Der erste Hacker war Terrorist

Drei Jahre in der «Messagerie»

Die Kombination aus Nachlässigkeit der PTT, Fahrlässigkeit der Anbieter und krimineller Energie der Hacker brockte 1990 dem Videotex Millionenschäden ein. Die PTT verteilten von der Telefonnummer des Videotex-Teilnehmers abgeleitete vierstellige Passwörter. Videotex-Anbieter wie die Zürcher Telepress – notabene ein Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Zeitungs- und Zeitschriftenverlage – legten die Anschlusskennung und die Passwörter ihrer Grosskunden unverschlüsselt auf ihren Rechnern ab. So gelangten Logins von Firmen wie Ciba Geigy, Coop oder Publicitas in die falschen Hände. «Ohne Insider-Kenntnisse wäre es nicht möglich gewesen, die Daten zu knacken», sagte Christoph Henn, Direktor der Telepress, der Computerworld. Er machte Per­sonalwechsel für die Panne verantwortlich. «Keiner unserer Kunden kam zu Schaden», beruhigte Henn denn auch. So wurden die Telepress-Kunden nicht zur Kasse gebeten, da die Rechnungen erwiesenermassen aufgrund von Missbrauch zustande gekommen waren. Letztendlich blieben die PTT auf den Forderungen sitzen.
Geprellt wurden vor allem «Messagerien», die einen direkten Kontakt zwischen den Teilnehmern erlauben. Und die vor allem der Vermittlung persönlicher Bekanntschaften dienten. Dafür kauften die Benutzer sich Zeitgutschriften. Die Hacker erwarben mit den gestohlenen Logins diese Guthaben und veräusserten sie unter Pseudonym weiter. Laut Computerworld das «ideale» Opfer war der «Club Dialog» des Medienkonzerns Ringier. Er liess den Kauf von 1,5 Millionen Minuten Benutzerzeit zu – was einem etwa drei Jahre ununterbrochenen Dialog entsprach.
Hans Jakob Pfister, bei Ringier für Videotext zuständig, fiel der Missbrauch auf: Er begrenzte den Verkauf auf 2880 Minuten pro Teilnehmer. Wegen allfälliger Beschwerden der Benutzer des Clubs hatte Ringier wenig Sorgen. «Von den Betroffenen hat niemand reklamiert», berichtete Pfister. Für die Computerworld-Redaktoren war das auch kein Wunder: Denn wer damals reklamieren wollte, musste einen eingeschriebenen Brief an Ringier senden – und dabei natür­lich seine Anonymität aufgeben.



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