29.10.2014, 04:10 Uhr
IBM Watson für Schweizer Privatbankiers
Künstliche Intelligenz soll künftig Privatbankiers zum Erfolg verhelfen. IBM stellt den Vermögensverwaltern die Watson-Technologie an die Seite.
Bei den ersten kommerziellen Anwendungen der Watson-Technologie hatte IBM offenbar die Schweiz im Hinterkopf. Die Software-Lösungen sollen Ärzten, Köchen und Privatbankiers in Zukunft mit Rat zur Seite stehen. In allen drei Disziplinen kann sich die Schweiz mit Kompetenzen von Weltformat rühmen. An der IBM-Hausmesse «Insight» in Las Vegas kündigte Watson-Chef Mike Rhodin an, Experten mit den Fachanwendungen unterstützen zu wollen. Ein Wehrmutstropfen: Einen Anwendungsfall aus der Schweiz hatte Rhodin nicht im Programm. Ein anderer: Die Spezialisten müssen (noch) perfekt in Englisch sein, denn nur in der Weltsprache versteht Watson die Anweisungen der Benutzer.
Wenn sich der kommerzielle Erfolg einstellt, wird IBM rasch weitere Sprachen addieren. Zunächst sind nach den Worten Rhodins aber brasilianisches Portugiesisch, Japanisch und Spanisch geplant. In den drei Sprachregionen gibt es Grosskunden mit konkreten Anwendungen für die Technologie. Allerdings war an dem Anlass aus dem Watson-Produktmanagement zu hören, dass auch Deutsch und Französisch oben auf der Agenda stünden. Wenn anschliessend noch Italienisch folgt, wäre Watson auch sprachlich in der Schweiz angekommen. Bis dahin könnte auch ein englischsprachiger Watson für Schweizer Bankiers eine Hilfe sein. Die Branchenanwendung für das Wealth Management steht laut IBMs Mike Karasick, Vice President Watson Innovation, kurz vor der Markteinführung. Er zeigte an der «Insight» einen Prototyp, mit dem sich eine Anlageberatung simulieren liess: Den Ausgangspunkt bildet ein Kundenprofil mit letzten Kontaktaufnahmen, etwa Anfragen via E-Mail oder Telefon. Auf eine konkrete Anforderung des Kunden kann der Berater sich das Portfolio auf den Bildschirm holen. Wenn der Kunde etwa wegen der Performance eines Assets beunruhigt ist, analysiert der Berater die Entwicklung des Papiers anhand von Börsennachrichten, Informationen aus der hauseigenen Forschung und Marktdaten. Dafür zapft Watson öffentliche Quellen an und liest strukturierten sowie unstrukturierten Daten ein. Wenn ein neues Kadermitglied bei der börsenkotierten Gesellschaft der Grund für die Turbulenzen der Aktie war, kann sich der Berater anhand des Lebenslaufs (etwa von Moneyhouse), des Twitter-Streams sowie einem automatisch generierten, wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitsprofil über den Manager orientieren. Die so gesammelten Informationen fasst die Watson-Anwendung für das Beratungsgespräch mit dem Kunden zusammen.
Benötigt der Privatbankier weitere Hilfestellungen, kann er sich durch Fragen an Watson zusätzliche Vorschläge für Argumentationslinien liefern lassen. Ebenso soll die Software Investmentempfehlung abgeben können. Dabei will IBM in Echtzeit eingelesene Marktdaten und das historische Investmentprofil des Kunden berücksichtigen. Indes: Als vollständigen Ersatz des Bankers sah Karasick den Computer nicht. Watson gibt lediglich Empfehlungen und eine Wahrscheinlichkeitsprognose ab. Die Entscheidungen trifft der Mensch. Nächste Seite: Arzt, Koch und Reiseplaner
Die interaktive Aufbereitung von strukturierten und unstrukturierten Daten überträgt IBM auch für die Anwendungsfälle Onkologie und Kochen. Für die Medizin wird die Maschine mit den Inhalten von rund einer Million schriftlichen Quellen wie Büchern und Fachzeitschriften gespeist. Aufgrund der Angaben des behandelnden Arztes präsentiert Watson mögliche (wahrscheinliche) und Therapie-Empfehlungen. Dabei werden Unverträglichkeiten sowohl des Patienten als auch von Medikamenten untereinander berücksichtigt. Wie IBM-Manager Rhodin sagte, ist das Resultat vergleichbar mit der Konsultation eines weltweit anerkannten Spezialisten. Auch hier sei der Unterschied, dass die Software natürlich nicht selbst operiert und lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen macht.
Die interaktive Aufbereitung von strukturierten und unstrukturierten Daten überträgt IBM auch für die Anwendungsfälle Onkologie und Kochen. Für die Medizin wird die Maschine mit den Inhalten von rund einer Million schriftlichen Quellen wie Büchern und Fachzeitschriften gespeist. Aufgrund der Angaben des behandelnden Arztes präsentiert Watson mögliche (wahrscheinliche) und Therapie-Empfehlungen. Dabei werden Unverträglichkeiten sowohl des Patienten als auch von Medikamenten untereinander berücksichtigt. Wie IBM-Manager Rhodin sagte, ist das Resultat vergleichbar mit der Konsultation eines weltweit anerkannten Spezialisten. Auch hier sei der Unterschied, dass die Software natürlich nicht selbst operiert und lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen macht.
Watson schreibt Kochbuch
Die chemische Zusammensetzung von Medikamenten hat Watson mit der Arzt-Anwendung einmal gelernt. Diese Fähigkeit überträgt IBM für den Chefkoch auf Lebensmittel. Für die Rezepte ergänzt die Software einen Faktor für landestypische oder regionale Geschmacksvorlieben. So hätten zum Beispiel Asiaten eine andere Einschätzung von scharf gewürzten Speisen als die Europäer. Aber auch auf dem «alten Kontinent» seien die Vorlieben noch unterschiedlich. Was für einen Schweizer scharf gewürzt ist, ist für einen Holländer noch lange nicht scharf, wusste Rhodin. Wie geschmackvoll Watsons Kreationen wirklich sind, testet IBM aktuell in einem öffentlichen Betatest der Software. Die besten Rezepte der Küchenhilfe Watson will Big Blue Ende Jahr in einem Kochbuch vermarkten. Den Produktivbetrieb seit drei Wochen erreicht hat die Entwicklerplattform von Watson. Manager Rhodin war erfreut vom regen Zuspruch. Nach seinen Worten hätten sich in den 21 Tagen bereits 1500 Entwickler und Firmen registriert, die an insgesamt 2500 Apps arbeiteten. Unterdessen sei die Watson-API bis anhin rund eine Million Mal abgerufen worden – sei es für Testzwecke oder von produktiven Applikationen.
Zeitgemässe Ferienplanung
Jenseits der Entwicklerplattform haben Unternehmen wie WayBlazer ihre eigenen Ideen mit Watson-Technologie umgesetzt. Die Plattform für Online-Reisebüros verzichtet darauf, den User zum Eintippen von Eckdaten seiner Ferien in Formulare zu nötigen. Stattdessen kann er in ein Suchfeld eintippen, wie er sich die Ferien vorstellt: «mit Frau und den beiden Kindern in den Schulferien auf die Azoren in ein Vier-Sterne-Hotel mit Kinderbetreuung und Wellness-Paket». Aus diesem Satz extrahiert die Watson-Software alle notwendigen Informationen und macht Buchungsvorschläge.
Zusätzlich werden dem User Insider-Tipps oder populäre Ausflugsziele angezeigt. Diese Informationen bezieht WayBlazer von Reise-Webseiten und zum Beispiel den Social-Kanälen wie Facebook oder Foursquare. WayBlazer-Gründer Terry Jones äusserte sich an der «Insight» überzeugt, dass seine Watson-Anwendung erst am Anfang steht und Potential hat, die Reisebranche aufzumischen. Jones weiss, wovon er spricht, ist WayBlazer doch schon sein drittes erfolgreiches Projekt in dem Bereich. Auch an den Gründungen von Travelocity und Kayak war er beteiligt. Zuvor amtierte er jahrelang als CIO des Reise-Reservierungssystems Sabre. Wie WayBlazer können auch andere Unternehmen die Algorithmen und Technologien von Watson heute nutzen – wenn sie mit einer Software aus der Cloud arbeiten dürfen, können und wollen. Dem steht bei Finanzinformationen und Patientendaten steht allenfalls der Datenschutz entgegen. IBM ist sich den Herausforderung bei Sicherheitsvorbehalten seiner Kunden bewusst, betont Steve Mills Senior Vice President and Group Executive Software and Systems, im Gespräch mit Computerworld. Watson sei aktuell eine reine Cloud-App. Allerdings würden die Ingenieure auch einer Version der Software arbeiten, die sich Firmen in ihrem eigenen Rechenzentrum installieren könnten, sagte der Software-Chef von IBM. Dann könnte Watson tatsächlich eine Hilfe für Schweizer Finanzdienstleister werden.