08.09.2014, 14:39 Uhr

Wenn der Chef zu sehr nervt....

62 Prozent der Schweizer haben schon einmal wegen ihres Chefs gekündigt. Sind die Chefs für ihre eigenen Fehler blind? In Schweizer Firmen wird kräftig aneinander vorbei kommuniziert.
Bild: Laurent Hamels / www.fotolia.de
Wenn der Chef über längere Zeit zu sehr nervt und kaum Führungsqualitäten erkennen lässt, ziehen Schweizer Mitarbeitende die Reissleine: sie kündigen das Arbeitsverhältnis auf. 62 Prozent der Schweizer haben bereits schon einmal wegen einer Führungskraft gekündigt. Der Bankensektor liegt mit einer Kündigungsrate sozusagen aus Chefgründen mit 63 Prozent über dem Durchschnitt. Besonders angespannt scheinen die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Sektor zu sein. Dort haben bereits 67 Prozent entnervt das Handtuch geworfen und ihrem Arbeitgeber Lebewohl gesagt. Wer war Schuld: der Chef.

Chefs: für eigene Fehler blind

Die Vorgesetzten auf der anderen Seite des Schreibtisches merken das in den meisten Fällen jedoch gar nicht. Denn lediglich 16 Prozent der Kadermitglieder meinen, dass ein Mitarbeitender schon einmal wegen ihnen das Weite gesucht hat. Schweizer Chefs scheinen für die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten blind zu sein. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung klaffen beim Schweizer Führungspersonal markant auseinander, zu diesem Ergebnis kam das Beratungshaus Information Factory, das von März bis Juni 2014 insgesamt 2687 Schweizer zum Thema gefragt hat (Umfrage: "Schweiz führt?!). 94 Prozent der Antworten kamen aus der deutschsprachigen Schweiz.
Das Brisante an der Studie: Unter den Teilnehmer waren 1497 Angestellte, 935 Führungskräfte und 255 HR-Fachleute aus der Schweiz. Und diese drei Gruppen sind nicht immer einer Meinung. Konsens besteht lediglich bei den grundlegenden Dingen. So sind Chefs, Mitarbeitende und HR-Fachkräfte gleichermassen davon überzeugt, dass ein enger Zusammenhang zwischen Führungsqualität und Jobzufriedenheit besteht. Besonders die HR-Leute glauben zu 92 Prozent ganz fest daran. Auch halten alle drei Fraktionen eine offene und ehrliche Kommunikation für unverzichtbar. Mitarbeiter wünschen sich ausserdem Vorgesetzte, die fachlich kompetent sind und die über die Arbeit im Team Bescheid wissen.

Schlachtfeld Kommunikation

Punkto Kommunikation scheint der Röstigraben zwischen Chefs und Mitarbeitenden jedoch besonders gross zu sein. 94 Prozent, also so gut wie alle Chefs, wiegen sich im festen Glauben, klare Ziele zu definieren. Aber nur bei 42 Prozent der Teammitglieder kommt das auch so an. Das sollte den Führungskräften doch gewaltig zu denken geben. Ähnlich grosse Unterschiede in der Wahrnehmung torpedieren die Verständigung auch beim Leistungsfeedback. 84 Prozent der Chefs gaben an, dass sie ihren Mitarbeitenden Feedback zu ihren Leistungen geben, aber nur bei 28 Prozent scheint das Feedback auch verstanden zu werden. 14 Prozent der Mitarbeitenden sind sogar der Meinung, noch nie Feedback von ihren Vorgesetzen bekommen zu haben. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Schweizer Werte

Schweizer Werte: Ziele, Orientierung, Stabilität

Bei der Frage nach den Werten herrscht Einigkeit in der Schweiz. Bei allen drei Befragtengruppen landeten die Werte: (i) Initiative der Mitarbeiter fördern, (ii) Orientierung und Sinn geben und (iii) Für Stabilität sorgen auf den vorderen drei Plätzen. Konsens herrscht auch über die wichtigsten Führungsaufgaben. Chefs sollen klare Ziele formulieren, Entscheidungen treffen, Kommunikation leben und Mitarbeiter fördern. Allerdings klaffen Theorie und Praxis in Schweizer Unternehmen oft stark auseinander. Mitarbeitende haben zum Beispiel deutlich höhere Erwartungen an Führung, wenn es um ihre eigene Weiterentwicklung geht. Ihnen ist sehr wichtig, dass sie gefördert werden. Für Führungskräfte hat das Thema Weiterbildung dagegen keine Top-Priorität.

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Chefs geben sich einer weiteren schwerwiegenden Illusion hin. 84 Prozent von ihnen sind zufrieden mit ihrer Rolle, und nur 8 Prozent glauben, dass ihre Mitarbeiter selbst gerne die Führungsrolle übernehmen möchten. Unter den HR-Fachkräften glauben das sogar lediglich 3 Prozent. Doch an dieser Stelle irren sich die Chefs: Denn obwohl lediglich knapp 33 Prozent der Mitarbeitenden mit ihrem Chef wirklich zufrieden sind, verliert Führung in ihren Augen keineswegs an Glanz. Die Hälfte von ihnen wäre gerne selbst Chef, und knapp 37 Prozent sind sogar der sicheren Überzeugung, eine bessere Führungskraft abgeben zu können als ihr(e) unmittelbar(e) Vorgesetzte(r).



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