08.07.2015, 11:30 Uhr
Migrationshürden bei Windows Server 2003
Mitte Monat endet der Support für Windows Server 2003. Das System ist in der Schweiz noch sehr verbreitet, sagt Microsoft. Die Migrationspfade sind teils holprig.
Nur zu gut erinnern sich die Anwenderunternehmen in der Schweiz noch an die Migration weg von Windows XP. Nun steht die nächste weit verbreitete Software vor dem Aus: Am 14. Juli 2015 endet der Support für Windows Server 2003 und Windows Server 2003 R2. «In der Schweiz arbeiten noch sehr viele Unternehmen mit Windows Server 2003. Microsoft veröffentlicht keine Zahlen», sagt Bernd Kiupel, Business Group Lead Cloud- & Enterprise-Software bei Microsoft Schweiz, der Computerworld. Im Oktober letzten Jahres hatte Microsofts Heike Krannich den Marktanteil von Windows Server 2003 in der Schweiz mit rund 34 Prozent beziffert. Die Anwenderunternehmen insbesondere aus dem KMU-Bereich, in dem Windows Server 2003 stark war und ist, haben ein Problem: Die Plattform für viele Geschäftsanwendungen oder gar die gesamte Büroautomation (Windows Small Business Server und Windows SharePoint Services 2.0) wird nicht mehr mit Updates versorgt. Allein 2013 veröffentlichte der Hersteller 37 kritische Updates für Windows Server 2003, im Folgejahr waren es weitere 21 Sicherheits-Patches. Seit Anfang Jahr lanciert Microsoft allmonatlich weiterhin diverse Updates.
Nun drohen in den Altsystemen schnell Lücken zu klaffen. Das wissen auch die Schweizer Systemhäuser wie Baggenstossund Tanner Informatik. Sie wollen den Nutzern von Windows Server 2003 mit Beratungsgesprächen und Migrations-Workshops aus der Klemme helfen. Einen Königsweg für die Ablösung gibt es allerdings nicht.
Smartphone mit Server-Power
Windows Server 2003 stammt quasi aus einer anderen IT-Epoche: Die Ursprungsversion wurde am 24. April 2003 lanciert. Gut anderthalb Jahre später (6.12.2005) folgte Windows Server 2003 R2. Damals war Standard-Hardware noch ein teures Gut, 32-Bit-Systeme noch die Regel. Microsofts Server-Software bot einen vergleichsweise preisgünstigen Einstieg ins Enterprise-Computing, inklusive Exchange und den kostenfreien Windows SharePoint Services. In den zwölf Jahren seit der Markteinführung hat sich die IT-Welt grundlegend geändert: Für die Server-Anwendungen von damals würde heute die Rechenleistung manch eines Smartphones ausreichen. Für den Server und auch das Mobilgerät gilt: 32-Bit zählt zum alten Eisen, Microsoft verkauft seit 2009 kein Server-Betriebssystem mit 32-Bit mehr. Bei den Geschäftsanwendungen auf den Servern hat sich dieser Wechsel allerdings nicht so rasch vollzogen. Nächste Seite: Cloud als letzte Rettung Kleinere Betriebe und auch Mittelständler setzen oftmals auf Branchenlösungen oder auch Individualentwicklungen. Diese Anwendungen sind auch nach zwölf Jahren noch nicht am Ende ihres Lebenszyklus angekommen. Die Frage an Microsoft Schweiz lautete deshalb: Wie lösen Kunden das Migrationsproblem, wenn sie 32-Bit-Anwendungen weiterbetreiben müssen? Den Firmen bleibt über kurz oder lang keine Wahl, lautet die kurz gefasste Antwort. «Die Kunden können die 32-Bit-Anwendungen auf Azure mirgieren, um das Hardware-Risiko zu umgehen. Es muss aber auch auf Azure auf Dauer zu einer aktuellen Version von Windows Server migriert werden», führt Manager Kiupel aus. Die Cloud ist vorrübergehend ein sicherer Hafen. Sie dürfte allein aus Datenschutzgründen für die wenigsten Schweizer KMU eine echte Alternative sein.
Cloud als Business-Case
Die Téléthon-Stiftung aus Belmont-sur-Lausanne hat aus der Not eine Tugend gemacht: Die alte Lösung auf Basis von Windows Server 2003 wurde durch ein Cloud-Szenario ersetzt, das die Anforderungen einer kleinen Organisation erfüllt, die zahlreiche freiwillige Mitarbeiter koordinieren muss. Die Stiftung organisiert jedes Jahr im Dezember eine Spendenaktion, deren Erlöse für die Erforschung seltener Erbkrankheiten verwendet werden. Eine der Hauptanforderungen war, den Hunderten ehrenamtlichen Helfern online Zugriff auf Dokumente zu geben. Diese sind nun auf SharePoint abgelegt. In Dynamics CRM Online werden Kontakte und Events wie auch Werbemittel verwaltet. Auf Microsoft Azure läuft unter anderem die Spezial-Software zur Verwaltung der Spendengelder.
Laut Auskunft von Microsoft Schweiz gibt es «sehr viele Kundenprojekte und viele, die bereits die Migration abgeschlossen haben». Die Migrationsziele sind vielfältig, wie auch die zu portierenden Anwendungen. Dabei ist die Die Cloud als Plattform für den Weiterbetrieb eines Windows Server 2003 lediglich eine Übergangslösung. Die Spezialisten von Tanner Informatik erinnern: Die Frist Mitte Juli 2015 gilt unabhängig davon, ob Windows Server als physikalischer Server oder als virtuelle Maschine betrieben wird. Beide Szenarien sind von Ende des Supportes betroffen. Nächste Seite: Migrations-Szenarien Für die meisten Systeme mit Windows Server 2003 kommt lediglich die Migration auf ein Windows-Betriebssystem in Frage. Die Daten sollen in den eigenen vier Wänden bleiben oder zumindest von einem Schweizer Provider gehostet werden. Daraus ergeben sich folgende Szenarien – alle mit gewissen Vorteilen, allerdings auch einigen Hürden.
Windows Server 2003 (R2)
Neben der Migration von Betriebssystem und Anwendungen besteht immer die Option einer Absicherung der bestehenden Konfiguration, für die derzeit kein praktikabler Migrationspfad vorhanden ist. «Mit Sicherheits-Tools können Kunden die Zeit überbrücken, bis sich die Möglichkeit ergibt, die Applikationen neu aufzusetzen», sagt Dominik Päbst, Leiter des Competence Centers Microsoft Solutions bei Bechtle. Dabei handeln die Verantwortlichen in der IT-Abteilung jedoch auf eigene Gefahr. «Für Grossunternehmen gelten nach dem 14. Juli 2015 einige Sonderregelungen. Für KMUs gibt es keine weiteren Support-Optionen», erklärt Kiupel von Microsoft Schweiz.
Windows Server 2008
Auch der direkte Nachfolger kann lediglich eine Übergangslösung sein. Der naheliegende Grund ist ebenfalls das nahe Ende des Lebenszyklus: Bei Windows Server 2008 ist der «Mainstream Support» bereits im Januar dieses Jahres ausgelaufen. Der «Extended Support» wird noch bis zum 14. Januar 2020 angeboten. Also steht auch hier demnächst die Migration an. In einem Spezialfall ist Windows Server 2008 allerdings die einzige Option: Wer in der Vergangenheit auf die Itanium-Plattform gesetzt hat, findet ausschliesslich in der direkten Nachfolgeversion eine Lösung für sein Migrationsproblem. Vom (aktuellen) 2012-er Release des Windows Server gibt es keine Itanium-Version mehr.
Windows Server 2012 (R2)
Microsofts Wunschziel von Migrationen ist neben der Cloud der Windows Server 2012 R2. Damit sind Kunden das Support-Problem vorerst einmal los: Bis 09. Januar 2018 läuft noch der «Mainstream Support», am 10. Januar 2023 endet der «Extended Support». Für eine Migration auf aktuelle Server-Software stellt Microsoft diverse Hilfsmittel bereit, etwa den Windows Server 2003 Migration Planning Assistant. Die Kompatibilität der installierten Anwendungen soll das Assessment and Planning Toolkit prüfen. Ähnliche Funktionalität erhalten Administratoren mit Dell ChangeBase und Lakeside SysTrack, die beide auch neuere Betriebssysteme unterstützen. Bei der anschliessenden Migration helfen sollen AppZero, BlueStripe, Citrix AppDNA, wiederum Dell ChangeBase und JumpStart for Windows Server 2003. Daneben sollen Backup-Lösungen wie Acronis Backup Advanced ein vollständiges Disk-Abbild anlegen können, das sich nach einer allenfalls fehlerhaften Migration auch zurückschreiben lässt. Wie der Hersteller verspricht, funktioniert das auch auf neuer Server-Hardware oder in einer virtuellen Maschine.
Windows Server 2016
Demnächst steht der Release von Windows 10 an. Die zugehörige Server-Variante wird allerdings noch einige Monate auf sich warten lassen. «Windows Server 2016 ist noch nicht lanciert worden. Es empfiehlt sich, auf die aktuelle Server-Version zu wechseln, die aktuell supported ist», heisst es auf Anfrage bei Microsoft Schweiz. Kunden, die trotzdem mit 2016 liebäugeln, machen mit der (vorübergehenden) Migration auf Windows Server 2012 R2 auf keinen Fall etwas falsch. Der Umstieg auf eine 64-Bit-Plattform dürfte deutlich mehr Aufwand bedeuten als der anschliessende Wechsel von Version 2012 auf 2016.