantonsinitiative lanciert.
Die «Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung» (NISV) von 1998 mit nur einem Zehntel der in der europäischen Union gültigen Anlagegrenzwerte bleibt weiterhin bestehen und setzt eine Art maximales Strahlenbudget pro Senderstandort. Dabei haben sich die Mobilfunknetze und die dahinterstehenden Technologien deutlich weiterentwickelt.
Weil die NISV diesem Umstand keine Rechnung trägt, hätte sie längst modernisiert und angepasst werden müssen. Leider hat der Ständerat 2018 im Gegensatz zum Nationalrat zweimal dagegen votiert. Ein erbitterter Streit entzündete sich am sogenannten Beam Forming (Grafik unten) mit adaptiven Antennen, das in der Schweiz praktisch blockiert ist, da in der NISV keine variablen Antennencharakteristiken vorgesehen sind.
Vorgaben des BAFU
Hierzu äusserte sich das Bundesamt für Umwelt (BAFU) am 22. 04. 2020: «5G-Antennen nutzen eine effizientere Technologie, dank der mehr Informationen schneller übermittelt werden können. Die Eigenschaften der Wellen sind aber die gleichen wie für 4G.
Das Vorsorgeprinzip, das Grenzwerte für die Strahlung vorsieht, die in der Schweiz zehnmal tiefer sind als in den Nachbarländern, muss auch von 5G-Antennen eingehalten werden.» Die Grundlagen bestehen also im Vorsorgeprinzip im Umweltschutzgesetz sowie in der NISV mit den Grenzwerten.
Solange die Bestimmungen der NISV und der baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden, ist die Installation von Antennen zur Umsetzung von 5G zu genehmigen.
Die offizielle Bewilligung der adaptiven Antennen steht noch aus. Diese sind in der Lage, die abgestrahlte Leistung gezielt auf einzelne Nutzerinnen und Nutzer zu fokussieren. Das BAFU wird sobald als möglich die technischen Einzelheiten zur Beurteilung solcher Antennen liefern. Um Transparenz zu schaffen, wie stark die Bevölkerung durch adaptive Antennen tatsächlich belastet wird, sind zunächst Testmessungen notwendig.
Gestützt auf die Ergebnisse der Messungen, wird das BAFU die Vollzugshilfe fertigstellen. Bis diese vorliegt, können Kantone adaptive Antennen in einem Worst-Case-Szenario behandeln. Dabei wird die Strahlung wie bei konventionellen Anlagen nach der maximalen Leistung beurteilt. Die tatsächliche
Strahlung wird damit überschätzt, deren
Beurteilung ist gemäss BAFU aber auf der sicheren Seite.
Zudem wird festgehalten, dass für die Bewilligung und Kontrolle von Mobilfunkanlagen weiterhin die Kantone und Gemeinden zuständig sind. Da sich das Baurecht je nach Kanton und Gemeinde unterscheidet, können auch die Verfahren unterschiedlich ablaufen. Der Bund macht den Kantonen diesbezüglich keine Vorgaben. Die NISV-Grenzwerte sind in jedem Fall einzuhalten, wobei jeder Kanton und jede Gemeinde autonom entscheiden dürfen.
Betreiber wie auch Branchenverbände wie Asut oder Avenir Suisse kritisieren dieses Vorgehen, weil es investitions- und fortschrittshemmend sowie wirtschaftsfeindlich sei. Sie fordern landesweit einheitliche Genehmigungsverfahren für Mobilfunkanlagen und moderatere Grenzwerte, was unser Föderalismus aber verhindert.
Fazit
Leider scheinen viele Behörden eher auf Seite der 5G-Gegner zu operieren. Dabei hatten 2018 bereits 92 rozent
aller Nutzer mindestens ein Smartphone – der klassische Zielkonflikt. Pascale Bruderer, Alt-Ständerätin (AG), brachte es 2018 gegenüber dem Migros-Magzin auf den Punkt: «Hoch sind (…) die Ansprüche der Bevölkerung an die Infrastrukturen. Höher, schneller, besser soll der Internetzugang sein; via Grundversorgung garantiert, gern immer und selbstverständlich überall. Die Antennen dazu aber am liebsten nirgends oder zumindest weit weg von der eigenen Haustür. Widersprüchlichkeiten, die sich nicht einfach verdrängen lassen. Weil von nichts eben doch nichts kommt».
Heute sind die Anforderungen betreffend Schnelligkeit und Datenmenge weitaus höher als um die Jahrtausendwende. Damals war das «mobile Internet» noch am Anfang. Längst verbindet das IoT zahlreiche Geräte und Dinge miteinander. Während im Jahr 2013 noch 3,6 Milliarden Objekte miteinander vernetzt waren, sollen es 2025 bereits
20 bis 25 Milliarden sein – je nach Studie.
Mehr Kapazität, höhere Übertragungsgeschwindigkeiten sowie eine tiefe
Latenz bei hoher Flächendeckung und Übertragungsgüte sind für alle Netzbetreiber wichtige Kriterien, um die wachsenden Anforderungen der Geschäfts- und Privatkunden zu
erfüllen. Ohne 5G wird dies alles nicht möglich sein.
Autor(in)
Rüdiger
Sellin