Computerworld vor 30 Jahren
09.12.2020, 13:29 Uhr
Der erste Hacker war Terrorist
Vor 30 Jahren wurde das erste Urteil wegen Computermissbrauch gesprochen. Der US-Amerikaner Robert Morris wurde als Terrorist verurteilt, berichtete Computerworld Schweiz.
Das «Herbstlaub»-Virus liess 1990 die Buchstaben auf die unterste Bildschirmzeile fallen
(Quelle: Computerworld)
Ähnlich schlimm wie der bis dahin grösste Anschlag auf die US-amerikanische Bevölkerung sei auch das Lahmlegen von landesweiten Computernetzen einzustufen. So lautete sinngemäss die Begründung des ersten Urteils gegen Robert Morris, den Programmierer des nach ihm benannten Computerwurms. Der «Morris»-Wurm hatte Ende der 1980er etwa einen Zehntel des damals noch jungen Internets befallen. Bei der Weiterverbreitung auf die rund 6000 Unix-Rechner verursachte der Wurm viel Schaden. Schätzungen für die Desinfektion rangieren zwischen 100'000 und 10 Millionen US-Dollar – je nach Lesart. Denn «Morris» legte die Computeranlagen lahm, sodass sie einerseits nicht mehr benutzt werden konnten, was mit einem Produktivitätsverlust einherging. Andererseits mussten die Administratoren teilweise mehrere Tage dafür aufwenden, den Wurm zu beseitigen.
Als bis dahin grösster Anschlag auf die US-Bevölkerung gilt das Lockerbie-Attentat aus dem Jahr 1988. Bei dem Terrorakt kamen 179 Fluggäste und elf Besatzungsmitglieder mit US-Pass beim Absturz des Pan-Am-Flugs 103 von Frankfurt via London nach New York ums Leben. Der «Morris»-Wurm kostete zwar keine Menschenleben, das Urteil müsse aber eine abschreckende Wirkung haben, argumentierte Staatsanwältin Ellen Meltzer.
Lockerbie und der Wurm
Die Geschworenen im ersten Prozess gegen Morris waren laut Computerworld grösstenteils EDV-Laien. Staatsanwältin Meltzer verzichtete in ihrem Plädoyer dann auch auf Informatikfachbegriffe. Vielmehr beschwor sie das Lockerbie-Attentat herauf, durch das die Gemeinde Syracuse, in der die Gerichtsverhandlung stattfand, schwer getroffen worden war: Mehr als 30 Familien der Stadt im Staate New York hatten Angehörige bei dem Absturz verloren. So fand Meltzers Argumentation, niemand sei «den Attentätern von Lockerbie dankbar, weil sie die Flugsicherheit verbessert haben», ein offenes Ohr bei den zwölf Geschworenen.
Sie befanden Morris dann auch für schuldig einer schweren kriminellen Handlung, die laut Strafregister ähnlich wie Terroranschläge zu ahnden sind. Die zwischenzeitige Berufung wegen des Lockerbie-Vergleichs schmetterte das Gericht allerdings ab: Die Bemerkungen von Staatsanwältin Meltzer seien «für den Ausgang des Prozesses unbedeutend» gewesen. So lautete das Urteil letztendlich auf eine bedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren. Weiter hatte Morris 400 Stunden soziale Arbeit zu leisten und eine Busse von rund 10'000 US-Dollar zu zahlen. Das Strafmass hätte bis zu fünf Jahren Gefängnis und 250'000 US-Dollar Busse hergegeben. Richter Howard Munson erklärte jedoch, eine Haftstrafe hätte «nur primitive Rachegelüste eines Teils der Gesellschaft befriedigt und niemandem etwas genützt». Die gemeinnützige Arbeit sollte Morris bei der Einrichtung eines Systems ableisten, das Spendengelder verwaltet.