24.02.2012, 14:04 Uhr
«Wir übernehmen teilweise Konventionalstrafen der Kunden»
Im Interview mit Computerworld spricht der Geschäftskundenchef von Sunrise, Jon Erni, über die Integration der Nextira-One-Kunden und wie er mit seinem Geschäftszweig wachsen will.
Jon Erni leitet seit Anfang 2010 als Executive Director Business Sunrise den Geschäftskundenbereich des Telekom-Unternehmens. Mit der vor drei Monaten abgeschlossenen Übernahme von Nextira One Schweiz wächst die Sparte auf 360 Mitarbeiter an. Wie Erni mit der Verdoppelung der Stellenprozente umgeht und was seine Ziele sind, verrät er im Interview.
Die Akquisition von Nextira One Schweiz wurde Mitte November abgeschlossen. Was war der Hintergrund dieser Transaktion?
Wir möchten uns auf den Bereich Cloud fokussieren und entsprechende Produkte auf den Markt bringen. Mit unseren Diensten gelangten wir bisher nur bis zum Hauseingang, das wollen wir ändern.
Wann haben Sie damit begonnen, diese Übernahme anzudenken?
Ungefähr ein halbes Jahr vor der Bekanntgabe.
Eine relativ kurze Zeit. Wie ist der Kauf von Nextira One konkret von statten gegangen?
Ich kann natürlich keine Einblicke in interne Vorgänge gehen. Wir wollen auch anorganisch wachsen und halten deshalb Augen und Ohren immer offen. Als sich die Möglichkeit ergab, meldete ich sofort Interesse an. Durch meine Vergangenheit bei Alcatel-Lucent kannte ich Nextira One bereits sehr gut. Deshalb war ich sicher, dass dies ein wertvoller Schritt für das Business-Segment von Sunrise ist. Zudem verfügen beide Unternehmen über eine komplementäre Kundenbasis. Das heisst, es gibt nur eine Überlappung von ein paar Dutzend Kunden.
Wieviele Kunden kamen mit der Übernahme dazu?
Mehrere Hundert.
Sind alle bis heute geblieben oder konnten einige gar nicht mit Sunrise als neuen Partner leben?
Bis ins Detail weiss ich nicht Bescheid. Aber ich verfolge zumindest die Grosskunden sehr stark und die sind alle bei uns geblieben.
Fokus auf Cloud-Dienste
Welche Firmenkunden haben Sie im Fokus? Gibt es eine Mindestgrösse?
Business Sunrise adressiert alle Geschäftskunden von SOHO bis Large Corporate. Die ehemalige NextiraOne war primär im Grosskundengeschäft tätig. Insofern gibt es keine Mindestgrösse, die Verstärkung durch das Integrationsgeschäft hilft uns aber primär im oberen Kundensegment.
Der Schweizer Markt ist verglichen mit dem Ausland noch sehr zurückhaltend, was den Gang in die Cloud angeht. Setzen Sie aufs richtige Pferd?
Die Krise zwingt Firmen dazu, Kosten zu sparen. Das wird künftig die Haupttriebfeder sein, um Cloud-Dienste zu beziehen. Dank den dynamischen Abrechnungsmodellen kann schneller auf äussere Umstände reagiert werden. Das minimiert das Risiko, auf teuren Investitionen sitzen zu bleiben.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Jon Erni 180 Mitarbeiter von Nextira One Schweiz integriert.
Das Sicherheitsrisiko Datenverlust bleibt. Das bereitet Schweizer Firmen nach wie vor Sorgen.
Ja, allerdings ist Sunrise als Telefonanbieter gewohnt, mit sensiblen Daten umzugehen. Das verschafft uns eine hohe Glaubwürdigkeit beim Kunden. Zusätzlich haben wir den Vorteil, die gesamte Strecke vom Ort der Datenerstellung bis zur Datenlagerung unter Kontrolle zu haben. Beim Bezug eines Cloud-Diensts übers öffentliche Internet ist das natürlich nicht möglich.
Wollen Sie zusätzlich zu den Cloud-Diensten ihre Telekom-Angebote verkaufen oder wird es Mischlösungen mit anderen Anbietern wie Swisscom geben?
Das ist natürlich der Gedanke. Wenn der Kunde einen Dienst wünscht, der pro Monat und Mitarbeiter abgerechnet wird, ist der Infrastrukturbereich nur ein Teil davon. Mit dazu gehören unsere Telekom-Angebote wie Festnetz und Internet. Das ist für den Kunden besonders spannend, weil reine Integratoren solche Bündelangebote nicht offerieren.
Nochmal: Können Sie sich in eine bestehende Infrastruktur mit Swisscom einfügen?
(überlegt lange) Da müsste ich zuerst einen konkreten Fall durchspielen. Grundsätzlich wollen wir Cloud-Services anbieten, wenn wir die Verbindungen ebenfalls liefern können, da diese ja meistens Teil der Lösung sind. Im klassischen Integrationsgeschäft ist eine Trennung der Infrastruktur von den Verbindungen aber selbstverständlich kein Problem.
Wieviele der Kunden wechselten mit ihrer Telekom-Infrastruktur bereits zu Sunrise?
Im Grosskundensegment dauern die «lead times», also der Zeitraum von der Überlegung, den Dienstleister zu wechseln, bis zur Vertragsunterzeichnung, ein bis zwei Quartale. Deshalb gibt es noch keine Abschlüsse. Aber in ersten Gesprächen wurde uns das grundsätzliche Interesse signalisiert.
Integration von 180 Mitarbeitern
Sunrise hat alle 180 Mitarbeiter von Nextira One übernommen. Haben Sie am Hauptsitz in Oerlikon genügend Platz, um alle unterzubringen?
Nein. Wir halten an allen Standorten fest. Das heisst, der Hauptsitz für das Integrationsgeschäft bleibt in Kloten. Einige Sunrise-Mitarbeiter wechseln sogar von Oerlikon dorthin. Dazu kommen Sitze in Basel, Bern, Genf, Lugano und Luzern. Ich wünschte mir aber, alle Mitarbeiter irgendwann an einem Ort zusammenführen zu können. Das war bisher aus Platzgründen nicht möglich.
Lesen Sie auf der nächsten Seite wie Sunrise in einem gesättigten Markt wachsen will.
Damit verdoppelt sich der Mitarbeiterstamm von Business Sunrise auf rund 360 Mitarbeiter. Wie ist das für Sie persönlich als Führungskraft?
Die Anzahl Mitarbeiter ist für mich nicht das Wesentliche. Ich will die Nähe zu den Leuten spüren. Mir war wichtig, dass die bisherigen Teams ihre Eigenheiten behalten und eine neue Kultur entsteht. Es gab sehr gute Elemente bei der Kultur der Nextira One, welche die neue Business-Sunrise-Kultur unbedingt mitprägen sollen. Jetzt muss der stark gewachsene Geschäftskundenbereich in eine Richtung arbeiten.
In welche Richtung?
Die Richtung ist durch das Markenversprechen von Business Sunrise vorgegeben. Hohe Servicequalität, persönliche Betreuung und Flexibilität.
Abwerbung von Kunden als Geschäftsmodell
Sunrise war früher immer dafür bekannt, über den Preis anzugreifen. Ist das nicht mehr so, wenn Sie sich über die Qualität definieren?
In der Schweiz verteilen sich Marktanteile unregelmässig. Swisscom dominiert und liefert gute Servicequalität. Wenn man als Herausforderer erfolgreich sein will, muss man dieselbe Qualität liefern. Aber das genügt nicht: Der Preis spielt ebenfalls eine Rolle. Spielraum haben wir insbesondere bei unseren Telekom-Diensten.
Schon im Privatkundenbereich ist die Wechselbereitschaft enorm gering, aber im Geschäftskundensegment sind Wechsel noch seltener. Deshalb die Behauptung: Ein Kunde wechselt nur, wenn er beim bisherigen Anbieter unzufrieden ist. Können Sie das so bestätigen?
Das ist sicher ein Grund. Wenn wir aber auf Kunden zugehen und ihnen unser oftmals finanziell attraktiveres Angebot offerieren und diese unsere Nähe spüren, überlegen sich einige trotzdem zu wechseln.
Wie geht Sunrise mit bestehenden Verträgen von Geschäftskunden um? Wird die Konventionalstrafe für frühzeitigen Ausstieg übernommen?
Das ist sehr individuell. Es ist nicht unüblich, dass wir einen Teil der Konventionalstrafe übernehmen, sofern der Kunde auf die Ausübung seines vertraglich garantierten Wahlrechts pocht und keine Vertragsverletzungen vorliegen. In der Regel teilen wir die Kosten mit dem Kunden.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie viel Umsatz Business Sunrise an den Gesamtkonzern beisteuert.
Das heisst, Sunrise geht konkret Kunden von Swisscom und anderen Anbietern an und versucht diese abzuwerben?
Wir kontaktieren im ersten Schritt Kunden, die bereits einen Teil unseres Portfolios beziehen. Aber klar: Wir arbeiten in einem Verdrängungsmarkt und Wachstum geht mehrheitlich zu Lasten der Mitbewerber.
«Erwarte positive Entwicklung bei Business Sunrise»
Sie stehen oft in Kontakt mit Schweizer Firmen. Wo drückt im Moment der Schuh? Was sind die grössten Sorgen?
Definitiv die Euro-Problematik. Einerseits der starke Franken, andererseits der stotternde Motor in Europa. Das ist ein Treiber, um Kosten zu senken, und wir wollen dies mit unseren Diensten sowohl bei bestehenden als auch neuen Kunden ermöglichen.
Sehen Sie aufgrund dessen eine positive Entwicklung bei Business Sunrise?
Ja. Telekomanbieter sind von wirtschaftlichen Schwankungen weniger betroffen als andere. Unser letztjähriges Kundenwachstum von 22 Prozent konnten wir in den Monaten Januar und Februar sogar noch steigern und liegen damit über Plan. Wir haben klare Ziele in diesem Jahr.
Wie formulieren Sie intern das konkrete Ziel per Ende Geschäftsjahr 2012?
Wir kommunizieren keine Zahlen. Aber matchentscheidend ist, dass wir mit der ehemaligen Nextira One Schweiz zusammenwachsen und mit ersten Angeboten auf dem Markt präsent sind. Die Synchronisierungsarbeiten sollen bis Ende Jahr abgeschlossen sein.
Wie hoch ist der Umsatzanteil von Business Sunrise vom Gesamtkonzern?
Wenn ich Ihnen diese Zahl nenne, könnten Sie den Umsatz ausrechnen, den wir allerdings nicht kommunizieren. Aber gehen Sie davon aus, dass er tiefer als ein Drittel ist.
Zum Abschluss trotzdem noch eine Zahlenfrage: Operiert Business Sunrise an sich profitabel?
Auf jeden Fall. Das ist einer der profitabelsten Bereiche der ganzen Sunrise. Trotz der massiven Investitionen in Marke, Werbekampagnen, Produkte und den Kauf der Nextira One sind wir bezüglich Marge und EBITDA überproportional gewachsen. Wir profitieren momentan natürlich von der eigenen Infrastruktur und den früheren Investitionen in die Entbündelung der letzten Meile.