14.12.2006, 09:09 Uhr
Sage-Preis für Software aus der Schweiz
Für seine Open-Source-Netzwerk-Tools wie MRTG wurde Tobias Oetiker mit dem Sage-Award ausgezeichnet. Die Software dient aber auch als Basis für seine unternehmerische Tätigkeit.
Die Schweiz gilt nicht gerade als Brutstätte bekannter Open-Source-Projekte. Es gehört deshalb zu den seltenen Ereignissen, dass eine hiesige freie Software zu weltweiter Verbreitung gelangt. Noch seltener ist, dass der Entwickler hierfür mit dem in Branchenkreisen renommierten Outstandig Achievement Award der "Sage" (System Administrators Guild) ausgezeichnet wird. Deshalb war die Preisverleihung im Rahmen der System-administratoren-Konferenz Lisa von letzter Woche in Wa-shington umso überraschender. Zusammen mit dem früheren Mitentwickler Dave Rand wurde der Oltner Tobias Oetiker für die Open-Source-Werkzeuge MRTG (Multi-Router Traffic Grapher) und RRD-Tool ausgezeichnet. In der Laudatio wurde die Bedeutung dieser Anwendungen für die Analyse des Netzwerkverkehrs hervorgehoben. Sie trügen Entscheidendes dazu bei, dass Systemadministratoren über die Auslastung im Netzwerk informiert seien und rechtzeitig Massnahmen ergreifen könnten, anstelle sich in Feuerwehrübungen zu ergehen.
England, ETH, Olten
Den Anfang nahm das Statistikwerkzeug MRTG allerdings nicht in der Schweiz, sondern im englischen Leicester. An der dortigen Universität absolvierte Oetiker als frischgebackener Elektroingenieur ETH Mitte der Neunzigerjahre ein Praktikum. Dort geriet er eher zufällig in die personell unterdotierte Informatikabteilung. Um besser über das Geschehen im Netzwerk im Bilde zu sein, begann er mit der Entwicklung eines kleinen Tools, das die Auslastung der Leitungen grafisch darstellte. Am Anfang von MRTG stand also, wie es oft bei Open-Source-Projekten der Fall ist, ein persönliches Bedürfnis.
Nach Ablauf der Praktikums-zeit trat Oetiker eine Stelle als Systemadministrator an der ETH an. Nebenbei entwickelte er seine Open-Source-Programme weiter, die bald auch an der Hochschule eingesetzt wurden. Aber nicht nur dort: «Die Informatikstudenten kannten MRTG und setzten die Software danach auch an ihrem Arbeitsplatz ein», beschreibt Oetiker den Werdegang seines Tools. Doch den Erfolg erklärt sich Oetiker nicht alleine mit der Mund-zu-Mund-Propaganda: «Ich habe bei der Entwicklung stets den Anspruch gehabt, über meine eigenen Bedürfnisse hinauszugehen und die Software auch für andere nutzbar zu gestalten.» Einen Hinweis auf die Verbreitung von MRTG liefert Google: Die Suchmaschine liefert zu diesem Stichwort immerhin 3,8 Millionen Einträge.
Kontaktmittel für Kunden
Nach elf Jahren an der ETH arbeitet der Software-Entwickler seit kurzem vollberuflich in der von ihm mitgetragenen Firma Oetiker und Partner. Die Aktien-gesellschaft präsentiert sich in einem eher unüblichen Rahmen. Unter einem Dach werden nicht nur IT-Dienstleistungen angeboten, sondern auch Management- und Organisationsberatung sowie Paar- und Eheberatung. Der Bekanntheitsgrad von MRTG und Co. hilft Oetiker nicht nur bei seiner Arbeit, sondern mündet auch ganz direkt in Aufträge: «Ich erhalte immer wieder Anfragen für Support und Anpassungen von MRTG», erzählt Oetiker. Diese Form bezahlter Aufträge entspricht einem klassischen OSS-Modell. Und hier sieht der Entwickler auch die Vorteile freier Software, weil sie solche Möglichkeiten erst bietet: «Anstelle in Lizenzen zu investieren, können Firmen mit dem gleichen Aufwand eine Software auf ihre konkreten Bedürfnisse anpassen lassen.» Und quasi als Nebeneffekt solcher Anfragen ergeben sich Geschäftsbeziehungen, die in weiterführende Aufträge münden können, beispielsweise im Kerngebiet der IT-Dienstleistungen von Oetiker und Partner: Das Unternehmen hat sich auf den Aufbau und Betrieb von verwalteten Servern sowie Linux- und Thin-Client-Umgebungen mit Terminal-Server spezialisiert.
Und trotz des Erfolgs seiner Software ist Tobias Oetiker auf dem Boden geblieben. Dazu gehört auch, dass er E-Mails beantwortet. «Die Erreichbarkeit ist wichtig, um als Firma glaubwürdig zu bleiben», begründet er die zeitintensive Korrespondenz. Und, ganz Unternehmer, die Seriosität steht bei ihm hoch im Kurs. Sie erklärt auch, weshalb Oetiker diesen Weg gewählt hat, anstelle als selbständiger Entwickler nach Aufträgen zu suchen. «Als Firma haben wir die Möglichkeit, verbindliche Abkommen zu treffen und auch einzuhalten», erklärt er. Dass die Weiterentwicklung der Netzwerk-Werkzeuge hierin miteingeschlossen wird, dürfte unter den Systemadministratoren mit Genugtuung registriert werden.
Andreas Heer