Hintergrund
21.06.2019, 14:30 Uhr
Microsoft: Vom IT-Dino zum Cloud-Riesen
Unter der Führung von CEO Satya Nadella wandelte sich Microsoft von einem angestaubten Software-Unternehmen zum erfolgreichen Cloud-Imperium.
1'000'000'000'000 US-Dollar war Microsoft Ende April an der Börse wert. Ein Kunststück, das zuvor nur Apple und Amazon gelungen war. Wer auf diesen Erfolg gewettet hätte, als 2014 Satya Nadella Microsoft-Urgestein Steve Ballmer als CEO ablöste, wäre heute reich. Damals aber prophezeiten nicht wenige Auguren dem Software-Dino ein ähnliches Schicksal wie Handy-Gigant Nokia, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt und Apples iPhone sträflich unterschätzt hatte. Microsoft schien sich in die traurige Gruppe der Marktführer einzureihen, die an der eigenen Hybris und der Unfähigkeit, neue Geschäftsmodelle zu finden, zugrunde gehen. Der milliardenschwere Kauf von Nokia im September 2013 wirkte da schon nur noch wie eine von vorneherein zum Scheitern verurteilte Verzweiflungstat.
Bis dahin war die Geschichte von Microsoft nach der Gründung 1975 eine schier unaufhaltsame Erfolgsstory gewesen. Unter Bill Gates und (seit 2000) Steve Ballmer hatte Microsoft bei PCs, Notebooks und Servern eine Monopolstellung mit seinen Betriebssystemen MS-DOS und Windows erreicht. Daran konnten weder Prozesse wegen Missbrauchs der Marktmacht noch (bessere) Konkurrenzprodukte wie IBMs Betriebssystem OS/2 oder der Browser Netscape etwas ändern. Der schlechte Ruf, den sich der Konzern wegen seines rabiaten Auftretens erwarb, schien das Management nicht zu stören. Im Gegenteil: Mit Äusserungen wie «Linux ist ein Krebsgeschwür» trugen Führungskräfte wie Ballmer das Ihre dazu bei.
Transformation des IT-Urgesteins
Doch mit dem Siegeszug von Internet und Cloud, Smartphones und Tablets schien Windows zu einer aussterbenden Technik zu werden und Microsoft von Konkurrenten wie Google, Facebook und Apple in die Bedeutungslosigkeit geschickt zu werden. Mit Windows und Office liess sich zwar immer noch viel Geld verdienen, aber nach Zukunft fühlte sich das nicht mehr an. Dass Microsoft überlebt hat und heute wieder als Innovator wahrgenommen wird, beweist, dass sich auch Konzern-Dinos erfolgreich transformieren können.
Das grösste Verdienst daran kommt zweifellos Satya Nadella zu. Der Manager wurde dabei nicht etwa von aussen in den Konzern geholt, sondern stand bei Amtsantritt als CEO immerhin schon seit über 20 Jahren in Microsofts Diensten. Dennoch oder gerade deshalb gelang es ihm, Microsoft zu verwandeln und auf vielen Zukunftsfeldern der IT Respekt zu erwerben – von Cloud über Künstliche Intelligenz bis Blockchain. Und was sich zu Ballmers Zeiten niemand hätte vorstellen können: Microsoft gilt heute als anerkannte Kraft der Open-Source-Bewegung. Nur die bei den Anwendern verhassten Update-Probleme scheinen auch unter Nadella nicht ausrottbar zu sein, was Rechner lahmlegende Updates von Windows 10 erst jüngst wieder zu belegen scheinen.
Radikaler Umbau, Kooperationen und Übernahmen
Nadella baute den Konzern radikal um und setzte auf neue Partnerschaften, auch mit alten Konkurrenten wie SAP oder Dell EMC. 2016 wurde das Karrierenetzwerk LinkedIn für 26,2 Milliarden Dollar übernommen. Direkte Verbindung zum klassischen Microsoft-Geschäft: keine – aber viele wertvolle Personendaten. Und 2018 schnappte Nadella sich die renommierte Open-Source-Drehscheibe GitHub für 7,5 Milliarden Dollar – und subventioniert so quasi die Arbeit von unabhängigen Software-Entwicklern. Vor allem aber setzte Nadella ganz aufs Cloud-Computing. Die immer weiter ausgebaute Azure-Plattform glänzt mit beeindruckenden Wachstumszahlen und verringert die Abhängigkeit von Windows immer mehr. Sogar mit Hardware wie der Surface-Reihe verdient Microsoft unter Nadella gutes Geld.
Die jüngsten Zahlen des über 40 Jahre alten Konzerns lassen viele andere Unternehmen jedenfalls vor Neid erblassen. Die über 130'000 Mitarbeiter erwirtschafteten im letzten Geschäftsjahr rund 110 Milliarden Dollar Umsatz.