29.04.2008, 08:33 Uhr

«Uns fehlen die IT-Leuchttürme»

Ruedi Noser, Unternehmer, IT-Lobbyist und Nationalrat, über den Informatikermangel, Branchenverbände und die Investitionen, die nötig wären, um die Schweizer IT-Industrie vorwärts bringen.

Computerworld: Herr Noser, die Schweizer Wirtschaft jammert, allerorts mangele es an Informatikern. Wie alarmierend ist die Situation wirklich?


Ruedi Noser: Grundsätzlich hat Informatik sehr viel mit Know-how und dessen Mana-gement zu tun. Sie lässt sich daher nur bedingt dem Konjunkturzyklus anpassen. Bezeichnend ist, dass vor allem Firmen von einem Informatikermangel sprechen, die in den letzten fünf oder zehn Jahren Informatiker abgebaut haben. Es ist sicher schwer, Leute zu finden. Aber es ist nicht unmöglich. Im Moment holt man sie einfach aus dem Ausland.

In welchen Bereichen besteht die grösste Nachfrage?

In der Schweiz fehlen Leute mit fundierter Informatikerausbildung. Solche, die Systemarchitektur, Programmierung und neue Technologien beherrschen. Der grösste Mangel in unserer Branche ist jedoch nicht der Informatiker als solcher. Der grösste Mangel ist das professionelle Marketing-Know-how, um Informatikprodukte zu vermarkten. Das haben wir praktisch nicht. In der Schweiz finden sie genug Leute, die es verstehen, Strategien ausländischer Konzerne umzusetzen. Hingegen fehlt uns das Know-how, ein eigenständiges Produkt zu entwickeln und ein eigenständiges Marketing aufzubauen.

Wo liegen die Gründe für diese Entwicklung?

In der Schweiz ist über Jahre hinweg keine eigenständige IT-Branche entstanden. Das hat viel mit dem geschlossenen Arbeitsmarkt und dem Finanzplatz zu tun. Die grössten Informatikarbeitgeber sind nach wie vor UBS und Credit Suisse, noch vor den grossen Systemintegratoren. Der Informatikerbedarf der Finanzbranche ist mit ein Grund, dass keine eigenständige IT-Branche entstehen konnte. Erst mit der Personenfreizügigkeit hat sich die Situation entschärft und die eine oder andere «kleine Firma» entwickelte sich. Beispiele sind Avaloq, Finnova aber auch die Noser-Gruppe und Crea-logix. Es gibt im Moment rund zehn Schweizer Firmen, die sich recht gut entwickeln. Diese sind aber immer noch klein. Ich gehe davon aus, dass in spätestens fünf Jahren die erste Schweizer Informatikfirma über 1000 Mitarbeiter beschäftigen wird.

Warum ergreifen nicht mehr Jugendliche eine Informatikausbildung bei diesen Aussichten?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: 1999 beantragte eine Firma - ich will keine Namen nennen - 10000 Greencards für indische Informatiker. In den Jahren 2001 und 2002 baute dieselbe Firma gut ein Drittel des IT-Personals ab. Und heute spricht sie von einem Informatikermangel. Wen wundert es da noch wirklich, dass Jugendliche die Informatikausbildung meiden? Es nützt auch nichts, wenn CEOs von Grossunternehmen in Gymnasien die IT-Ausbildung propagieren, wenn gleichzeitig in der Presse zu lesen ist, dass trotz Finanzkrise die Investmentbanker ihren Bonus bekommen, in der Informatik aber gespart wird.



Das könnte Sie auch interessieren