Bruce Schneier
09.08.2012, 10:39 Uhr
«SSL war nie ein gutes Konzept»
Bruce Schneier, Sicherheits-Guru und Chief Security Technology Officer bei BT erklärt, wie man Attacken von Anonymous und Co überlebt.
Der Amerikaner Bruce Schneier gilt als Sicherheits-Guru. Diesen Ruf hat er sich unter anderem als Autor mehrere Bücher und als EntwicklerKlicke und öffne kleines Fenster mit Infos zu MSDN von Verschlüsselungsalgorithmen erarbeitet. Inzwischen arbeitet Schneier als Chief Security Technology Officer bei BT und hat so noch immer einen Sitz in der vordersten Reihe, wenn es um Angriffe auf die Firmen-IT und deren Verteidigung geht. Im Interview mit unserer Schwesterzeitschrift COMPUTERWOCHE spricht Schneier über Attacken auf SSL-Ausgabestellen, staatlich unterstützte Angriffe, wie man die eigenen Ressourcen schützt und warum wir seit zehn Jahren mit schlechten IT-Sicherheitsprodukten kämpfen.
CW: Allein im ersten Halbjahr haben wir drei erfolgreiche Attacken auf Aussteller von SSL-Zertifikaten gesehen. Sind diese Firmen zu nachlässig?
Bruce Schneier: Das würde ich pauschal so nicht sagen. Wir wissen einfach nicht, ob sie nachlässig gehandelt haben oder ob sie das Opfer eines sehr ausgefeilten Angriffs wurden, wie etwa im Fall der RSA-Attacke. Es kann durchaus sein, dass die Firmen sich gegen normale kriminelle Angriffe zur Wehr setzen können, aber gegen die Attacken von Behörden oder Geheimdiensten keine Chance haben. Das ist das Problem der Advanced Persistent Threats, sie sind eben per Definition eine ständige und ausgefeilte Bedrohung. Die Attacken auf Diginotar und RSA sind ein gutes Beispiel: Die Firmen waren kein direktes Ziel, sondern die Angreifer sind über einen Zulieferer eingedrungen. Gegen solche Attacken ist eine Verteidigung enorm schwer.
CW: Schaden diese Attacken dem SSL-Konzept insgesamt?
Bruce Schneier: SSL war nie ein besonders gutes Konzept. Ich denke, die Angriffe ändern wenig, sie machen höchstens auf die in SSL enthaltenen Fehler aufmerksam. Für uns in der Sicherheitsindustrie sind die Angriffe nichts Neues.
CW: Wer hätte die Ressourcen für solche Angriffe?
Bruce Schneier: Meiner Meinung gibt es zahlreiche Gruppen, die zu solchen Attacken fähig sind. Nehmen Sie beispielsweise Anonymous. Die Fähigkeiten dieser Gruppe sind wirklich überraschend. Zumindest bei den Angriffen auf RSA und Diginotar scheinen aber staatliche Stellen dahinterzustecken. Das bedeutet wiederum, dass diese Angreifer mehr Erfahrung und mehr Ressourcen zur Verfügung haben. Grundsätzlich zeichnet diese Attacken aber nichts aus, was nicht auch Gruppen wie Anonymous leisten könnten.
CW: Erleben wir wirklich mehr Angriffe oder sind die Attacken erst jetzt in den Fokus der Medien geraten?
Bruce Schneier: Es ist eine Mischung aus beidem. Angriffe, die im letzten Jahr noch ignoriert wurden, landen jetzt in den Medien. Das liegt zum einen daran, dass diese Themen gerade en vouge sind. Andererseits haben sie nun einen politischen Hintergrund. Attackieren sich zwei Techie-Gruppen gegenseitig mit verwirrenden Angriffsarten, so wird das keine Nachricht. Wenn aber die iranische Regierung auf Zertifikatsstellen losgeht, die SSL-Zertifikate für iranische Dissidenten zur Verfügung stellt, ist das hochpolitisch. Oder wenn die Unterstützer von Wikileaks die Server von Kreditkartenfirmen ins Visier nehmen. Das sind Schlagzeilen.
Ich denke, dass Aspekte jenseits der IT in der jeweiligen Geschichte die Computerseite mitziehen. Wird erst einmal über die Angriffe berichtet, dann will man auch mehr über die Angriffsarten schreiben. Man erklärt, was ein Zertifikat ist, was eine Certificate Authority macht. Dann wird auch über die Technologie geschrieben - aber nur, weil der eigentliche Hintergrund nichttechnisch ist.