Fallstudie R. Nussbaum AG 16.08.2024, 07:53 Uhr

«Datenmanagement ist ein wichtiger Erfolgsfaktor»

Die R. Nussbaum AG produziert und vertreibt Armaturen und Systemen für die Sanitär- und Heiztechnik. Urs Bobst erklärt, wie man den Bereich E-Commerce Automation erfolgreich aufgebaut hat.
Urs Bopst, Leiter Departement Innovation & Partner bei R. Nussbaum AG: «Wir wollen mit der E-Commerce-Lösung ein Gesamterlebnis kreieren.»
(Quelle: Nussbaum AG, FHNW)
Der E-Commerce Automation Report 2024 zeigt ein steigendes Interesse an der Prozessautomatisierung im Onlinehandel. Die R. Nussbaum AG beschäftigt 500 Mitarbeitende. Ein Teil davon widmet sich ausschliesslich dem Thema E-Commerce und den damit verbundenen Prozessen.
Dr. Darius Zumstein: Welche Ziele möchten Sie mit Ihrer E-Commerce-Lösung primär erreichen?
Urs Bobst: Wir wollen mit der E-Commerce-Lösung ein Gesamterlebnis kreieren. Der Abverkauf ist das eine, zusätzlich ist unser Online-Shop schon lange aber auch die wichtigste Informationsquelle, etwa von technischer Information. Alles, was technisch zu den Produkten vorhanden ist, pflegen wir in den E-Shop ein. Unsere Kundin oder unser Kunde soll rasch und einfach alle nötigen Informationen finden. Der Online-Shop beinhaltet den digitalen Zwilling zu unseren Produkten. Die Planer müssen unsere Produkte digital verplanen können. Die Kunden, Sanitär- und Heizungs-Ausführende, nutzen diesen digitalen Service rege. Ein beträchtlicher Anteil des Umsatzes von Nussbaum wird über den Online-Shop generiert. Viele Kundinnen und Kunden halten zusätzlich an der Telefon- und E-Mail-Bestellung fest oder holen die Produkte in einer Nussbaum-Filiale ab. Die Bestellungen über den E-Shop automatisieren unsere internen Prozesse natürlich am stärksten.
Zumstein: Wo liegen die Stolpersteine, was könnte optimiert werden?
Bobst: Stolpersteine sind da, um eliminiert zu werden. Einschränkende Faktoren sind oft die internen personellen Ressourcen. Die Automatisierung führt dazu, dass eher Personal für die Prozessentwicklung als für die Abwicklung benötig wird. Diese Teams haben wir aufgebaut und sie werden sich weiterentwickeln.
Zumstein: Worauf sind Sie besonders stolz?
Bobst: Wir haben für E-Commerce Leute eingestellt, die Organisation weiterentwickelt und das nötige Umfeld geschaffen. Bei der Weiterentwicklung des Online-Shops haben wir auch Teilbereiche «ingesourct». Auch die Betreuung des Online-Shops, etwa die Beantwortung von Fragen, machen wir intern. Die Architektur mit neuer Cloud-Lösung und die neue IoT-Lösung haben wir ebenfalls intern entwickelt. Wir sind im Grundsatz schneller und auch die Prozesse sind qualitativ besser geworden. Das Thema E-Commerce und Digitalisierung betrifft die komplette Firma. Man muss Gefässe schaffen, in welchen alle Bereiche zusammenarbeiten können. Wir haben einen neuen digitalen Lenkungsausschuss gebildet, damit die verschiedenen Organisationseinheiten gut koordiniert sind. Derartige Veränderungen wurden sehr positiv aufgenommen und haben unsere digitalen Angebote verbessert.
Zumstein: Was verstehen Sie unter dem Begriff «E-Commerce Automation»?
Bobst: E-Commerce Automation bedeutet für mich, dass die Schnittstellen zwischen den Systemen für die Kundin und den Kunden nicht spürbar werden und durchgängige Prozesse entstehen. Auch bei der Konfiguration von individuellen Artikeln werden im Hintergrund Systeme wie SAP komplett integriert.
Zumstein: Aus Ihren Erfahrungen der letzten Jahre, welches sind die Erfolgsfaktoren in diesen Bereichen?
Bobst: Das Datenmanagement ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wir arbeiten aktuell ebenfalls wieder an der Reorganisation unserer Daten. Die aktuelle Produkthierarchie ist in die Jahre gekommen und muss angepasst werden. Die Kundensicht auf den Online-Shop wird auch im SAP implementiert, was Knochenarbeit ist. Daten-Management und die Verbesserung der Datenqualität ist eine Daueraufgabe. Die Datenstruktur ist an die neuen Produkte und Geschäftsmodelle anzupassen. Wenn die Struktur gegen aussen nicht mehr dem entspricht, was intern in den technischen Systemen abgebildet ist, kommt die Automation an ihre Grenzen oder der Aufwand wird zu gross.
Die Verbesserung der Prozesse hat immer riesiges Potenzial. Neue und bestehende Dienstleistungsprozesse werden wir bei Nussbaum zukünftig vermehrt automatisieren. Wir führten diverse Projekte zur Verbesserung der Performance durch. Die Pains sind hier relativ klein und schränken uns nicht ein.
Der Selbstservicegrad wird bei Nussbaum laufend weiterentwickelt, die Kundin und der Kunde sollen sich in den Angeboten möglichst selbst zurechtfinden. Unsere Mission ist, der Kundin und dem Kunden ein überraschend gutes Erlebnis zu bieten.
Content-Marketing ist noch relativ neu bei Nussbaum, doch mittlerweile gibt es ein Dreier-Team. Dank Investitionen in guten Content wollen wir die Sichtbarkeit verbessern. Gewisse Vertriebsaktivitäten wie zum Beispiel Messebesuche nehmen eher an Wichtigkeit ab, mit Content-Marketing können wir neue Kanäle anbieten.
In bestehenden Organisationen gilt es, die verschiedenen Bereiche entlang der Prozesskette gut zu koordinieren. Die Digitalisierung erfordert aus meiner Sicht noch engere Zusammenarbeit unter allen am Kundenprozess beteiligten Bereichen.
Zumstein: Was ist der beste Ratschlag, welchen Sie einer Firma geben würden, welche eine E-Commerce-Automatisierung implementieren möchte?
Bobst: Zwei Dinge sind die Basis: Erstens ist eine geeignete Systemlandschaft, die Architektur über den gesamten Prozess zu definieren. Das zweite ist Datenmanagement: Es muss grossen Wert auf die Datenpflege gelegt werden, auch wenn dies nicht immer sehr spannend ist.
Zumstein: Welche Rolle spielt KI in Ihrer E-Commerce-Strategie?
Bopst: Die KI spielt bei Nussbaum noch eine bescheidene Rolle, klar wird intern ChatGPT genutzt. Wir haben letzten Herbst bezüglich KI einen Versuch für einen Chatbot gemacht, etwa für standardisierte Kundenanfragen. Da mussten wir aber etwas ernüchtert feststellen, dass die Antworten des Chatbots technisch nicht korrekt oder zu wenig exakt waren. Daher wurde das Thema Chatbot vorerst auf Eis gelegt.
Die Fallstudie ist erstmals im Rahmen des E-Commerce Automation Report 2024 erschienen.
Der Autor
Dr. Darius Zumstein
ist Dozent am Institute for Competitiveness and Communication an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).




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