Praxisratgeber 08.09.2008, 12:45 Uhr

Web-Shop-Tuning

Onlineshops sollen möglichst viele Kunden zum Kauf animieren. Dabei unterscheidet eine Handvoll Tricks den Mega-Seller vom Ladenhüter. Worauf kommt es an
Shops im Internet benötigen keine teuren Verkaufsflächen in City-Bestlagen. Auch der Personalbedarf fällt, verglichen mit dem realen «Point of Sale», bescheiden aus. Zudem erlauben die Internetläden eine Software-gestützte Analyse des Käuferverhaltens und damit einen tiefen Blick in die Kundenseele. Starke Argumente, die dafür sprechen, einen Onlineshop im grössten globalen Marktplatz einzurichten, den es zurzeit gibt: dem Internet.
Häufig stolpern viele Shop-Betreiber jedoch in Anfängerfallen, was sich dann negativ in der Erfolgsbilanz niederschlägt. Die typische Konversionsrate, dass heisst der Prozentsatz an Kunden, die einen Onlineshop betreten und tatsächlich etwas kaufen, beträgt im statistischen Durchschnitt zwei bis vier Prozent. Über 95 Prozent klicken wieder weg. Woran liegt das? «Der erste Kauf ist die entscheidende Chance, ein positives Kauferlebnis zu vermitteln», betont Dietmar Käppeli, Principal Consultant beim Schweizer E-Commerce Dienstleister namics. Verheddert sich der Kunde in umständlichen Navigationsmenüs oder hat Zweifel an der Seriosität des Angebotes, nimmt er vom Kauf Abstand. Die Konkurrenz ist im Internet immer nur einen Mausklick weit entfernt.

Praxisratgeber: Web-Shop-Tuning

Wirrer Workflow

Bei Internetshops kommt dem Warenkorb-Workflow eine entscheidende Bedeutung zu. Dort verlor beispielsweise der Schweizer Nahrungsmittelanbieter Oswald viele seiner Kunden. Besonders ärgerlich, denn Kunden, die Produkte in den virtuellen Warenkorb legen, haben sich bereits zum Kauf entschlossen, klicken dann aber doch nicht auf den finalen Kaufen-Button. Der Grund: Sie fanden ihn nicht, oder Sie brachen auf dem Weg dorthin den Bestellvorgang entnervt ab.
namics hat deshalb den Bestellvorgang von acht auf sauber voneinander getrennte fünf Schritte abgespeckt. Wichtig sei, den Kunden jederzeit darüber zu informieren, welchen Schritt des Bestellvorganges er gerade ausführt und was noch vor ihm liegt, betont Heinz Krienbühl, Senior-Berater bei namics. Käufer wünschen ausserdem präzise Informationen zu Verfügbarkeit, Lieferzeit und eventuell zusätzlich anfallende Transportkosten, möglichst verbunden mit der Gewähr, dass die bestellte Ware innerhalb der nächsten ein, zwei Tage bei Ihnen im Postkasten liegt.
Der durchschnittliche Warenbestellwert beim Nahrungsmittelhändler Oswald beträgt etwa 70 Franken. Schweizer Kunden können auf Rechnung bestellen, während von ausländischen Käufern Kreditkarten verlangt werden. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass Onlinekunden die Registrierung über einen dauerhaft beim Shop-
Betreiber gespeicherten Account eher abschreckt, obwohl ein solcher Account auch Vorteile bietet: Man muss die Lieferadresse und Zahlungsmodalitäten nur einmalig, und nicht bei jedem Kauf erneut, eintippen. Die Mehrzahl der Onlinekäufer will aber anscheinend ihre persönlichen Daten nicht dauerhaft abspeichern lassen.

Praxisratgeber: Web-Shop-Tuning

Multipfad-Strategie

Ausserdem «reicht ein Weg zum Produkt nicht aus», unterstreicht E-Commerce-Experte Krienbühl. Ein Faktum, das von Shop-Betreibern gerne ausser Acht gelassen wird: Je nach Branche benutzen bis zu 50 Prozent der Käufer die Site-interne Suchfunktion, um die von ihnen gewünschte Ware zu bestellen.
Die Hangelei durch hierarchisch aufgebaute Katalog-Menüs ist ihnen zu umständlich. Die Suche sollte daher fehlertolerant sein und mehrere, auch grammatisch nicht korrekte Schreibweisen beispielsweise von «Hühnerbouillon» zulassen. Nicht jeder Suppenkasper ist auch ein Duden-sicherer Rechtschreibkünstler. Besonders bei hochpreisigen Hightech-Waren wie Smartphones, Flachbildfernsehern oder Notebooks gewinnen exakte technische Informationen an Bedeutung. Kein Kunde kauft die Katze im Sack.
AGBs und ein Impressum, das die vollständige Anbieteradresse enthält, unterstreichen die bei hohen Bestellsummen entscheidende Seriosität des Angebotes. Die Telefonnummer der Support-Abteilung, die bei Problemen Hilfe leistet und Reklamationen annimmt, sollte auch im Onlineverkauf nicht fehlen.

Synchrone Vertriebskanäle

Wichtig ist ausserdem, die Synchronität der Informationen über die drei Vertriebskanäle Point of Sale, Katalogbestellung und Onlineshop hinweg sicherzustellen. Eine Studie des Kommunikations- und E-Commerce-Spezialisten Hybris hat ergeben, dass sich 31 Prozent aller Onlinekäufer vorab am Point of Sale und 33 Prozent über Print-Publikationen informieren, bevor sie zum Onlinekauf schreiten. 36 Prozent verlassen sich ausschliesslich auf Onlineinfos. Widersprechen sich die Informationen, kommen Zweifel auf und der Kunde macht sein Portemonnaie wieder zu. Will sich der gewünschte Erfolg trotzdem nicht einstellen, sollten Shop-Betreiber die Konvertierungspfade, die Kunden etwa vom Teaser über die Homepage und die Produktinfoseite zum Bestellformular führen, analysieren und optimieren. An welcher Stelle steigen die meisten Kunden aus? Verleiten die Inhaltstexte zum Abschluss, sprechen Layout und Grafiken die Zielgruppe an?

Praxisratgeber: Web-Shop-Tuning

Fieser Funnel-Effekt

Unter Website-Betreibern gefürchtet ist auch der sogenannte Funnel-Effekt, der immer dann zuschlägt, wenn Internetsurfer umfangreiche Registrierungs- und Kontaktformulare ausfüllen oder einen Fragen-Marathon durchstehen sollen. Nur ein Bruchteil hält das durch. Es empfiehlt sich deshalb, nur unbedingt notwendige Felder einzubauen und ausserdem so wenige wie möglich mit dem Feldattribut «required» zu versehen. Eine zwingend notwendige Kunden-Telefonnummer beispielsweise hat beim Onlineversand nichts zu suchen und entfaltet eher abschreckende Wirkung. Webanalyse-Software kommt solchen typischen Absprungstellen auf die Schliche und findet sogar auf Feldebene heraus, an welcher Stelle beim Ausfüllen eines Online-formulars die Besucher Reissaus genommen haben. Jean-Marc Vandenabeele, Webanalytiker der Schweizer Sogeti-Gruppe, hat Anfang dieses Jahres die Websites von 70 Schweizer Unternehmen untersucht. Ausnahmslos alle Telko-Firmen setzen Webanalyse-Software ein. Von den Industrieunternehmen sind es immerhin 70 Prozent, von den Finanzdienstleistern etwa 50 Prozent, die Analyselösungen implementiert haben. ICT-Dienstleister erklimmen noch nicht einmal die 40-Prozent-Marke.

Schweizer Software-Muffel

Unter den eingesetzten Lösungen hat sich das kostenlose Google Analytics mit 25 Prozent das grösste Kuchenstück gesichert. Danach folgen WebTrends mit 13 und HBX von SEO Fusion mit sieben Prozent.
Erstaunliches Ergebnis der Studie: 41 Prozent aller teilnehmenden Schweizer Unternehmen verzichten ganz auf Webanalyse und handeln nach der Devise: Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss. Denn wer seine Fehler nicht kennt, muss sie auch nicht korrigieren - die korrigiert dann der Kunde, der künftig bei der Konkurrenz kauft.



Das könnte Sie auch interessieren