«Innovation sichert den Bestand unseres Betriebes»

Innovation bei einem KMU

CW: Wie setzen Sie Innovation im Betrieb um?
Christen: Hier kommt unser Verwaltungsratspräsident Paul Hafner ins Spiel, der das Hauptaugenmerk auf der strategischen Weiterentwicklung von Christenguss hat. Wir gehen einmal jährlich in eine Klausur, aus der wir Herausforderungen, Geschäfts-Chancen und Umsetzungspläne mitbringen. Aktuell sind das: Vertrieb, Produktion und Digitalisierung. Diese Themenbereiche arbeiten wir mit den Bereichsleitern durch und definieren die Umsetzung in den jeweiligen Abteilungen. In den wöchentlichen Betriebs­sitzungen werden die Fortschritte dokumentiert – teilweise «nur» mit einem Foto der veränderten Installation.
CW: Sie kooperieren mit Hochschulen für neue Vor­haben. Welche Hilfe sind Forschung und Wissenschaft?
Christen: Für uns als KMU – mit einem beschränkten Budget – sind Hochschulen eine grosse Hilfe bei Vorhaben aller Art. Die Studenten mögen noch keine ausgewiesenen Experten in ihrem Fach sein. Aber sie sind sehr engagiert und extrem lernwillig. Auch gehen sie ohne Scheuklappen an ein Thema heran, was meistens sehr hilfreich ist. Zum Beispiel haben wir mit Studenten der Fachhochschule Nordwestschweiz eine Analyse vorgenommen, ob sich für uns Magnesiumguss lohnen würde. Sie haben für die Semesterarbeit mit Maschinenbauern über die Werkstücke aus Magnesium gesprochen, Behörden zu den zusätzlich erforderlichen Arbeitssicherheitsmassnahmen befragt und die Wettbewerbssituation dokumentiert. Am Ende entstand ein Bericht, den wir uns ohne die Hilfe der Studenten mit ziemlicher Sicherheit nicht geleistet hätten. Sie haben gelernt, mit welchen Herausforderungen die Betriebe in der Schweiz konfrontiert und welche Schritte für die Diversifizierung des Geschäfts notwendig sind. Nebenbei: Die Analyse kam zu dem Ergebnis, dass sich für uns der Magnesiumguss nicht lohnt.
CW: Wer ist der grösste Konkurrent von Christenguss?
Christen: Unsere grössten Wettbewerber sitzen in Europa. In der Schweiz konkurrieren wir beim Aluminiumguss mit zwei bis drei Firmen, beim Kupferguss haben wir im Inland ein Alleinstellungsmerkmal. Hier sind ähnlich grosse Betriebe in Deutschland und Frankreich die Mitbewerber.
CW: Wie weit ist der Wettbewerb beim 3D-Druck?
Christen: In der Schweiz gibt es mittlerweile drei Unternehmen mit einem 3D-Drucker. Der Vorreiter war Benninger Guss in Uzwil. Die Firma ist allerdings keine direkte Konkurrenz, da sie im Grau- und Eisenguss unterwegs ist. Sie hat drei Jahre vor uns einen 3D-Drucker installiert. 2016 haben wir unseren Drucker in Betrieb genommen, vor einem halben Jahr hat die Eisengiesserei Mezger aus Kallnach einen Printer gekauft. Aber auch sie ist keine Konkurrenz, denn dort wird ausschliesslich Eisen gegossen. Die Aluminiumgiessereien in der Schweiz scheinen sich dieser Technologie noch nicht sicher zu sein.
CW: War Benninger Guss ein Vorbild für Christenguss?
Christen: Absolut! Wir haben vor unserem Kaufentscheid die Anlage mehrmals besichtigt und haben auch gedruckte Formen von Benninger geliefert bekommen, die wir hier im Haus selbst testen konnten. Dabei haben wir allerdings sehr schnell erkannt, dass ein solcher Technologiewechsel nur dann funktionieren kann, wenn der Drucker hier vor Ort steht. Jeder Interessierte muss die Möglichkeit bekommen, den Drucker auszuprobieren und seine Grenzen zu testen.
Aluminium-Abguss einer maschinell hergestellten Gussform bei Christenguss
Quelle: Samuel Trümpy

Die neue betriebliche Realität

CW: Gab es Widerstände in der Belegschaft wegen des neuen Druckverfahrens? Oder gar Entlassungen?
Christen: Nein, im Gegenteil. Wir haben Jobs geschaffen. Für die Kollegen war der Drucker zwar eine grosse Neuerung. Aber sie waren und sind Neuerungen im Betrieb und in der Fertigung seit Jahren gewöhnt. Denn wir erneuern kontinuierlich. In einem KMU wie unserem ist häufig jeder Mitarbeiter von den Veränderungen betroffen. Aber das macht die Arbeit auch jeden Tag wieder spannend. Ausserdem: Wenn wir mit den Neuerungen den lang­fristigen Bestand unseres Unternehmens sicherstellen können, ist das sowohl in unserem Interesse als auch im Interesse unserer Mitarbeiter.
CW: Konnten Sie dank des Druckers ganz neue oder viel mehr Aufträge gewinnen?
Christen: Nein. Betriebswirtschaftlich hat sich der Drucker in den ersten Jahren nicht gerechnet. Der einfache Grund war, dass wir zunächst lernen mussten, die neuen Möglichkeiten auch zu nutzen. Allerdings hat der Drucker uns viel Aufmerksamkeit gebracht. Einerseits konnten wir unsere Firma präsentieren – an Fachtagungen, in den Medien und an Kundenveranstaltungen. Ein schönes Beispiel war unsere Kooperation mit einem holländischen Ingenieurbüro. Dort war ich zu einer Präsentation eingeladen. Als mich der CEO seinen Vertriebsingenieuren vorstellte, ging ein Raunen durch den Raum nach dem Motto: «Oje, jetzt sollen wir die teuren Giess­waren aus der Schweiz vertreiben. Das klappt doch nie!» Als ich dann trotzdem unsere Technologie vorgestellt hatte, waren die meisten Vertriebler überzeugt, dass der Preis bei den Güssen nicht die Hauptrolle spielen wird. Mich hat es in der Meinung bestärkt, mit der Investition in den Drucker die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Denn wenn wir Produkte liefern können, die so sonst niemand fertigen kann, sind die Kosten nicht mehr das Hauptargument.
CW: Wie sah Ihr ursprünglicher Businessplan aus?
Christen: Wir hätten viel früher den Break Even erreichen sollen. Problem war einerseits das erwähnte Trial and Error hier im Haus. Andererseits konnten wir die Kunden auch erst langsam von den Vorteilen des Sanddruckers begeistern. Die Überzeugungsarbeit hat viel Aufwand und Zeit gekostet. Hinzu kommt, dass die Bauteile natürlich seit Jahrzehnten für die herkömmliche Fertigung entwickelt wurden und nicht für den 3D-Druck. Die Entscheidungsträger bei den Kunden sind traditionell ausgebildet, wo hingegen die junge Generation, welche die neuen Möglichkeiten kennt, noch an den Universitäten studiert oder gerade in den Beruf eingestiegen ist. So mussten wir die Kunden quasi fortbilden und ihnen aufzeigen, was mittlerweile möglich ist.
CW: Das tönt nach einem langwierigen Prozess. Tat die Verzögerung wirtschaftlich sehr weh?
Christen: Ja allerdings. Wobei unvorhersehbare Ereignisse die Situation noch verschlimmert haben. Denn nach der Millioneninvestition in den Drucker 2015 kämpften wir noch immer mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses. Auch wenn unsere Kunden zu 85 Prozent in der Schweiz und nur zu 15 Prozent in Deutschland, Frankreich sowie Polen beheimatet sind, beliefern doch die meisten Kunden wieder Unternehmen im europäischen Wirtschaftsraum. Sie hatten dann generell grosse Probleme mit den Preisen aus Schweizer Fertigung.



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