Gastbeitrag 15.12.2023, 09:00 Uhr

Prozesse datengestützt optimieren

War Process Mining anfangs auf die reine Analyse von einzelnen Abläufen limitiert, können Unternehmen damit nun ihre gesamten Geschäftsprozesse erfassen, auswerten, modellieren und optimieren. Richtig eingesetzt, erleichtert die Technologie zudem den Einsatz von KI.
(Quelle: Sayedur Rahman/Pixabay)
Zahlreiche Unternehmen - auch in der Schweiz - setzen bereits seit Jahren auf die Technologie des Process Minings, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern, effizienter zu arbeiten und der Konkurrenz damit einen entscheidenden Schritt voraus zu sein. Doch bislang war es meist nicht möglich, zu sehen und zu verstehen, wie Geschäftsprozesse voneinander abhängen und vielfach miteinander verflochten sind. Dabei ist dies die Grundvoraussetzung dafür, Abläufe prozessübergreifend zu erfassen, zu analysieren, zu modellieren und kontinuierlich zu optimieren. Möglich macht dies seit Kurzem eine neue Technologie: eine neue Generation der Prozessoptimierung, die nicht mehr event-basiert ist, sondern objekt-zentriert.

Alles im Blick mit Object-Centric Process Mining

Beim herkömmlichen Process-Mining-Ansatz werden einzelne Prozesse oder Arbeitsschritte isoliert betrachtet – etwa in der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung oder der Beschaffung. Zudem muss die Datenextraktion und -umwandlung aus den relationalen Datenbanken je nach Ereignis wiederholt werden, da jedes Event nur mit einem einzigen Objekttyp (einer Fall-ID) verknüpft ist. Wird eine andere Perspektive auf einen Prozess gewünscht, muss eine vollständig neue Datenextraktion vorgenommen werden.
Beim Object-Centric Process Mining (OCPM) werden objektzentrierte statt fallzentrierte Ereignisdaten verwendet. Damit deckt OCPM das Zusammenspiel zwischen den Objekten in Prozessen, wie etwa Bestellungen, Lieferungen, Rechnungen oder auch Produktionsaufträgen, auf. Zudem identifiziert die Technologie Engpässe, Ineffizienzen und Verbesserungspotenziale. Dies ist elementar, da die betriebliche Realität von vielfältigen wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Abteilungen und Prozessen geprägt ist. So haben etwa Verzögerungen bei der Beschaffung oder der Logistik Auswirkungen auf die Produktion, die Auslieferung, die Rechnungsstellung und somit letztendlich auch auf die Liquidität eines Unternehmens.
Das wahre Gesicht von Prozessen in der betrieblichen Realität
Quelle: Celonis
Firmen profitieren dabei von drei grossen Vorteilen:
  • Alle Geschäftsaktivitäten können aus jeder Perspektive auf Basis einer einzigen Quelle betrachtet werden.
  • Es gelingt, neue und wertvolle Optimierungsmöglichkeiten an den Schnittstellen von Prozessen und Abteilungen aufzudecken.
  • Statt zweidimensionaler Ansichten von Prozessen erhalten Anwender eine dreidimensionale, dynamische Sicht auf das gesamte Unternehmen.
Damit lassen sich zahlreiche in mittelständischen und grossen Betrieben aller Branchen höchst relevante Fragen datengestützt beantworten, wie etwa: Wie gelingt es, Vertrieb und Produktion besser aufeinander abzustimmen, um die Anzahl der Sendungen zu verringern sowie Logistikkosten und Emissionen zu reduzieren? Oder wie können Lieferverzögerungen durch die Verringerung von Lastspitzen in der Produktion reduziert werden?
Dashboards liefern eine dynamische Sicht auf das ganze Unternehmen.
Quelle: Celonis

Einheitliches Datenmodell als Basis

Möglich wird OCPM durch das zugrundeliegende, objektzentrierte Datenmodell. Dieses fungiert als Single Source of Truth für alle Prozessinformationen und dient als Kern des digitalen Zwillings eines Unternehmens. Damit können Organisationen deutlich schneller ihre Prozessdaten modellieren, detaillierte Einblicke gewinnen und Massnahmen zur Verbesserung ergreifen, da der Aufwand für die Datenextraktion aus den Quellsystemen (zum Beispiel ERP, CRM, SCM, etc.) erheblich reduziert wird.
Mit der objektzentrierten Technologie von Celonis lassen sich Abläufe prozess­übergreifend erfassen, analysieren, modellieren und optimieren.
Quelle: Celonis
Zu den Stärken des neuen Datenmodells gehören:
  • Vereinfachung: Anwender sind jetzt in der Lage, mit einem einheitlichen Datenmodell zu arbeiten – egal, ob bei ihren Rechnungen, Bestellungen, Produktionsaufträgen oder Lieferungen. Damit lassen sich Geschäftsprozesse deutlich leichter modellieren.
  • Agnostisches System: Unternehmen können die Vorteile von OCPM durch standardisierte Definitionen und pre-build Apps für Kernprozesse nutzen – unabhängig davon, welches ERP-, SCM-, CRM- oder anderes Quellsystem sie verwenden.
  • Flexibilität: Mit dem neuen Object-Centric Data Model können Unternehmen ihre Prozessanalysen dynamisch anpassen und von Prozess zu Prozess wechseln, ohne auf die Quelldaten zurückgreifen zu müssen. Dadurch können Unternehmen das Optimierungspotenzial, das in ihren Prozessen liegt, schneller erkennen und nutzen.
  • Dreidimensionale Sicht auf die Realität: Die Modelle sind dreidimensional und ohne grossen Aufwand um ­weitere Objekte und Ereignisse erweiterbar. Ferner stellen objekt-zentrierte Prozessmodelle ein realistisches und für Anwender einfach zu interpretierendes Bild der Prozesse dar.

Drei Säulen: Daten, Intelligenz, Schnittstellen

Ein solches einheitliches Datenmodell bildet eine von drei Säulen, auf denen die neueste Generation der Process Mining-Technologie aufgebaut ist. Die zweite Säule ist die sogenannte Prozessintelligenz, die nicht nur die Qualität der Algorithmen der Process Mining-Software umfasst, sondern die den Kunden auch Erfahrungen aus bisherigen Projekten in Form von Best Practices zur Verfügung stellt. Auch Apps zur Bewältigung typischer – auch branchenspezifischer – Aufgaben zählen dazu. Der dritte Aspekt ist die Anbindung anderer Software-Lösungen und Tools über Schnittstellen. Dies gilt insbesondere für KI-Tools, wie die derzeit intensiv diskutierten Large Language Models (LLMs). Durch das einheitliche Datenmodell moderner Process Mining-Plattformen steht Unternehmen ein Datenpool zur Verfügung, der sie in die Lage versetzt, bessere und valide Ergebnisse zu erzielen.

Prozessoptimierung als Schlüsselfrage

Die Qualität der Unternehmensprozesse hat aber nicht nur Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Ressourceneffizienz von Firmen, sie ist auch ausschlaggebend für den erfolgreichen Einsatz von Zukunftstechnologien wie KI: In der kürzlich erschienenen Studie The 2023 Process Optimization Report gaben 89 % der befragten Führungskräfte an, KI bereits aktiv einzusetzen – aber 72 % befürchten, dass mangelhafte Prozesse die Nutzung von KI in den nächsten zwei Jahren bremsen könnten. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass die überwältigende Mehrheit der Befragten (99 %) Prozessoptimierung als wichtig oder gar unerlässlich für die Erreichung ihrer Geschäftsziele einschätzt. Das Thema steht somit weit oben auf der Agenda der Unternehmensleiter und insbesondere der CIOs.
Der Autor
Vincent Leber
Celonis
Vincent Leber ist Vice President & Country Leader Schweiz bei Celonis, dem 2011 in München gegründeten Marktführer für Process Mining. www.celonis.com



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