ERP-Projekt
28.10.2019, 10:00 Uhr
«Nova Werke passt Prozesse an das ERP an»
Das High-Tech-Unternehmen Nova Werke aus Effretikon setzt seit gut fünf Jahren auf das Standard-ERP von IFS. CEO Marco Schade nennt Gründe und skizziert Herausforderungen.
Seit gut fünf Jahren setzt das Industrie-Unternehmen Nova Werke auf die ERP-Lösung von IFS. Die Firma aus Effretikon entwickelt und fertigt Produkte in drei Bereichen: Dieselkomponenten, Hochdruck- sowie Oberflächentechnik. Die Prozesse des mittelständischen Betriebes sind dank der Software heute nahezu vollständig an den ERP-Standard angepasst. Das war nicht immer so, berichtet CEO Marco Schade im Interview.
Computerworld: Als Industriebetrieb setzen die Nova Werke auf IFS. Welche Gründe gab es für die Wahl des ERP?
Marco Schade: Unsere Zielsetzung war, nicht mehr das ERP an unsere Prozesse anpassen zu müssen, sondern unsere Prozesse an die Software. Bevor wir die Evaluation starteten, haben wir gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Zühlke zunächst während sechs Monaten ein komplettes Prozess-Re-Engineering durchgeführt. Anhand des Ergebnisses hat uns Zühlke dann Vorschläge unterbreitet, welche ERP-Systeme für uns infrage kommen.
Weiter haben wir unsere Mitarbeiter danach befragt, mit welchen Systemen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben. Beispielsweise waren der CFO und der Vertriebsleiter in anderen Unternehmen tätig, in denen verschiedene ERPs im Einsatz waren.
Ergänzend stiess unser bisheriges ERP je länger, je mehr an seine Grenzen. Das neue System musste eine höhere Forecast-Genauigkeit bieten und eine höhere Transparenz entlang der Lieferkette darstellen können. Hier bot sich eine Anwendung für den Automotive-Sektor an. In unserem zweiten Unternehmensbereich arbeiten wir sehr Service-orientiert. Sprich, es müssen Bauteile unter höchster Flexibilität und kürzest möglicher Durchlaufzeit beschichtet, nachbearbeitet oder revidiert werden. Die Anforderungen sowohl an die Planbarkeit als auch das spontane Geschäft mussten sich in der Software abbilden lassen.
CW: Das tönt nach hohen Anforderungen. Welche Systeme haben Sie evaluiert?
Schade: Anfänglich waren die gängigen ERP-Anbieter in der engeren Auswahl, darunter Abacus, IFS, Microsoft und SAP. Für unsere Prozesse haben wir Drehbücher geschrieben, welche die Anbieter jeweils in ihren Programmen abbilden und dann vorführen mussten. Unsere Super-User und Key-User haben anschliessend anhand einer eigens erarbeiteten Entscheidungsmatrix die Produkte bewertet: Wie gut ist die Bedienung, wie gut ist der Prozess abgebildet, wie hoch ist die Service-Bereitschaft und die Unterstützung des Anbieters?
Zur Person
Marco Schade
ist seit Januar 2015 der Chief Executive Officer der Nova Werke. Zuvor war er während fast zehn Jahren zuerst als Leiter Entwicklung und Konstruktion und dann als Bereichsleiter für Dieselkomponenten angestellt. Frühere Karrierestationen waren eine Anstellung als Senior Ingenieur Motorenentwicklung bei Iveco und als Entwicklungsingenieur bei ABB. Schade ist studierter Maschinenbauingenieur und hält einen Master in Business Management von der ZHAW School of Management and Law.
SAP nimmt sich selbst aus dem Rennen
CW: Welche ERPs kamen in die engere Wahl?
Schade: Nach der Bewertung standen noch drei ERPs zur Auswahl: Microsoft, IFS und SAP. SAP konnte das Projekt nicht im geforderten Zeitraum von sechs Monaten realisieren. Ihr letztes Angebot lautete auf mindestens neun Monaten, womit sie aus dem Rennen waren. Für Microsoft sprach die grosse installierte Basis an Microsoft-Produkten, denn Nova Werke arbeitet unter anderem mit Windows und Office. Der Preis war zudem attraktiver als alle anderen Offerten. Bei IFS stimmte allerdings das Gesamtpaket: Das Look & Feel war gut, die Offerte belastbar und insbesondere überzeugte das Material Ressource Planning des Systems. So haben wir nicht die günstigste Offerte gewählt, sondern die Lösung, die die besten Perspektiven für die Zukunft bot.
CW: Gab es eine Wahl zwischen einer lokalen Installation und einer Cloud-Lösung?
Schade: Ja, und die Installation On-Premises war ein Entscheidungskriterium. Die Cloud war vor fünf Jahren noch keine wirkliche Alternative. Mehr noch war die Aussicht, dass die Daten auf einem Server in Deutschland liegen sollten, für uns nicht akzeptabel. Da wir selbst zwei Rechenzentren betreiben, haben wir auf On-Premises bestanden.
Wahrscheinlich hätten wir uns heute aber anders entschieden...
CW: Spielen dabei die neuen Hyperscaler-Rechenzentren in der Schweiz eine Rolle?
Schade: Nein. Vielmehr haben wir uns als Unternehmen weiterentwickelt und unter anderem mittlerweile Standorte in China und den USA. In China läuft aktuell das Einführungsprojekt. Es wird Ende Jahr abgeschlossen sein. Anschliessend folgt Frankreich, wo wir inmitten des Prozess-Re-Engineerings sind. Auch dieses Geschäft wollen wir auf IFS bringen. Dann wäre die Cloud wesentlich einfacher zu managen als eine lokale Installation.
CW: Diskutieren Sie die Pläne mit IFS?
Schade: Momentan diskutieren wir nicht die Cloud mit IFS, aber das Update auf die Version 10. Das neue System führen wir voraussichtlich im nächsten Jahr ein. Die Vorarbeiten laufen bereits, der Investitionsentscheid sollte Ende November fallen. Auch bei der neuen Version werden wir zunächst aber noch On-Premises bleiben.
Der Grund ist unser hoher Anspruch an die Datensicherheit. Unsere heikelsten Daten sind die Informationen zum Produkt- und Prozess-Know-how. Sie sind natürlich heute 1:1 im ERP abgebildet.
Herausforderung durch Wachstum
CW: Gab es Hürden in dem Projekt?
Schade: Ja. IFS hatte von Anfang an kommuniziert, dass das Know-how für die im ERP abgebildeten Prozesse innerhalb des Betriebes aufgebaut werden muss. Sie haben das System aufgesetzt und in der Einführungsphase prozessspezifische Einstellungen sowie die notwendigen Schnittstellen konfiguriert. Anschliessend war es an uns, die Dokumentation zu erstellen und die Expertise für die Software zu entwickeln. Da wir früher immer mit externen Consultants gearbeitet haben, war das eine grosse Umstellung für uns.
Jedoch haben wir die Hürde gut gemeistert – bis auf ein Thema: Während der Einführung im Bereich Finanzen hatten wir den Aufwand zur Systemkonfiguration und -testing völlig unterschätzt. Wir sind davon ausgegangen, dass wir ein abschluss- und revisionsfähiges ERP-System einkaufen, das einfach funktioniert. Dem war aber nicht so. Aufgrund der vollkommen integrierten IFS-Lösung werden zum Beispiel Buchungen in der Werkstatt sofort in die Buchhaltung übertragen. Hier gab es einige Herausforderungen, denen wir während der Implementierung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten.
CW: Welche Unterstützung hätten Sie sich gewünscht?
Schade: IFS ist nach meinem Empfinden in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen in der Schweiz. Dadurch kam es zweitweise zu Engpässen bei den für uns verfügbaren Ressourcen. Letztendlich haben die Anbindung von Schnittstellen oder die Integration von Drittsystemen mehr Zeit beansprucht als vereinbart.
Allenfalls nachteilig war noch, dass wir diese Projekte ohne einen Implementierungspartner umgesetzt haben. IFS' Philosophie war früher: Wir leisten alle Arbeit selbst. So haben wir dann auch direkt mit dem Hersteller zusammengearbeitet.
Vor circa drei Jahren hat sich IFS von der bisherigen Philosophie verabschiedet. Heute besteht die Möglichkeit der Implementierung mit IFS-Partnern. Als Kunde der frühen Stunde sind wir weiterhin in direktem Kontakt, denn wir wollen die Experten von IFS am Tisch haben.
CW: Sie erwähnten den Wechsel auf Version 10. Welche Gründe haben Sie?
Schade: Wir haben in den letzten Jahren den Vertrieb stark ausgebaut. Allerdings besitzen wir noch kein ausgereiftes CRM-System. Die Evaluation einer eigenständigen Lösung haben wir irgendwann abgebrochen, da wir mit IFS 8 ja ein CRM mit im Paket haben. Allerdings erfüllt die heutige Version nicht unsere Anforderungen. Die Version 10 aber sehr wohl.
Ein anderer Treiber für das Update ist die Digitalisierung: Bei der Anbindung von Lieferanten wollen wir einige Schritte weiter gehen, beispielsweise in der Transparenz der Prozesse und dem Verzicht auf Papierdokumente. Das wird mit IFS 10 und den Möglichkeiten von «Aurena» sehr viel einfacher.
Zur Firma
Nova Werke
wurden 1921 in Zürich gegründet. In einer Werkstatt schliffen die Mitarbeiter Kurbelwellen und Zylinder. 1970 zog die Nova Werke nach Effretikon um. Zeitgleich diversifizierte das Unternehmen: Das Geschäftsfeld «Hochdrucktechnik» wurde erschlossen. Flankierend entwickelten sich die Sparten «Dieselkomponenten» und «Oberflächentechnik». Die Dienstleistungen und Verfahren der drei Produktlinien sind unter dem Markennamen «Nova Swiss» registriert. 1979 wurden Tochtergesellschaften in Frankreich und Deutschland gegründet, 2018 folgten die Nova Werke China in Hong Kong. Das Unternehmen beschäftigt über 130 Mitarbeiter.
Die Lücken im System
CW: Wie bewährt sich IFS in der unternehmerischen Praxis?
Schade: Der grosse Vorteil ist die integrierte Plattform mit allen Anwendungen in einem System. So wird die komplette Revisionsfähigkeit gewährleistet.
Zuletzt haben wir noch die HR eingebunden. Die anfänglichen Vorbehalte gegen die Ablösung von Mobatime konnten wir mit Einzelgesprächen und Schulungen ausräumen. Denn all die Daten, die ein Personalangestellter früher zur Verfügung hatte, benötigt er für seine Tätigkeit streng genommen gar nicht. Aber die Kollegen waren an die verfügbaren Daten gewöhnt. Nun fehlen sie. Hier mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten, um den Mitarbeitern zu vermitteln, dass sie auch dann dem neuen System vertrauen können, wenn nicht mehr alle Informationen vorhanden sind. Denn die Buchungstreue ist natürlich ebenso gegeben.
CW: Was fehlt heute bei IFS?
Schade: Anwendungen für Analytics und Business Intelligence. Wir arbeiten unter IFS 8 zwar mit einer Business-Analytics-Funktion, die aber nur rudimentär und wenig benutzerfreundlich ist. Entsprechend tief ist der Akzeptanzgrad unter den Angestellten. Die Version 10 verspricht hier einen deutlichen Fortschritt – auch mit den «Lobbies», den benutzerkonfigurierten Startbildschirmen. Dort kann sich der Anwender alle für ihn relevanten Informationen darstellen lassen und hat die Daten quasi immer im Blick.
CW: Sehen Sie Anwendungsmöglichkeiten für künstliche Intelligenz?
Schade: Noch nicht zum heutigen Zeitpunkt, zukünftig aber durchaus! Einige Produkte vertreiben wir direkt an den Kunden, zum Beispiel im Bereich der Hochdrucktechnologie. Hier könnte KI bei der Absatzprognose und der Lagerhaltung assistieren.
Das gilt auch für das Material Ressource Planning: Unsere Kunden bestellen keineswegs immer in gleichen Zyklen und ändern die Orders auch gern noch kurz vor der tatsächlichen Auslieferung. Heute müssen die Mitarbeiter mit diesen kurzfristigen Anfragen umgehen. Sie schieben eine Produktion nochmals an oder stoppen schlimmstenfalls die Maschinen, wenn die notwendige Menge bereits produziert ist. KI könnte hier allenfalls Muster erkennen, die Auslastung verbessern und letztendlich auch die Angestellten entlasten.
CW: Haben Sie Angst vor einer zu grossen Abhängigkeit von Ihrem ERP-Anbieter?
Schade: Nein, Angst haben wir nicht. Eine Abhängigkeit von IFS ist durch die Tatsache, dass das Wissen über unser System bei uns im Haus vorhanden ist, auch nur sehr eingeschränkt vorhanden. Lediglich bei den Vertragsverhandlungen gibt es natürlich eine Anhängigkeit. Da die Benutzerakzeptanz sehr hoch und wir durchweg zufrieden sind mit dem System, ist diese Abhängigkeit durchaus hinnehmbar.