17.07.2012, 06:55 Uhr
Microsoft Office aus der Cloud aufs Tablet
Ein neues Büro-Paket von Microsoft steht vor der Tür. CEO Steve Ballmer hat an einem Anlass in San Francisco gezeigt, wie mit Office in Zeiten von ByoD und Tablets gearbeitet wird.
Im Vorfeld rankten sich die Gerüchte um den Medienanlass, zu dem Microsoft am Montag (Ortszeit) nach San Francisco eingeladen hatte: Über eine weitere Überraschung wie Surface war spekuliert worden, etwa ein Microsoft-Handy oder auch ein neuartiges Gerät auf der Basis der Bewegungserkennung Kinect. Am Metreon-Messezentrum prangte aber der Schriftzug «Willkommen in Ihrem modernen Büro». Wie die Tageszeitung USA Today im Vorfeld gemeldet hatte, ging es um ein neues Microsoft Office. Office ist für Microsoft das zweite Standbein neben Windows. Wie der grösste Software-Hersteller der Welt bei dem Betriebssystem aktuell eine Kehrtwende vollführt, muss sich auch Office wandeln. Der Endverbraucher sitzt nicht mehr ausschliesslich am heimischen Schreibtisch, wenn er seine Korrespondenz erledigt oder das Haushaltsbuch führt. Ebenso ist der Angestellte nicht mehr an seinen Schreibtisch gefesselt. Vielmehr sind Home Office oder private Elektronik im Büro an der Tagesordnung. Dazu passt kein «dickes» Software-Paket mehr, das alles zwar kann, aber den Benutzer auch durch zum Beispiel Tastatur- und Mauszwang einschränkt. Dieser Realität stellt sich Microsoft mit dem künftigen Office.
Office-Beta zum Download
Aktuell ist Office in einem frühen Entwicklungsstadium. Wer sich schon jetzt selbst ein Bild von den Anwendungen machen will, kann die «Customer Preview» herunterladen und installieren. Die Software ist allerdings nicht für den produktiven Einsatz geeignet. Bei der Parallelinstallation zweier Office-Versionen gibt es insbesondere bei Outlook einige Einschränkungen – etwa Komplikationen beim Import von Terminen. Nächste Seite: das ist neu bei Microsoft Office
Geht es nach Microsoft-CEO Steve Ballmer, läuft Office am besten auf einem Tablet mit Windows 8. Ideal ist alternativ die Kombination mit Windows RT – bei dem die Vollversionen von Excel, OneNote, PowerPoint und Word vorinstalliert sind, wie Ballmer an dem Anlass in San Francisco versprach. Es handle sich weder um eingeschränkte Anwendungen noch um eine Trial, so der CEO. Für den nochmals gewachsenen Funktionsumfang bezahlen alle anderen Käufer von Office – sei es für den Client oder im Web. Lieferte Microsoft bislang beim Cloud-Dienst Office 365 eine Lizenz von Office Professional Plus mit, kommen die Anwendungen künftig als Stream auf den Bildschirm der Mitarbeiter-Arbeitsplätze. Das kostet zwar Bandbreite, erspart dem Unternehmen aber das Einrichten von lokaler Software auf seinen Computern. Über Kosten und Lizenzmodelle für den Office-Stream hat sich Microsoft indes noch nicht geäussert.
Individuelles Office aus der Cloud
Wer auf lokaler Software besteht, wird mit herkömmlichen Office-Anwendungen weiter bedient. Die Word & Co. können wie bisher auf PCs installiert werden. Den Schritt in die Cloud wünscht sich Microsoft aber auch von diesen Benutzern. Den Anwender wird der Online-Anschluss schmackhaft gemacht mit einer Personalisierungsfunktion für die lokalen Anwendungen. Verknüpft der Benutzer seine Software mit SkyDrive, speichern alle Office-Anwendungen zum Beispiel individuelle Einstellungen, Vorlagen und Wörterbücher auf der Online-Festplatte. Diese Funktionen kann der User dann von jedem PC oder auch Tablet aus zugreifen, hat quasi sein individuelles Office überall dabei. In Microsofts Idealvorstellung nimmt der Benutzer nicht nur die Office-Einstellungen via SkyDrive mit, sondern legt auch seine Dokumente online ab. Dieser Wunsch dürfte im Unternehmensumfeld zwar selten erfüllt werden, kann für den Privatgebrauch aber eine Option sein. Für den geschäftlichen Nutzer will Microsoft parallel zu Office das kostenpflichtige «SkyDrive Pro» lancieren. Der Dienst wird eine SharePoint-basierte Dokumenten-Ablage unter anderem mit Dateivorschau bieten. Nächste Seite: BI mit Excel, PDFs mit Word Das Office-Ökosystem baut Microsoft aus, schraubt aber auch an Excel & Co. selbst. Die Tabellenkalkulation ist schon heute eines der meistgenutzten Geschäftswerkzeuge. In Zukunft bekommt das Programm ein Cockpit für Business Intelligence mit interaktiven Diagrammen und Datenvisualisierungsfunktionen für zum Beispiel Zeitreihenanalysen. Manager können dann per Mausklick auf einen Play-Knopf etwa die Umsatzentwicklung wie im Zeitraffer beobachten.
Die häufig beobachtete Praxis, dass Inhalte aus dem Web unformatiert in Excel-Tabellen übernommen werden, dabei aber keine Spalten berücksichtigt, will Microsoft mit «Flash Fill» vereinfachen. Die Funktion entnimmt interaktiv bestimmte Inhalte aus einer Spalte in eine weitere Spalte. Gleichartige Inhalte – etwa Namen, Daten, Ziffern – in angrenzenden Zeilen werden ebenfalls extrahiert. Zum Beispiel: Der Zelleninhalt «2012-07-16 Ballmer Steve Office Customer Preview San Francisco 12:00» lässt sich mit «Flash Fill» per Eingabe auf Spalten verteilen. Auch Kombinaten einzelner Inhalte sind möglich, führte PJ Hough, Corporate Vice President Microsoft Office Division, aus.
PDFs mit Word bearbeiten
Hough demonstrierte an dem Anlass in San Francisco auch eine Funktion von Word, die lang erwartet worden war: «PDF Reflow» extrahiert den kompletten Inhalt von PDFs, setzt die Schrift, das Layout und die grafischen Elemente in Word-Formate und gestattet dann Änderungen sowie Ergänzungen. Das überarbeitete Dokument kann mit dem bewährten Exportfilter wieder als PDF geschrieben werden. Damit nicht genug, wusste Kirk Koenigsbauer, ebenfalls Corporate Vice President der Microsoft Office Division. Denn Entwickler können auch in der neuen Office-Version selbst Funktionen beisteuern. Dafür führt Microsoft ein App-Modell ein, das sowohl für die Desktop- als auch die Cloud-Anwendungen gilt. Im Unterschied zu früher, als Erweiterungen in proprietäre Sprachen entwickelt werden mussten, versprach Koenigsbauer für die neuen Apps Offenheit: Die Add-ons sollen auf Web-Standards wie CSS, HTML5, JavaScript und XML basieren. Im ebenfalls neuen Office Store sollen Programmierer ihre Entwicklungen feilbieten können. Bing Maps für Kartenvisualisierungen von Excel-Daten oder LinkedIn-Erweiterungen für Outlook-Kontakte werden heute gratis offeriert.