11.08.2005, 11:46 Uhr
Zockende Algorithmen
Programmierer zimmern an Poker-Bots, die ihre Gegner aus Fleisch und Blut gnadenlos abzocken sollen. Bislang mit wenig Erfolg.
Drei Tage nehmen sie Karten auf, versuchen herauszufinden, was für ein Blatt der Gegner hat, und lassen sich nichts anmerken, wenn sie miese Farben haben. Dann verlässt Pokerprobot das virtuelle Kasino mit 100000 Dollar in der Tasche. Doch freuen über den Gewinn kann er sich nicht. Dies tut um so heftiger sein Programmierer Hilton Givens, der nun das Preisgeld des ersten Pokerwettbewerbs in der Tasche hat, der nur von Software-Spielern, sogenannten Bots, bestritten wurde.
Gegen echte Pokerexperten hätten die zockenden Progrämmchen allerdings versagt. Sowohl Pokerprobot als auch der zweitplatzierte Catfish von Brian Edwards haben während des Wettbewerbs eigenartige Pokerstrategien entwickelt. So seien sie bei schlechten Karten mitgegangen. «Steig aus, mein Junge, steig aus!», will Givens gebeten haben. Doch sein pokernder Bot hat munter weitergespielt.
Dass das Programmieren eines Pokerbots keine triviale Angelegenheit ist, weiss auch Jonathan Schaeffer, Professor an der Universität von Alberta in Kanada. Seine Computer Poker Research Group und er versuchen bereits seit Jahren einen leistungsfähigen Zocker aus Bits und Bytes zu zimmern. «Poker ist im Gegensatz zu Schach kein Spiel, bei dem alle Informationen auf dem Tisch liegen», erklärt Schaeffer. Beim Pokern ist gerade entscheidend, dass der Spieler das Blatt des Gegners nicht kennt, es aber auf Grund von dessen Verhalten zu erahnen sucht. Umgekehrt darf der Zocker seinerseits um keinen Preis seine Gegner wissen lassen, ob er gute oder schlechte Karten hat. Während alle Bots kein Problem haben, ein eisernes «Pokerface» aufzusetzen, fehlt es ihnen bislang an Intuition. Dieses Gespür sei schliesslich ausschlaggebend für den guten und erfolgreichen Spieler, meint Schaeffer. «Das Problem ist es dabei für das Programm, sich ein Bild des Gegners zu machen und dessen Strategie zu erraten», sagt er.
Der Kanadier und sein Team versuchen, diese Gabe durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. Ihr Software-Zocker Poki beobachtet dabei die Spielzüge seiner menschlichen Gegner über mehrere Partien hinweg und merkt sich in der Folge, bei welchen Kartenkombinationen sich sein Gegenüber wie verhält. Laut Schaeffer ist sein Programm mittlerweile so gut, dass es gegen professionelle Zocker gewinnen kann.
«Allerdings springt dabei noch nicht das grosse Geld heraus», meint Schaeffer. Denn Poki rechnet und spielt äusserst defensiv. Das Irrationale geht ihm dabei ab. «Aber genau dies wollen wir unserem Software-Spieler beibringen», meint er.
Ziel von Schaeffers Team ist es denn auch, nicht von Reno bis Las Vegas alle Online-Casinos auszunehmen, sondern ihre Erkenntnisse beim Schreiben der Poker-Algorithmen auf andere Situationen, die «wie im richtigen Leben» ablaufen, umzumünzen. So schwebt dem Kanadier ein Bot vor, der wie auf einem Bazar handeln kann. Die Softwarestücke könnten somit auf einen Autohändler losgelassen werden, um herauszufinden, wo das tiefste Gebot liegt, bei dem dieser mit knirschenden Zähnen doch noch zum Verkauf einlenkt. Auch im rauhen Wettbewerb von Firmen könnten solche Bots bei der Einschätzung der Konkurrenz behilflich sein, hoffen die Ka-nadier.