02.08.2013, 14:41 Uhr
Was macht die NSA in der Schweiz?
Spioniert die NSA auch Schweizer aus? Neuste Snowden-Dokumente nähren zumindest diesen Verdacht. Nachforschungen beim Bund werden abgeblockt.
Edward Snowden hat wieder zugeschlagen. Letzten Mittwoch veröffentlichte der Guardian dank Snowdens Dokumenten Informationen zur vermutlich grössten Spionage-Waffe der NSA: XKeyScore. In einer geleakten PowerPoint-Prsentation, werden die Möglichkeiten von XKeyScore detailliert aufgezeigt und was das Programm kann, ist beeindruckend. Die Überwachungssoftware soll in der Lage sein, auf E-Mails, Facebook-Chats und Browserverläufe zugreifen zu können ? auch in Echtzeit. Um beispielsweise E-Mails zu lesen, müssen NSA-Mitarbeiter gemäss «Guardian» lediglich drei Informationen angeben: Die Mail-Adresse, den Zeitraum in dem die Mail verschickt wurde und einen Rechtfertigungsgrund. Richterlicher Beschluss? Unwichtig. XKeyScore kann aber noch weit mehr, wie der «Guardian», der die Folien einzeln analysierte, beschreibt. Im Tool «DNI Presenter» kann ein wissbegieriger NSA-Mitarbeiter einen beliebigen Facebook-Namen eingeben und erhält Zugriff auf dessen kompletten Chat-Verlauf. Auch Browserverläufe sollen ähnlich überwacht werden können. Dadurch soll die NSA, so Snowden im «Guardian», derart viele Daten erhalten, dass ihr Speicherplatz nicht ausreicht. Darum würden einige Inhalte bereits nach 24 Stunden wieder gelöscht, andere würden dafür bis zu fünf Jahre gespeichert. Für die Schweiz besonders brisant ist die Folie Nummer 6. Darauf ist abgebildet, wo XKeyScore überall eingesetzt wird (vergleiche Bild oben rechts). Insgesamt werden mit über 700 Servern an geschätzten 150 Standorten Millionen Menschen damit überwacht. Gut möglich, dass auch die Schweiz dabei ist, in Europa scheint es nämlich ein richtiges Server-Wespennetz zu geben. Leider ist die Qualität der Folie zu schlecht um der Schweiz definitiv einen Serverstandort zuzuordnen oder sie von der Liste zu streichen.
«Infinity Loop» beim Bund
Die Nachfrage beim Bund brachte nichts ein. Der Schweizerische Geheimdienst (NDB) will sich nicht dazu äussern und meinte lediglich «Sie können davon ausgehen, dass wir wissen, ob XKeyScore hier eingesetzt wird oder nicht.» Immerhin verwies er ans Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB), mit dem Hinweis, dass die vielleicht mehr dazu sagen könnten. Taten sie nicht, denn das ISB hat eine Schweigepflicht zu diesem Thema verordnet bekommen, riet dem Anrufer aber, es doch beim gerade vorhin angerufenen NDB zu versuchen. Die Message wird also offensichtlich: wir sagen nichts. Erwartungsgemäss konnten weitere Behörden (BIT, ÜPF) ebenfalls nicht sagen. Ob in der Schweiz XKeyScore eingesetzt wird, bleibt darum unklar. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Telcos sorgen für weitere Brisanz
Telcos helfen spionieren
Eine andere Veröffentlichung Snowdens in einer anderen Zeitung sorgt für zusätzliche Brisanz: Wie die Sddeutsche aufdeckt, arbeitet der britische Geheimdienst GCHQ ? in den letzten Wochen durch das Tempora-Programm in die Schlagzeilen gekommen - mit sieben der weltweit grössten Telekommunikationsfirmen zusammen: Verizon Business, British Telecommunications , Vodafone Cable, Global Crossing, Level 3 , Viatel und Interoute. Jede der sieben Firmen ist demnach für das Abhören eines eigenen Teils des weltweiten Glasfasernetzes verantwortlich, einige würden sogar selber Spionage-Software entwickeln und dafür vom GCHQ bezahlt. Durch die «Zusammenarbeit» mit diesen Firmen habe das GCHQ (Government Communications Headquarters) «jegliches Gefühl für Verhältnismässigkeit verloren, ist dem Digital-Wahn verfallen und späht zusammen mit der NSA weltweit Millionen Menschen aus», steht in der «SZ». Vier dieser Firmen, Verizon Business, Level 3, Viatel und Interoute, sind auch in der Schweiz tätig und betreiben Netze oder Datencenter hier. Ob darum auch Schweizer unfreiwillig Mitglied bei Tempora geworden sind, ist aber nicht klar. Auf Anfrage konnte oder wollte keine der Firmen Stellung nehmen. Dass die NSA und GHCQ global private Konversationen abhören, steht nach allen Enthüllungen der letzten Wochen ausser Frage. Ob sie es auch in der Schweiz machen, ist aber nach wie vor nicht klar. Fraglich bleibt, ob die Öffentlichkeit das jemals erfahren wird.