Confare GmbH 18.01.2024, 10:20 Uhr

«Frauen in der IT vernetzen und stärken»

Patriarchalische Strukturen und fehlendes Selbstbewusstsein machen es Frauen schwer, sich in der digitalen Welt einzubringen. Barbara Klinka-Ghezzo, CEO von Confare, will das ändern. Mit Netzwerken, Events und Plattformen für mehr Frauen in der IT.
Mit Frauenquoten ist es nicht getan. Organisationen müssen ihr Mindset ändern.
(Quelle: Confare)
Die Informatikbranche in der Schweiz wächst unablässig. Die Nachfrage nach Fachkräften ist gross. Trotzdem verharrt der Frauenanteil in der IT auf tiefem Niveau. Das kann man ändern, behauptet Barbara Klinka-Ghezzo in unserem Interview.
Computerworld: Confare ist bekannt für ein umfassendes Engagement zum Thema IT im gesamten DACH-Raum. Ein zentrales Thema sind die Stärkung und die Vernetzung von Frauen in der IT. Wie sieht das konkret aus?
Barbara Klinka-Ghezzo: Seit 3 Jahren bietet Confare die #Confare Female IT Community Mentorings im Rahmen unserer CIO Summits im DACH-Raum an. Wir vertiefen den Austausch zwischen den Frauen in der IT und bieten eine Community Plattform, damit die Frauen sich im DACH-Raum schnell und einfach vernetzen können. Zusätzlich unterstützen wir den fachlichen Austausch für Frauen in der IT mit eigenen Female IT-Brunches und Networking-Events.
CW: Wie steht es denn um Frauen in der IT in der Schweiz? Gibt es Unterschiede im DACH-Raum?
Klinka-Ghezzo: Wenn Sie mich fragen, wie es um die Frauen in der IT in der Schweiz steht, dann ist auffällig, dass – im Gegensatz zu Österreich und Deutschland – hier viel Zurückhaltung und wenig Füreinander zu spüren ist. Das ist schade, denn ohne Netzwerke und den Aufbau einer Female Community ist es nahezu unmöglich, Sichtbarkeit und Bewusstsein für Frauen in der IT zu schaffen. Momentan sehe ich in der Schweiz zu wenig Aktion, um die Frauen in der IT wirklich zu stärken. Das Thema wird öffentlich wenig diskutiert. Wenn ich mich mit Frauen austausche, merke ich, wie wenig progressiv viele Unternehmen in diesem Belang sind. Auch die Frauen selbst sind eher zurückhaltend. Einerseits möchten sie nicht zu sehr auffallen, andererseits stehen sie einer Männerwelt gegenüber, die recht ignorant und wenig proaktiv mit der Situation des «Frauenmangels» in der IT umgeht.
CW: Ist es nicht paradox, angesichts des Fachkräftemangels von einem Frauenmangel in der IT zu sprechen?
Klinka-Ghezzo: Absolut, ein höherer Frauenanteil in der IT lässt sich schon durch den akuten Fachkräftemangel begründen. Es wird in Zukunft einerseits notwendig sein, Frauen für Technik zu begeistern und auszubilden, andererseits das Potenzial von Quereinsteigerinnen zu nutzen, um die vielen Herausforderungen, die uns die digitale Transformation stellt, zu meistern. Ohne diverse Teams und den Beitrag von Frauen wird das weder quantitativ noch qualitativ gehen, denn die Fragestellungen sind extrem vielfältig und anspruchsvoll. Unternehmen brauchen Vielfalt und Inklusion, um das diverse Kundenumfeld erfolgreich zu bedienen.
CW: Sie sind Initiantin des Confare Female-IT-Mentorings. Können Sie kurz erklären, worum es dabei geht?
Klinka-Ghezzo: Auf den Punkt gebracht: Es geht um den Austausch unter Frauen. Mit dem Confare Female IT-Mentoring ermöglichen wir vor allem Frauen aus dem IT-Nachwuchs, sich mit erfahrenen weiblichen IT-Profis aus renommierten Unternehmen über Karriere, Lebensgestaltung und Netzwerk auszutauschen. Frauen in der IT vernetzen und stärken, das treibt mich an.
CW: Wo liegt der konkrete Nutzen für die Teilneh­merinnen?
Klinka-Ghezzo: Die Mentorinnen tauschen sich mit Nachwuchsführungskräften und «High Potentials» in individuellen Sessions aus. Da gibt es viel Raum für individuelle Fragen und die eine oder andere Handlungsanweisung, wie frau mit den Gegebenheiten umgehen kann. Gerade als Karrierestarterin hat man es ja nicht leicht. Kein Wunder, denn die nötigen Erfahrungswerte fehlen und im IT-Bereich auch die femininen Role Models. Deswegen sind Networking und Mentoring das A und O für Frauen, die in der IT tätig sind. Networking sorgt für den nötigen Austausch von Erfahrung, die verschiedenen Einblicke und eben auch Role Models. Das Mentoring liefert genau dafür die Bausteine: Den Rahmen, in dem sich Frauen gegenseitig und gezielt unterstützen. Mentoring ist ein Basiselement, um in der eigenen IT-Karriere weiterzukommen, sich über Unternehmensgrenzen auszutauschen und Impulse zu setzen. Die wesentlichsten Aspekte sind Selbstbewusstsein und Stärkung.
“Frauen würde ich raten, sich besser zu vernetzen, auszutauschen und die Angebote zu nutzen, die es für Frauen gibt.„
Barbara Klinka-Ghezzo
CW: Sie haben es schon erwähnt, dass die IT immer noch von patriarchalischen Strukturen geprägt ist. Wie könnte ein Weg aussehen, um ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen zu erreichen?
Klinka-Ghezzo: Tatsächlich sind in der Schweiz viele IT-Abteilungen noch fest in Männerhand. Es ist schwierig, als einzelne Frau gegen alteingesessene Strukturen anzugehen. Man muss sich vorstellen, dass Frauen in der IT in einem absolut männerdominierten Bereich arbeiten und es eigentlich gewohnt sind, sich an die Strukturen anzupassen. Eine Frau wird nicht viel an patriarchalen Unternehmensstrukturen ändern können. Man muss die Männer ins Boot holen, damit sie die Bedeutung von Frauen in der IT erkennen. Ich spreche hier von Male Allyship. Männer müssen ihre Privilegien und ihren Einfluss nutzen, um Gleichstellung und ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis voranzutreiben. Ich sehe hier also viel Potenzial bei den Männern.
CW: Welche Empfehlungen geben Sie Frauen, um ihre Position in der IT zu stärken?
Klinka-Ghezzo: Frauen würde ich raten, sich besser zu vernetzen, auszutauschen und die Angebote zu ­nutzen, die es für Frauen gibt. Das sind Community Treffs, Mentorings oder ähnliche Initiativen, um einerseits das eigene Bewusstsein zu stärken und andererseits positive Erfahrungen und Erkenntnisse auch im Unternehmen platzieren zu können. Das bedeutet natürlich einen gewissen Grad an Engagement, das sich am Ende lohnen wird.
Unternehmen haben es in der Hand, neue Strukturen zu schaffen und für mehr Ausge­wogenheit zu sorgen.
Quelle: Confare
CW: Was macht eine erfolgreiche Führungskraft in einem diversen Team aus?
Klinka-Ghezzo: Zunächst ist es wichtig zu definieren, dass Leadership nichts Männliches oder Weibliches ist, sondern das Mindset, Teams zu führen, welche sich durch Vielfalt und Diversität auszeichnen. Unternehmen in der IT, die eine Geschlechtervielfalt in den verschiedenen Positionen bis hin zur Führungsebene haben, geben ein deutliches Signal, dass es um Können geht. Es geht nicht um das Geschlecht, die Herkunft, oder was auch immer einen hervorhebt. In diesem Bewusstsein muss geführt und gearbeitet werden, dann führt man diverse Teams zum Erfolg und bietet die passenden Lösungen für unsere Zeit. Es muss zur Normalität für Führungskräfte gehören, auch in der Technik, mit Vielfalt umzugehen, nicht stereotypisch zu entscheiden. Es gilt, seine Mitarbeitenden über die Sache zu einen. Das bedeutet wenig Hierarchie, keine Ausgrenzung und das Bewusstsein, dass der Diskurs am besten ist, wenn es viele kompetente Meinungsansätze und Lösungsansätze gibt.
CW: Welche Perspektiven kann die IT für Quereinsteigerinnen bieten?
Klinka-Ghezzo: Zunächst muss ich festhalten, die IT braucht Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, denn der Fachkräftemangel ist eklatant und jede und jeder ist willkommen. Der Frauenanteil in der IT ist gerade in der Schweiz niedrig und das konstant über die letzten Jahre, ohne Veränderung oder steigender Tendenz. Technische Ausbildungen und Studiengänge haben einen sehr geringen Frauenanteil, daher brauchen wir in der IT mehr Quereinsteigerinnen als Absolventinnen. IT hat viel mit Menschenverstand zu tun und viele Fähigkeiten, die man bereits in den Fachbereichen erlernt hat, oder als Ausbildung mitbringt, können angewendet werden. Ist das Business-Verständnis da, braucht es dann einfach die eine oder andere Technikschulung.
CW: Und wie gut stehen die Erfolgschancen für Frauen beim Neu- oder Quereinstieg in der IT?
Klinka-Ghezzo: Die digitale Transformation erfordert neben technischem Know-how viel Business-Wissen, wenn die Teams dann von Vielfalt profitieren können, umso besser. Wahrscheinlich war es noch nie leichter, in der IT-Karriere zu machen. Gerade für Frauen sind die Karrierechancen in der IT besser als in vielen anderen Bereichen. Die IT kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen. Hier können Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden, Aufgaben aufgeteilt werden, weil es viel Projektarbeit gibt. So gesehen hat die IT die besten Karten in der Hand, um Quereinstiege zu ermöglichen. Das muss gefördert werden und den Führungskräften muss diese Notwendigkeit einfach bewusstwerden, damit der Quereinstieg in der Strategie verankert ist.
CW: Welche Bedeutung haben Quoten für Chancengleichheit?
Klinka-Ghezzo: Es gibt schon lange Quoten, aber Geschlechter und Chancengleichheit gibt es keine, ich würde also meinen, das Modell ist gescheitert. Quoten sind ein Regulativ und wie wir aus der Praxis kennen, Zwang fällt meist nicht auf fruchtbaren Boden. Ausserdem verbessert die Quote die Dinge nicht von Grund auf, sondern wird als Feigenblatt verwendet. Ganz nach dem Motto: Wir haben unsere Quoten erfüllt. Das ist weder nachhaltig noch verändert es die Firmenkultur. Genau da muss aber angesetzt werden. Changemanagement ist gefragt, Organisationen müssen ihr Mindset ändern, um sich tiefgreifend zu verändern. Hier ist auch sind klare Zielsetzungen wichtig, dass ich Frauen in die Teams bringe, Raum für Diskurs schaffe, aber auch damit eine gewisse Quantität anstrebe. Erst wenn der Frauenanteil in Richtung 30 Prozent geht, verändert sich wirklich etwas. Eine ausgewogene Balance zwischen Frauen und Männern, besonders auch in Führungspositionen, sehe ich als einen klaren Erfolgsfaktor für ein Unternehmen an.
CW: Mit welchen Fragen sollten sich Unternehmen befassen, um für gerechte Chancenverteilung zu sorgen?
Klinka-Ghezzo: Sowohl in der Gesellschaft als auch in Unternehmen sollten wir uns für mehr Chancengleichheit einsetzen. Das fängt bereits mit dem Zugang zu Bildung an, sei es in der Schule oder später in der Ausbildung bzw. im Studium. Ein wichtiger Aspekt ist das Wohlbefinden. Unternehmen können dafür sorgen, dass sie ein Umfeld des Wohlbefindens schaffen, indem sie ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen fördern und neue Rollenbilder in IT-Berufen etablieren. Ausgeglichenheit ist auch ein wichtiges Thema für das Topmanagement. Hier kann ich Vorbildwirkung ausspielen, überzeugen und das Unternehmen vorn positionieren. Eigentlich haben die Unternehmen viel Handlungsspielraum. Wenn ich mir unsicher bin, wie ich einen Change schaffe, dann gibt es einige Vorzeigeunternehmen, die es bereits hervorragend geschafft haben, alte männerdominierte Strukturen aufzubrechen und alle Bereiche divers und modern aufzusetzen.
“Gerade für Frauen sind die Karrierechancen in der IT besser als in vielen anderen Bereichen„
Barbara Klinka-Ghezzo
CW: Wie sehr darf die Diskussion rund um «Frauen in der IT» polarisieren? Was kann man für ein konstruktives Miteinander tun?
Klinka-Ghezzo: Wichtig ist zunächst einmal, dass überhaupt diskutiert wird. Gerad in der Schweiz bemerke ich nicht viel Diskussion. Gleichbehandlung hat zu wenig ­Priorität. Hier müssen Silos aufgebrochen, alle Themen rund um Diversität angesprochen werden, und zwar auf einer sachlichen, konstruktiven Basis. Wozu zögern? Die Notwendigkeit ist klar. Alte Muster und männerdo­minierte Machtstrukturen werden in Zukunft nicht hilfreich sein, die IT-Teams zu besetzen und modernes, an alle Umstände angepasstes Arbeiten zu ermöglichen. Meine Empfehlung wäre also zu handeln, als alles ständig zu diskutieren.
Mehr Networking, mehr Austausch und mehr Selbst­bewusst­sein seitens der Frauen seien gefor­dert, so Barbara Klinka-Ghezzo.
Quelle: Confare
CW: Zum Schluss, welche Tipps geben Sie Unternehmen, um mehr Ausgewogenheit beim Frauenanteil in der IT zu erreichen?
Klinka-Ghezzo: Einfach ausprobieren, wie man miteinander umgehen kann und reflektieren, was gut passt. Frauen müssen lernen, dass sie eine starke Vorreiterfunktion haben. Wenn es entsprechende Vorbilder gibt, wird alles einen Dominoeffekt haben. Frauen ziehen Frauen an. Male Allyship ist ein wichtiger Schlüssel, um den Sprung zu einer modernen, ausgewogenen, Chancengleichheit bietenden IT zu schaffen. Wer in Geschlechterrollen denkt, ist in der Führungsetage fehl am Platz. Daher mein Aufruf an die IT: Wollt ihr vorn dabei sein, dann ist es aus vielen logischen und wissenschaftlich belegten Gründen enorm wichtig viel mehr Frauen in die IT zu bekommen. Ich würde hier eher schnell handeln, denn wer möchte eine völlig unattraktive IT sein. Wie möchte man die nächste Generation ansprechen als monoton und stereotyp besetzte «Mann-schaft».
Zur Person und Firma
Barbara Klinka-Ghezzo hat mit Auszeichnung ihr Studium in Geschichte und Philosophie an der Uni­versität Wien abge­schlossen. Als geschäfts­führende Gesellschafterin ist sie bei Confare zu­ständig für Sales, Partner­management und Business Development. Barbara Klinka-Ghezzo ist Initiantin des Confare Female IT-Mentoring und Gründerin der Confare Female IT Community.
Confare GmbH
Die Plattform Confare ist Veranstalterin des #CIOAward in Österreich und der Schweiz und des #ImpactAwards in Deutschland. Confare vernetzt DACH-weit Ent­scheider*innen aus den Bereichen IT und Digita­lisierung. Als Ecosystem Plattform ist das Confare #CIOSUMMIT die Schnittstelle zwischen An­bieter*innen, Hochschulen, Medien, Politik und IT-Entscheider*innen aus dem DACH-Raum. www.confare.at



Das könnte Sie auch interessieren