31.08.2016, 10:48 Uhr

«TTIP gescheitert», sagt Sigmar Gabriel. Die USA sind erzürnt.

Die TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA sind gescheitert, erklärt Sigmar Gabriel. Angela Merkel distanziert sich von den Aussagen, die USA ebenfalls. Derweil wollen auch die Franzosen einen TTIP-Stop. Ausgangslage: offen.
Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA soll gescheitert sein, sagt die deutsche Regierung. Beziehungsweise Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: «Die Verhandlungen sind de facto gescheitert, auch wenn es keiner so richtigen zugibt», sagte der Vizekanzler diese Woche. Das Ziel von TTIP soll der Abbau von tarifären (Zölle, Steuern) und nichttarifären Handelshemmnissen (Importquoten, Subventionen, Normen, Gesetze) zwischen den USA und der EU sein. Dies würde zu einem starken Anstieg des Aussenhandelsvolumens und damit des Wirtschaftswachstums führen, glauben die Befürworter. Die USA beispielsweise erheben eine Zollgebühr von 25 Prozent auf Lastwagen aus der EU. Und Blinker von US-Autos sind zumeist rot, in der EU oft gelb. Eine Vereinheitlichung von Produkten, die Abschaffung der Zölle und diverse andere Regelungen würde Kosten für exportierende Unternehmen nach unten drücken, so die Hoffnung.

Merkel distanziert sich

Wie Sigmar Gabriel sagt, habe man allerdings «in drei Jahren und 14 Verhandlungsrunden nicht einen einzigen gemeinsamen Text hingekriegt». Eine Einigung sei daher nicht mehr möglich, alles dauere viel zu lange. Ursprünglich war geplant, diesen Herbst die letzten strittigen Punkte zu klären. Gabriel ist der Meinung, dass die USA mit den anstehenden Präsidentschaftswahlen jedoch dringendere Sorgen haben. Je nach Ausgang der Wahl hätten sie dann ein anderes Verhandlungsmandat, was einen erfolgreichen TTIP-Vertrag noch mehr hinauszögern würde. (Laut derzeitigem Stand wollen übrigens weder Hilary Clinton noch Donald Trump die TTIP-Verhandlungen weiterführen). Aber ohnehin seien die USA weder in der Lage noch gewillt, auf europäische Anforderungen einzugehen. Würde sich die EU nicht den USA unterwerfen wollen, wären die TTIP-Verhandlungen gescheitert. Allerdings scheint Gabriel mit seiner Meinung relativ alleine dazustehen. Sogar seine Kanzlerin distanzierte sich von den Aussagen, was Gabriel aber nicht kümmert, da er «als zuständiger Minister auch einmal sagen müsse, was Sache sei.» Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman erteilt Gabriel gar einen offiziellen Rüffel: «Man bemisst Fortschritt nicht danach, wie viele Verhandlungskapitel geschlossen wurden, sondern ob beide Seiten Lösungen in allen Fragen finden können,» sagte Froman in einem Interview mit dem Spiegel. Gerade in Krisenzeiten ? wie es sie jetzt nach dem Brexit in der EU geben würde ? sei es wichtig, ein Signal der Geschlossenheit zu senden. Immerhin: Die Franzosen sehen es ähnlich wie Sigmar Gabriel und verlangen einen Stopp der Verhandlungen.

Krugman und Verschwörungstheoretiker

TTIP hat diverse Kritiker. Einerseits werden die wirtschaftlichen Effekte in Frage gestellt, auch von Koryphäen wie den Wirtschafts-Nobelpreisträgern Paul Krugman und Josepf E. Stiglitz. Andererseits hat das TTIP auch Verschwrungstheoretiker auf den Plan gerufen, die behaupten, dass die Mächtigen lediglich noch mächtiger werden wollen. Immer wieder gibt es deswegen Demonstrationen. Hauptsächlich stören sich diese Kritiker daran, dass die Verhandlungen hinter geschlossenen Türen stattfinden und die Bürger keinerlei Mitspracherecht haben. Zudem wird angeprangert, dass TTIP kein klassisches Freihandelsabkommen sein soll, sondern die nicht-tarifären Handelshemnisse wesentlich interessanter für die Verhandlungspartner seien. Darunter kann vieles verstanden werden, vom Verbraucherschutz über den Datenschutz bis zu Arbeitnehmerrechten. So könnten nach derzeitigem Stand, bei einem erfolgreichen Abschluss, US-Konzerne europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern. Die Urteile würden dann nicht von Richtern, sondern von Wirtschaftsanwälten gefällt, welche die Unternehmen auswählen.



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