20.09.2013, 16:09 Uhr

Bund bricht Überwachungsprojekt ab

Die Abhöranlagen des Bundes haben das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Doch ein neues, 18 Millionen Franken teures, System, verkommt zum Desaster, der Hersteller wird rausgeschmissen. Darum hat man den Auftrag nun dem zurückgegeben, der das bisherige System betreibt. Wirklich glücklich ist damit beim Bund aber niemand.
Die Ablösung des Abhörsystems wird zum neusten IT-Flop-Projekt Bundes (Bild: Fotolia.de)
Die Abhöranlagen der Schweizer Strafverfolgungsbehörden laufen mit dem Lawful Interception System (LIS). Das System ist aber veraltet und muss abgelöst werden. 2010 hat sich der Bund darum für 18 Millionen Franken von einer anderen Herstellerin das Interception System Schweiz (ISS) beschafft. 2011 sollte es in Betrieb genommen werden, laufen tut es aufgrund von Lieferschwierigkeiten und technischen Problemen bis heute nicht. Im April entschied das Lenkungsgremium Fernmeldeüberwachung (LG FMÜ), das aus Bund, Kantonen, Staatsanwaltschaften, Polizei und Fernmeldedienstanbieterinnen besteht, diverse Sofortmassnahmen zu ergreifen, das Projekt ISS vorläufig aber mit der bisherigen Herstellerin weiterzuführen. Gleichzeitig wurde mit der Herstellerin von LIS ein Alternativprojekt geprüft.

Alter Hersteller, neuer Hersteller

Mittlerweile haben die Verantwortlichen die Geduld verloren und sind zum Schluss gekommen, «dass eine Fortsetzung des Projekts ISS mit der bisherigen Herstellerin nicht Erfolg versprechend ist». Abklärungen und Softwaretests hätten gezeigt, dass es nicht möglich sein wird, das System in angemessener Zeit auf das erforderliche Qualitätsniveau zu bringen. Darum wurde entschieden, das Projekt mit dem Hersteller von LIS weiterzuverfolgen. Der verlangt dafür 13 Millionen Franken, der Zusatzkredit wurde vom Bundesrat bewillig. Dafür sei die LIS-Herstellerin «bereits mit den Gegebenheiten in der Schweiz bestens vertraut.» Wer neuer und alter Hersteller sind, darf aus Geheimhaltungsgründen nicht gesagt werden, heisst es von offizieller Seite. Das neue System wird frühestens Ende 2015 einsetzbar sein. Staatsanwalt Michael Lauber geht davon aus, dass das bisherige System bis dahin weiter funktioniert. Der Hersteller habe jedenfalls den Unterhalt versprochen. Trotzdem sei er mit der Lösung nicht wirklich zufrieden, wie Lauber im Gespräch mit Computerworld zugibt. Als Strafverfolger brauche man aber ein System, mit dem man in klaren Zeitfronten planen kann. Es sei darum ein Entscheid für Sicherheit und ein Entscheid für Vertrauen. Was ihn genau stört, will Lauber nicht sagen, um allfällig mitlesenden Kriminellen keine Hilfestellung zu bieten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: niemand ist zufrieden

Erpressung?

 Man kann sich aber schon fragen, ob dieser Entscheid richtig ist. So wie es aussieht hat der Hersteller von LIS den Zuschlag vor allem bekommen, weil er sich verpflichtete, weiterhin die Wartung seines Systems zu übernehmen und den Lebenszyklus zu verlängern. Diesen Support hätte er logischerweise eingestellt, hätte der Bund weiterhin mit dem anderen Hersteller weitergemacht.  Das ist zwar nicht im eigentlichen Sinn Erpressung sondern tägliches Geschäften, ob es aber nicht sinnvoller gewesen wäre, das Projekt komplett neu auszuschreiben, steht in den Sternen. Für die 13 Millionen Franken erhält der Bund ein «Kernsystem mit länderspezifischen Anpassungen», sagt Matthias Ramsauer, EJPD-Generalsekretär. «Es ist ein absolutes Minimalsystem, gewisse Einschränkungen in der Benutzung müssen darum in Kauf genommen werden.» Auch er ist sich nicht sicher, ob es vielleicht andere Lösungen gegeben hätte. Doch das hätte den Einsatz eines neuen Systems noch weiter verzögert und Experten seien sich einig gewesen, dass LIS bis dahin nicht mehr einsatzfähig gewesen wäre. Zudem könne nur mit dieser Lösung die Fernmeldeüberwachung weiterhin sichergestellt werden. Das sei das oberste Ziel aller am Entscheid Beteiligten gewesen. Schon heute ist LIS ein analoges System, das vom Internetzeitalter überfordert ist. Internetüberwachungen im Echtzeit sind beispielsweise nicht möglich, beziehungsweise nur, wenn dafür Extras eingekauft werden.Dieses System muss nun also noch 2 1/2 Jahre benutzt werden und wird nachher mit einem Minimalsystem ersetzt. Keine schönen Aussichten. 

18 Millionen Verlust

Gut ist an der Lösung sicherlich, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht ohne Überwachungssystem dastehen. Zudem kennen sie LIS bereits, es habe sich bislang bewährt. Dass man sich bei der Suche nach einem Alternativsystem zuerst für einen anderen Hersteller entschied, hinterlässt bei dieser Geschichte aber einen schalen Nachgeschmack. Und die 18 Millionen Franken, die der Bund dem ISS-Hersteller zahlte, werden sie auch kaum zurückerhalten. Es werden zwar sicherlich Regressforderungen gestellt werden, doch am Ende verdient daran nur der Anwalt. Und der Bürger zahlt.



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