HCL-Übernahme
07.08.2019, 08:30 Uhr
Planungssicherheit für Schweizer Notes-User
Der IT-Dienstleister HCL hat die Collaboration-Sparte von IBM endgültig übernommen. Damit gibt es nun Planungssicherheit für Schweizer Notes-User, sagen Vertreter der SNoUG.
Seit einem Monat sind die Collaboration Solutions von IBM im Besitz von HCL. Das IT-Unternehmen ist damit auch verantwortlich für die populären Notes und Domino. Von beiden Programmen ist mittlerweile eine Version 10 auf dem Markt. Allerdings zögern die Kunden offenbar mit dem Update. Wie die Vertreter der «Schweizer Notes User Group» (SNoUG), Helmut Sproll und Andrew Magerman, im Interview sagen, gibt es dafür verschiedene Gründe. Aber beide äussern sich zufrieden mit der Weiterentwicklung der Software und der Geschäftspraxis von HCL.
Computerworld: Mittlerweile ist Notes/Domino komplett von HCL übernommen worden. Ist damit das Support-Ende für Notes vom Tisch?
SNoUG: Ja, das Support-Ende ist nach der Übernahme endgültig vom Tisch. Anfang Juli haben HCL und IBM nun endlich auch den Kaufvertrag unterzeichnet, so dass die früheren Collaboration-Produkte von IBM nun Eigentum von HCL sind.
Computerworld: Wie stellt HCL sich bei Notes/Domino auf? – Allenfalls auch im Vergleich mit IBM. . .
SNoUG: HCL hat rund 300 Programmierer und Spezialisten für die Collaboration-Anwendungen von IBM übernommen. Zusätzlich beschäftigt HCL weitere circa 200 Personen mit der Weiterentwicklung von Domino und Notes. Soweit zum Personal.
Auf der Produkteseite hat HCL bis anhin das geliefert, was sie versprochen haben. Bei Version 10 wurde der Schwerpunkt auf die Server gelegt. Die Software wurde näher an den heutigen Stand der Technologie gebracht. Aus Entwickler- und Anwendersicht bleiben immer noch Wünsche offen. Allerdings kann HCL auch nicht innerhalb von knapp 20 Monaten aufholen, was IBM in den letzten zehn Jahren verpasst hat.
Computerworld: Welche Schweizer Unternehmen setzen weiterhin auf Notes/Domino?
SNoUG: Es ist sicher so, dass eine Reihe bekannter Notes/Domino-Anwender in den letzten Jahren die Plattform gewechselt haben. Konkret ausgetauscht werden dabei häufig nur E-Mail und Kalender, da dies ganz ohne Zweifel der einfachere und damit auch der günstigere Teil einer Migration ist.
Insofern gibt es viele Unternehmen, für die der Weiterbetrieb bestehender Notes/Domino-Applikationen um Faktoren günstiger ist als die Ablösung durch eine andere Technologie. Nicht selten sind auch die Fachabteilungen nicht dazu bereit, eine oftmals gut funktionierende Anwendung teuer abzulösen, ohne damit einen erkennbaren Mehrwert zu erzielen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass Migrationsprojekte in einem Parallelbetrieb der neuen E-Mail-Plattform und Notes/Domino enden. Dann äussern sich Unternehmen nur sehr zurückhaltend darüber, dass sie nach wie vor Domino-Applikationen nutzen.
Die grosse Unbekannte
Computerworld: Welches Vorgehen wählen die Schweizer Kunden nach dem Verkauf an HCL?
SNoUG: Für viele ist HCL ein unbekanntes Unternehmen, weshalb eine gewisse Verunsicherung nicht von der Hand zu weisen ist. HCL hat das schnell erkannt und sucht nun im Rahmen eines «Client Advocacy» genannten Programms den direkten und regelmässigen Kontakt zu jedem Kunden. Man will genau verstehen, wo ein Kunde steht, welche Herausforderungen er aktuell hat und wie zufrieden man mit der eingesetzten Lösung ist. Diese Art des Kontakts kommt bei vielen Kunden gut an und schafft Vertrauen.
Computerworld: Welche Gründe sprechen für die Migration auf Version 10?
SNoUG: Wie erwähnt lag bei Version 10 der Schwerpunkt der Neuerungen auf der Server-Seite. Beispielsweise wurde die maximale Grösse einer Datenbank von bisher 64 auf neu 256 Gigabyte erhöht. Unternehmen, die aufgrund der Limitationen bis anhin an Grenzen gestossen sind, können nun getrost migrieren. Darüber hinaus wurde die Datenbank mit «selbstheilenden» Funktionen ausgerüstet, was die ohnehin schon hohe Verfügbarkeit noch einmal verbessern wird.
Ein Punkt, der vor allen Dingen für Unternehmen wichtig sein dürfte, die nur E-Mail und Kalender auf eine andere Plattform umgestellt haben, ist die Anbindung an nodes.js. Damit können Entwickler moderne Web-Applikationen auf Basis von node.js realisieren, ohne dass eine Migration der Daten mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten (Datenformate, Sicherheit, …) erforderlich ist. Für die Benutzer ist es im Allgemeinen ohnehin irrelevant, welche Technologie im Hintergrund läuft. Sie sind je länger, je mehr gewohnt, mit einem Browser zu arbeiten. Genau das wird mit der Anbindung von nodes.js an Domino möglich.
Computerworld: Welche Gründe gibt es für den Verzicht auf die Migration auf Version 10?
SNoUG: Migrationsprojekte auf Notes/Domino 10 haben gezeigt, dass es Verzögerungen geben kann, weil das Language Pack für Deutsch noch nicht verfügbar war. In der Schweiz sind Kunden häufig auf die Language Packs angewiesen. Mit einem englischsprachigen Programm wollen viele Kunden, gerade im KMU-Bereich, nicht arbeiten.
Ein weiterer Grund für den Verzicht könnte der Client sein. Wie erwähnt lag der Schwerpunkt der neuen Version auf der Serverseite. Der Client hat durchaus auch einige Verbesserungen erfahren. Verschiedenes, was jetzt mit Version 10 im Client enthalten ist, wurde jedoch durch Kunden oder Businesspartner schon unter Version 9 realisiert. Insofern ist für manche Kunden der Sprung von Version 9 auf Version 10 nicht gross genug, dass sich der Aufwand lohnen würde.
«Liefere statt lafere»
Computerworld: Welche Pläne verfolgt HCL mit Notes/Domino?
SNoUG: Ein grosses Thema. HCL hat aus Sicht der SNoUG drei Dinge erkannt. Zum einen ist Notes/Domino eine überaus mächtige, stabile und sichere Plattform, die in vielen Unternehmen (darunter auch solche, die E-Mail auf andere Plattformen migriert haben) eine Zukunft haben kann. Dies nur schon deshalb, weil eine Ablösung der darauf realisierten Applikationen in vielen Fällen teuer, wenn nicht nahezu unmöglich ist.
Die zweite Erkenntnis betrifft die Clients. Hier ist in den letzten Jahren einfach viel zu wenig gemacht worden. HCL hat mit der Lieferung von «Notes auf dem iPad» (und bis Ende Jahr auch auf Android-Tablets) ganz sicher einen richtigen und wichtigen Schritt gemacht. Auch Verse, der browserbasierte E-Mail-Client, wurde stark erweitert und hat darüber hinaus in den letzten Monaten weitere Verbesserungen bekommen.
Schliesslich hat HCL drittens verstanden, dass Kunden und Partner echten Fortschritt und eine Perspektive sehen wollen. Es hat noch nie genügt, nur darüber zu sprechen, was man alles plant. Am Ende des Tages muss auch geliefert werden. HCL hat eine neue Notes/Domino Version für den Oktober 2018 versprochen. Am 10. Oktober wurde sie tatsächlich vorgestellt, einen Tag später konnte die Software herunterladen werden. Versprechen einhalten, dass ist es, was wir als SNoUG auch in Zukunft von HCL erwarten.
Computerworld: Wie sieht die Schweizer Partnerlandschaft für Notes/Domino aus?
SNoUG: In der Deutschschweiz zählen wir knapp ein Dutzend Dienstleister für Notes/Domino. Unternehmen wie Ategra, Belsoft, BizCon, Cross-Works, iota, Laurus, Magerman und WebGate bieten Dienstleistungen an, sind aber auch auf anderen Gebieten tätig. Weiter gibt es lokale Niederlassungen ausländischer Unternehmen, die in vielen Fällen sich auf den Verkauf von Lösungen fokussieren und weniger auf Dienstleistungen.
Computerworld: In der Schweiz gibt es mit «SNoUG» und «Icon» gleich zwei User Gruppen für Notes und Domino. Gibt es eine Kooperation oder Konsolidierung?
SNoUG: Unser Präsident Helmut Sproll ist im Gespräch mit Belsoft-CEO Andreas Ponte. Sein Unternehmen ist eine der treibenden Kräfte hinter der User Group «Icon Switzerland». Sie diskutieren über eine mögliche Kooperation oder gemeinsame Anlässe. In Ergänzung ist die SNoUG in Gesprächen mit internationalen User Groups, um allenfalls Synergien zu erzielen und mögliche Terminkonflikte zu vermeiden.
Von HCL erhielten wir zuletzt das Signal, dass sich die neuen (alten) Verantwortlichen einen gemeinsamen Ansprechpartner für die Schweizer User wünschen.
Computerworld: Um die SNoUG ist es ruhig geworden. Wie geht es weiter?
SNoUG: Da der IBM/HCL-Deal nun endlich in den berühmten trockenen Tüchern ist, sind wir in konkreten Gesprächen mit HCL über die nächste Tagung. Termin ist der 19. November 2019 in Zürich. Jeder, der an dem Thema interessiert ist, sollte regelmässig auf unserer Homepage (www.snoug.ch) vorbeisehen. Dort wird auch über die kommende Tagung informiert, an der neben den bekannten Fachleuten auch Richard Jefts von HCL anwesend sein wird.