Braucht die Schweiz ihre eigene Cloud?

Kontra: Franz Grüter (SVP)

Computerworld: Die Cyberkriminalität nimmt laufend zu. Würde eine «Swiss Cloud» nicht mehr Sicherheit versprechen?
Franz Grüter: Zu einem ganzheitlichen Schutzkonzept vor Cyberkriminalität gehören verschiedene Aspekte: Netzwerk- sowie Datensicherheit und nicht zuletzt ist der physischen Sicherheit von Rechenzentren grosse Beachtung zu schenken. Um sich zu schützen, muss sich jedes Unternehmen bei der Wahl der Cloud-Strategie mit diesen Themen eigenverantwortlich auseinandersetzen. Institutionen wie die Cloud Security Alliance bestehen bereits seit Jahren. Sie haben bewährte Methoden und Leitfäden zu Fragen des Cloud- und damit des Risiko-Managements erarbeitet und Lösungen definiert. Die globalen Cloud-Anbieter investieren hohe Summen in Sicherheits­konzepte sowie den Betrieb und bauen diese stetig aus. Investitionen und Innovationen in diesem Rahmen würden wir in der Schweiz mit einer eigenen «Swiss Cloud» nicht im selben Rahmen realisieren können. Nicht zuletzt ist jedoch der Faktor Mensch grösstenteils mitverantwortlich, dass Cyberangriffe möglich sind. Daher ist es genauso zentral, laufend Aufklärung zu betreiben und zu sensibilisieren.
CW: Viele Schweizer Daten sind bereits in auslän­dischen Rechenzentren gespeichert. Wäre nicht mehr Eigenstaatlichkeit gefragt?
Grüter: Staatlichkeit ist nicht zwingend, jedoch Klarheit darüber, welche Daten besser in der Schweiz bleiben sollten. Dies würde vielen Unternehmen helfen. Immer mehr private und öffentliche Unternehmen verfolgen eine Cloud-Strategie. Dies birgt je nach Sensitivität der Daten kleinere oder grössere Risiken. Einerseits ist das Bestreben nach Datensouveränität und der Kontrolle, wo die Daten gespeichert werden, sehr gross, andererseits wird die Cloud-Strategie der Unternehmen getrieben vom technologischen Fortschritt, dessen Möglichkeiten und den wirtschaftlichen Kosten. Die unterschiedlichen Risiken einer Cloud-Strategie sind bekannt und gut dokumentiert. Bereits heute ist es möglich, sensitive Daten in der Schweiz, entweder in Private oder Public Clouds zu speichern oder in einer Kombination von beidem. Dieses hybride Modell ermöglicht es, intelligente und effektive Werte für das Unternehmen zu schaffen. Mit diesem Ansatz wird zudem rechtlichen und regulatorischen Anforderungen Rechnung getragen und gleichzeitig kann von der Innovationskraft der grossen Cloud-Anbieter profitiert werden.
“Es fordert auch niemand, dass wir eine eigene Flugzeugindustrie aufbauen„
Franz Grüter
CW: Ihre Partei setzt sich in der Regel gegen Abhängigkeiten vom Ausland ein. Weshalb gilt das gerade bezüglich Cloud nicht?
Grüter: Die Cloud muss heute als Teil eines grossen Ganzen verstanden werden, das zu einer dynamischen Wertschöpfung beiträgt. Eine «Swiss Cloud» zu entwickeln und technologisch mit den grossen, globalen Cloud-Anbietern mithalten zu wollen, ist im Verhältnis zur Marktgrösse der Schweiz sehr unrealistisch. Es fordert auch niemand, dass wir eine eigene Flugzeugindustrie aufbauen, um als Schweiz unabhängig zu sein. Das ist für mich ein adäquater Vergleich. Die Initialkosten und der laufende Betrieb sowie das konstante Investment in den technologischen Fortschritt wären enorm. Anstelle einer eigenen «Swiss Cloud» sind vom Bund definierte rechtliche Rahmenbedingen zu erlassen, um die Rechtssicherheit im Umgang mit der Cloud zu erhöhen und die Abhängigkeiten anders zu regeln.
CW: Was sind weitere Argumente gegen eine «Swiss Cloud»?
Grüter: Public-Cloud-Dienstleistungen werden heute weltweit genutzt. Auch die Schweiz profitiert von der grossen Innovation, Flexibilität und entsprechender Skalierbarkeit. Public Clouds bieten zudem Kosteneffizienz, Schnelligkeit und einen fortwährend aktuellen Stand der Technologie. Auch nimmt das allgemeine Bewusstsein betreffend Umgang mit Daten stetig zu, der zudem rechtlich geregelt wird. Daher ergibt eine eigene «Swiss Cloud» wenig Sinn, dafür sollten wir eher auf eigene kritische Infrastrukturen bauen (Rechenzentren, IT, mobile Netze, Energie).
CW: Würde das Mehr an Sicherheit und Unabhängigkeit die Kosten nicht rechtfertigen?
Grüter: Eine eigene «Swiss Cloud» bietet nicht mehr Sicherheit und Unabhängigkeit. Im Gegenteil: Die Innovationskraft und Möglichkeit der Hyperscaler und die Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung sind Treiber, die wir nicht unterschätzen dürfen. Und wo würde es stoppen, die Server sind ja nicht aus der Schweiz, sondern aus den USA, China und anderen Staaten. Wirtschaftlich gesehen bringt uns die «Swiss Cloud» also nicht mehr Unabhängigkeit und punkto Sicherheit investieren die grossen Cloud-Anbieter in solch grossem Rahmen, dass die Schweiz nicht mithalten könnte. Wir sollten vielmehr über die Definition von regulatorischen Rahmenbedingungen sowie über das Schaffen von Möglichkeiten betreffend Umgang mit sensitiven und schützenswerten Daten und die erfolgreiche Gestaltung der «Journey to Cloud» nachdenken.
CW: Eine Public-Private Partnership (PPP) wäre für Sie auch nicht denkbar?
Grüter: PPP werfen hinsichtlich des Souveränitätsgrads einige Fragen auf, die zwingend geklärt werden müssten, wenn wir die Vorteile des Standorts Schweiz vollumfänglich nutzen wollen. Die Optionen sind vielfältig und die technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Kompromisse entscheiden, ob eine PPP wirklich den gewünschten Nutzen bringt. Daher kann diese Frage nicht so einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden. Neue Kollaborationen werden im Zuge der Weiterentwicklung laufend geprüft werden müssen.
CW: Die Bundesverwaltung betreibt bereits einen eigenen Rechenzentren-Verbund. Sehen Sie das auch kritisch?
Grüter: Ein solcher ergibt sicherlich Sinn, um sensible Daten unter den Schweizer Datenschutzbestimmungen schützen zu können und die Rechenzentren effizient zu betreiben. Ich denke, es könnten hier sogar Public-Private-Erweiterungen in Betracht gezogen werden. Diese könnten die Verfügbarkeit zusätzlich erhöhen.
CW: Wie sehen Sie die optimale digitale Infrastruktur für die Schweiz?
Grüter: Unsere rechtlichen Aspekte sowie die Souveränität sind zentral und die sollten wir bewahren. Ziel ist es daher, die Zusammenarbeit mit den grossen Cloud-Anbietern global weiter zu verbessern, damit wir unsere Souveränität und die Stärken der Schweiz aufrechterhalten und gleichzeitig vom Potenzial der Kosteneffizienz und Innovation profitieren können. Noch vor kurzer Zeit wäre es undenkbar gewesen, dass die grossen Cloud-Anbieter ihre Dienste auch aus Europa oder sogar der Schweiz anbieten. Ein hybrides Modell, das die globalen Möglichkeiten nutzt und gleichzeitig Raum für sensible und schützenswerte Daten innerhalb der Schweiz schafft, wäre für mich ein zukunftsweisender Weg für die «Cloud Journey» der Schweiz.



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