Experte
28.04.2016, 11:03 Uhr
«Kein Königsweg der Digitalisierung»
Die Schweizer Bürger sind privat schon digital vernetzt. Nun müssen die Unternehmen dringend nachzeihen, sagte Professor Marcus Schögel an Microsofts «Vision Days».
Das Privatleben der Schweizer Verbraucher ist stärker von der Digitalisierung durchdrungen als die meisten Geschäftsprozesse in Unternehmen. Diese Meinung vertrat Professor Marcus Schögel an dem Kundenanlass «Vision Days» von Microsoft Schweiz in Wallisellen. Der Direktor des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen warnte die rund 50 anwesenden Vertreter von Anwenderfirmen, nicht mit der digitalen Transformation zu warten. Die Schweiz habe beste Voraussetzungen ? etwa die höchste Smarthone-Verbreitung und die beste Internetversorgung der Haushalte. Dieses Potenzial müssten die Unternehmen nun ausschöpfen, indem sie Digitalisierungsprojekte lancieren.
Schögels Expertise endete allerdings an der Stelle, die für die meisten Teilnehmer am spannendsten gewesen wäre: Einer Handanweisung für die digitale Transformation. «Einen Königsweg für die Digitalisierung gibt es nicht», erklärte er. Vielmehr hätten die Unternehmen die Wahl zwischen der Adaptation (Beispiel: Aufbau digitaler Kundenkanäle), der Integration (Beispiel: Kauf eines innovativen Wettbewerbers und Übernahme der Geschäftspraxis) oder der Migration (Beispiel: komplette Neuorientierung des bestehenden Business) ihrer Geschäftsmodelle. Der Experte plädierte dafür, in eigenen Abteilungen ? wie etwa Nestls Digital Acceleration Team ? nach Innovation für das Geschäft zu forschen. Den Teammitgliedern müsse erlaubt sein, Ideen schnell umzusetzen und sie auch im Business-Kontext zu testen. Eine weitere Vorgabe: Den Teams (wie auch allen anderen Beteiligten am Innovationsprozess) muss das Scheitern erlaubt sein. Die Kultur des Scheiterns ist in der Schweiz bekanntlich nicht sehr ausgeprägt. Nächste Seite: Digitalisierung des Engadins Über ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt berichtete Jon Erni von Microsoft Schweiz an dem Anlass. Der Director Enterprise & Partner Group stammt selbst aus dem Engadin, das von den lokalen Energieversorgern innerhalb der nächsten Jahre flächendeckend mit Glasfaser vernetzt werden soll. Im Rahmen des Projekts «Mia Engiadina» wurden in den vergangenen drei Jahren Anwendungsmöglichkeiten für die Vernetzung gesucht und gefunden, berichtete Erni. Microsoft Schweiz ist einer von rund 40 Partnern in dem Projekt.
Mit der Hochtechnologie und beispielsweise 50 öffentliche WLANs zwischen La Punt Chamues-ch und Samnaun sollen unter anderem alternative Arbeitsumgebungen, Co-Working Spaces und Rückzugsorte für Geschäftsleute geschaffen werden. In «Mountain Hubs» sollen lokale Firmen mit auswertigen Unternehmen zusammengebracht und der Know-how-Transfer gefördert werden. Auf einem virtuellen Marktplatz können Firmen ihre Angebote platzieren ? ähnlich wie in einem App Store. So wollen die Initianten einerseits die regionale Wirtschaft beleben, anderseits aber auch neue Märkte erschliessen. Das Engadin stellt sich mit «Mia Engiadina» den Herausforderungen, mit denen auch andere Regionen zu kämpfen haben, sagte Erni. Dazu zählten die Abwanderung der jungen Bevölkerungsgruppe, eine rückläufige wirtschaftliche Entwicklung und der schwierige Anschluss an die ICT-Infrastruktur. Für das Projekt seien Investitionen in Höhe von rund 50 Millionen Franken notwendig. Die Bündner Regierung und die Initianten rechneten mit einer zusätzlichen Wertschöpfung von mehr als 45 Millionen Franken durch die Digitalisierung.