Jens Brandes, HPE Schweiz, im Interview
03.07.2020, 11:19 Uhr
«Wir nehmen bei HPE Greenlake im Konzern eine Vorreiterrolle ein»
HPE hat an seiner diesjährigen Hausmesse Discover Ende Juni dieses Jahres neue Services präsentiert und die Premiere seines Software-Portfolios Ezmeral gefeiert. Im Interview benennt HPEs Schweiz-Chef Jens Brandes die wichtigsten Ankündigungen für den Schweizer Markt.
Computerworld: Ende Juni hat die HPE Hausmesse Discover 2020 stattgefunden. Dabei wurden neue Lösungen und Services präsentiert . Welches sind die drei wichtigsten Ankündigungen aus Schweizer Sicht?
Jens Brandes: Wir haben eine neue Generation von Cloud-Services angekündigt – und mit neuer Generation meine ich nicht nur für HPE, sondern für den Markt insgesamt. Sie verbinden die Vorteile der Public Cloud mit denen der digitalen Souveränität. Das heisst, sie sind genauso einfach, agil und flexibel wie die Public Cloud, aber der Kunde behält die Kontrolle über seine Daten, und er entscheidet, wo die Services betrieben werden: in seinem Rechenzentrum, im Colocation-Rechenzentrum oder an der Edge. Erwähnen möchte ich ausserdem unsere neue Marke HPE Ezmeral, ein Software-Portfolio für das dezentrale Cloud- und Daten-Zeitalter, und fünf neue Lösungen, die Kunden helfen, nach dem Corona-Lockdown die Arbeit in ihren Büros und Fabriken wieder aufzunehmen.
CW: Eine grosse Ankündigung an der HPE Discover waren Greenlake-basierte Hardware- und Software-Pakete. Wie granular lassen sich diese zusammenstellen? Inwieweit lässt sich dadurch insbesondere bei KMU-Kunden Überprovisionierung vermeiden?
Brandes: Für den Kunden sind das keine Pakete, sondern Services. Denn er muss sich um nichts kümmern, als die gewünschten Services mit den gewünschten Leistungsmerkmalen im Portal anzuklicken und sie zu nutzen – zum Beispiel eine Container-Plattform, virtuelle Maschinen, Rechner, Speicher, Machine Learning Operations oder Datensicherung. HPE kümmert sich im Hintergrund um die Bereitstellung und das Management der Hard- und Software-Pakete am gewünschten Betriebsort. Auch Überprovisionierung ist für den Kunden kein Thema, denn er zahlt nur, was er tatsächlich nutzt – wir sorgen dafür, dass ihm dafür jederzeit die passenden Kapazitäten zur Verfügung stehen.
CW: Global setzen rund 1000 Unternehmen auf Greenlake. Wie viele Unternehmenskunden nutzen in der Schweiz Greenlake-Lösungen? Wie zufrieden sind Sie mit der Marktbearbeitung in diesem Bereich?
Brandes: Greenlake ist in der Schweiz überproportional erfolgreich, derzeit mit Wachstumsraten um die 50 Prozent. Das liegt am hohen digitalen Reifegrad der Schweizer Firmen, aber auch daran, dass Unabhängigkeit, also digitale Souveränität, hierzulande schon immer einen hohen Stellenwert hatte. Und ich darf auch sagen, dass die HPE Schweiz, zusammen mit unseren Kollegen in Deutschland und Österreich, bei Greenlake im HPE-Konzern eine Vorreiterrolle einnimmt.
CW: Können Sie einige aktuelle Schweizer Kundenprojekte beschreiben, die auf Greenlake basieren und welche Vorteile sich für die Anwenderunternehmen daraus ergeben?
Brandes: Ein Vorteil wird unseren Greenlake-Kunden in der aktuellen Corona-Krise besonders deutlich: ihre IT-Kosten skalieren mit ihrem Kapazitätsbedarf. Das gilt für KMU ebenso wie für Grosskonzerne. Mit der Plattform Greenlake Central können sie zudem ihre verteilten IT-Umgebungen von der Edge bis zur Cloud einheitlich überwachen und steuern. Noch einen Schritt weiter gehen wir mit der Firma ABB, die Greenlake auf zweierlei Weise nutzt. Zum einen ist Greenlake ein zentrales Element von ABBs eigener IT-Infrastruktur, das ihnen die Flexibilität gibt, Kapazitäten nach Bedarf zu skalieren und nur zu bezahlen, was sie tatsächlich nutzen. Zum anderen nutzt ABB Greenlake in Partnerschaft mit HPE, um selbst flexible Digitalisierungs-Lösungen anzubieten – wir bringen die Cloud zu den Daten unserer gemeinsamen Kunden, sodass diese den Wert dieser Daten erschliessen können, egal wo diese entstehen.
“Wir reden weniger über die Konfiguration von IT-Infrastruktur und mehr über Daten-Wertschöpfung„
Jens Brandes, HPE Schweiz
CW: Für die neuen Angebote arbeitet HPE abteilungsübergreifend zusammen. Transformation Officer John Schultz liess im Analysten-Call zur HPE Discover durchblicken, dass sich HPE erneut transformiert und dieser Umbau länger dauern könnte. Wie wirkt sich diese Transformation auf die Schweizer Organisation aus?
Brandes: Die IT als solche wird durch As-a-Service-Modelle wie Greenlake in gewisser Weise zum «verschwinden» gebracht, sodass Kunden sich darauf konzentrieren können, mit ihren Daten Mehrwerte zu schaffen. Für uns bedeutet das, dass wir andere Gespräche mit unseren Kunden führen und zunehmend ein anderes «Produkt» verkaufen als bisher. Wir reden weniger über die Konfiguration von IT-Infrastruktur und mehr über Daten-Wertschöpfung in einer spezifischen Branche und Kundensituation. Das erfordert von uns den Ausbau von neuen Kompetenzen, Angeboten und Liefermodellen, und das hat letztlich Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Dazu gehört auch, dass wir neue Geschäftsbereiche und Teams aufbauen, etwa in Bereichen wie Greenlake, Daten-Wertschöpfung oder Branchen-Vertrieb.
Was HPEs Software-Portfolio Ezmeral für den Schweizer Markt bedeutet
HPE Ezmeral treibe die datengesteuerte digitale Transformation im Unternehmen voran, indem es Anwendungen modernisiere, Einblicke frei gebe und Abläufe automatisiere», erklärte HPEs CTO und Leiter Software Kumar Sreekanti anlässlich der Präsentation von Ezmeral.
Die Lösungen können unabhängig von HPEs Hardware betrieben werden – selbst auf Bare-Metal-Produkten, ein wachsender Trend, wie Sreekanti betonte.
“Hardware wird auch in Zukunft einen Grossteil unseres Umsatzes ausmachen„
Jens Brandes, HPE Schweiz
Die Software von HPE Ezmeral ist allgemein im klassischen Lizenzmodell verfügbar, einschliesslich HPE Ezmeral ML Ops und HPE Ezmeral Container Platform als Softwarelizenz-Abonnement für den Betrieb auf jeder Infrastruktur oder in der Public Cloud.
Das Software-Portfolio umfasst:
- Containermanagement
- Machine Learning und Datenanalyse
- Kostenkontrolle
- IT-Automatisierung
- KI-gesteuerte Betriebsabläufe
- Datensicherheit
CW: HPE hat mit der Premiere von Ezmeral den Startschuss gelegt für mehr Software-Business. Welche Rolle spielt im Vergleich dazu künftig noch das Hardware-Geschäft?
Brandes: Eine sehr grosse. Das Ezmeral-Portfolio hilft Kunden, ihre IT in Richtung dezentraler Cloud- und Daten-Infrastrukturen zu transformieren – dafür ist Hardware-Innovation in vielerlei Hinsicht der Schlüssel. Ich will hier nur zwei unserer Server-Technologien als Beispiele nennen: Silicon Root of Trust und die Distributed-Computing-Plattform Pensando. Diese Technologien sind die Grundlage dafür, dass verteilte Services nahtlos und sicher miteinander kommunizieren können. Hardware wird auch in Zukunft einen Grossteil unseres Umsatzes ausmachen. Wir werden sowohl im Volumengeschäft als auch in den High-Value-Segmenten angreifen.
“Mit HPE Ezmeral treffen wir den Nerv der Zeit: Wir bringen die Cloud dorthin, wo der Kunde sie braucht„
Jens Brandes, HPE Schweiz
CW: Welche Lösungen aus dem Ezmeral-Portfolio bieten am meisten Potenzial für den Schweizer Markt?
Brandes: Grundsätzlich bauen die Ezmeral-Lösungen aufeinander auf – mit dem gemeinsamen Ziel, Daten nutzbringend zu verwerten. Dazu unterstützen sie den gesamten Stack vom Infrastruktur-Management bis zum Betrieb verteilter Machine-Learning-Umgebungen. Aber die Software-Pakete können natürlich auch einzeln eingesetzt werden. Zwei Beispiele möchte ich herausheben. Unsere KI-Lösung Infosight, mit der IT-Infrastrukturen sich selbst warten und optimieren. Und unsere Ezmeral Data Fabric, mit der Kunden einen einheitlichen Zugriff auf alle ihre Daten bekommen, egal wo diese liegen, in Rechenzentren, Clouds oder weltweit verteilten Standorten.
CW: Wie ist das erste Feedback der Schweizer Kunden zu den an der HPE Discover 2020 vorgestellten neuen Angeboten?
Brandes: Wir treffen damit voll ins Schwarze. Die Schweiz steht vor der nächsten grossen Digitalisierungs-Welle, aber die wird nicht durch die Public Cloud vorangetrieben, sondern erfordert ein neues, dezentrales Cloud-Modell. Das hat zwei Gründe. Erstens können und wollen die Kunden den Grossteil ihrer Applikationen nicht in die Public Cloud verlagern – gleichwohl wollen sie die Eleganz der Cloud auch in ihrem eigenen Rechenzentrum nicht missen. Zweitens entstehen künftig drei Viertel aller Daten an der Edge, also in Fahrzeugen, Fabriken oder Stadien. Das heisst, die Cloud muss zu den Daten, nicht umkehrt. Mit unseren Greenlake Cloud Services und mit HPE Ezmeral treffen wir also den Nerv der Zeit: denn wir bringen damit die Cloud dorthin, wo der Kunde sie braucht.
Jens Brandes über seine ersten 100 Tage als Managing Director Schweiz von HPE und seine Vision für HPE Schweiz
CW: Sie sind seit März offiziell Managing Director von HPE Schweiz. Wie haben Sie die ersten hundert Tage erlebt? Welche Projekte sind Sie angegangen seit März?
Brandes: Covid-19 war in dieser Zeit natürlich ein bestimmendes Thema. Erstens lag unser Fokus auf dem Schutz unserer Mitarbeiter, Partner und Kunden – so arbeiten zum Beispiel sämtliche HPE-Mitarbeiter seit anfangs März alle von zu Hause. Zweitens haben wir Kunden dabei geholfen, innerhalb weniger Tage Remote-Arbeitsplätze und Netzwerk-Kapazitäten auf- oder auszubauen. Und drittens konnten wir mit unserem globalen 2-Milliarden-Finanzierungpaket Kunden dabei unterstützen, ihre Projekte wie geplant durchzuführen und gleichzeitig ihre Liquidität zu erhalten. Parallel dazu haben wir weiter mit vollem Tempo an der Umsetzung unserer As-a-Service-Strategie weitergearbeitet.
“Kunden können ihre Services mit fünf Klicks konfigurieren und in Betrieb nehmen. Diese Einfachheit ist ein Hebel für weiteres Wachstum„
Jens Brandes, HPE Schweiz
CW: Die an der Discover vorgestellten Lösungen sollen HPE helfen, seine As-a-Service-Strategie zu realisieren respektive zu stärken. Wo stehen Sie in der Schweiz bei der Umsetzung?
Brandes: Ich möchte daran erinnern, dass wir schon seit 10 Jahren As-a-Service-Modelle anbieten. Diese Erfahrung versetzt uns jetzt in die Lage, das Modell über unser ganzes Portfolio auszudehnen. Die neuen Greenlake Cloud Services sind dabei ein wichtiger Schritt. Kunden können ihre Services mit fünf Klicks konfigurieren und in Betrieb nehmen. Diese Einfachheit ist ein Hebel für weiteres Wachstum, etwa im KMU-Segment zusammen mit unseren Partnern.
CW: Wie sieht Ihre weitere Strategie respektive Vision aus? Wo wollen Sie in einem Jahr mit HPE Schweiz stehen?
Brandes: In einem Jahr sehen uns unsere Kunden vor allem als strategischen Partner für ihren Geschäftserfolg in der Daten-Ökonomie. Dafür bauen wir aktuell unsere Branchenkompetenzen in Bereichen wie Finanzdienstleistungen, Pharma, Konsumgüter und Energie weiter aus. Mit unseren Branchenlösungen und Beratungsteams sind wir ein ausgezeichneter Partner, um unsere Kunden bei ihren Digitalisierungsvorhaben zu unterstützen. Natürlich werden wir unser eigenes Partner-Ökosystem auf diesem Weg mitnehmen. Und wir werden weiterhin die Nummer eins oder zwei in unseren Hardware-Märkten sein.
Zur Person
Jens Brandes
leitet seit März dieses Jahres als Managing Director HPE Schweiz und zwischen November letzten Jahres und seiner offiziellen Ernennung ad Interim. Brandes war seit 2004 in verschiedenen Vertriebs- und Managementpositionen bei HP/HPE tätig. Von 2010 bis 2013 arbeitete er bei MicroStrategy sowie EMC und kehrte dann als Sales Director Schweiz zu HPE zurück. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Maschinenbau von der Juventus Hochschule für Technik Zürich.
Ein Schwerpunkt von Brandes wird die Umsetzung von HPEs As-a-Service-Strategie in der Schweiz sein. HPE hatte letztes Jahr angekündigt, bis 2022 sein komplettes Portfolio auch als Dienstleistung mit verbrauchsabhängiger Abrechnung anzubieten – das umfasst Infrastruktur-Lösungen, Daten- und Applikationsplattformen vom Edge bis zur Cloud.