Das Internet 13.04.2007, 09:19 Uhr

Eine Allmende?

Geringwertige aber datenintensive Applikationen wie Filesharing bremsen im Internet zunehmend Geschäftsanwendungen aus. Die Uni St. Gallen plädiert in einer Studie für die Einführung von Qualitätsklassen.
Die heutige Gleichbehandlung der Datenpakete im Internet ist volkswirtschaftlich ineffizient und innovationsfeindlich. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Laut den Auto-ren zeigt das Internet mehrere Charakteristiken einer Allmende. Während dieser Begriff im Allgemeinen ein kollektives Weideland bezeichnet, beschreibt er in der Wirtschaftslehre einen traditionellen Lehrbuchfall, der die spezifische Ursache von Marktversagen aufzeigt. Im Fall des Internet bedeutet dies, dass die verfügbare Breitbandstruktur durch wenige Teilnehmer aber auf Kosten der Gesamtheit übernutzt wird. Schuld daran ist gemäss der Studie nicht zuletzt die heute gängige Flatrate-Bepreisung: Egal, wie üppig die Datenpakete sind, die Benutzer beispielsweise mit Film- oder Musik-Downloads durch die Leitungen jagen - es entstehen keine Zusatzkosten. Die Konsequenz: Wichtige Anwendungen wie gehostete Geschäftsapplikationen oder Voip werden in Spitzenbelastungszeiten -zunehmend ausgebremst.

Heute herrscht Einheitsqualität

Zwar bemühen sich die Netzwerkbetreiber, die Daten so zuverlässig wie möglich zu transportieren. Doch nach dem heute angewandten Best-Effort-Prinzip erhalten alle Teilnehmer eine Einheitsqualität. Um dennoch einen möglichst hohen Standard zu gewährleisten, haben die Infrastruktur--Anbieter die Kapazität ihrer Breitbandnetze bislang überdimensioniert. Das heisst, der Ausbaustandard übertrifft jeweils die maxi-male Auslastung. Doch sei es fraglich, ob diese massiven Investitionen bei den steigenden Datendurchsätzen mittel- bis langfristig adäquat refinanziert werden können, so die Studienautoren. Deshalb plädieren sie nun für die Einführung von so genannten QoS-Klassen (Quality of Service) als Zusatz zum heutigen Best-Effort-Modell. Unter QoS wird die Möglichkeit verstanden, einzelne Dienste in einem Netzwerk und über Netzgrenzen hinweg hinsichtlich der Dienstqualität unterschiedlich zu behandeln.
Die Studie prognostiziert, dass QoS-Geschäftsmodelle über eine Bündelung von Premium-Content und QoS-basiertem Transport zu einem «Qualitätspaket» funktionieren werden. Dabei sind für die St. Galler Experten drei Ansätze denkbar: Zum einem könnte der Anwender das Paket beim Content-Anbieter buchen, der dafür garantiert, dass die Daten in einer nachvollziehbaren Qualität geliefert werden. Möglich wäre überdies, dass der Kunde einen Qualitätsvertrag mit dem Internet-Service-Provider abschliesst oder auch, dass die Qualität über Werbung finanziert wird.

Mehrere Herausforderungen

Auf dem Weg zum qualitätsorientierten Breitbandinternet gilt es aber, einige Herausforderungen zu bewältigen. Zunächst muss ein industrieweiter QoS-Klassenstandard definiert werden. Die technischen Voraussetzungen hierfür seien bereits geschaffen, etwa über die Markierung von IP-Paketen, so die Studie. Möglich wäre es, einzelne Klassen für den multimedialen Datenverkehr, die Voip-Übertragung oder für hochsicheren Datentransport zu schaffen.
Zudem müsste ein Kontrollmechanismus für die Weiterleitungsvereinbarungen zwischen den Netzbetreibern eingerichtet werden. Dieser könnte in Form eines unabhängigen Gremiums bestehen, so der Vorschlag der St. Galler.
Die grösste Herausforderung werde jedoch darin bestehen, für alle Beteiligten einen Mehrwert zu generieren. So müsse für die Kunden ein deutlicher Anreiz ersichtlich sein, für QoS-Inhalte zusätzliches Geld aufzuwerfen. Netzwerkbetreiber und Internet-Service-Provider hingegen müssten über geeignete Abrechnungsmodelle für den Netzwerkzusammenschluss zur Teilnahme an industrieweiten QoS-Modellen überzeugt werden. Und schliesslich würden Content-Anbieter nur dann bereit sein, für die Einspeisung ihre Inhalte in bestimmte QoS-Klassen zu bezahlen, wenn ihnen ein attraktiver Vertriebskanal geboten wird.
Dann aber, so das Resümee, könnte mit der Verfügbarkeit von QoS-Strukturen ein weiterer Innovationsschub im Breitbandinternet ausgelöst werden.
Claudia Bardola



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