06.11.2017, 10:02 Uhr
Wo der Weg des E-Votings hinführt
Am «Forum E-Voting» tauschten sich Experten und Interessierte zum Thema elektronische Stimmabgabe aus. Es wurde darüber diskutiert, wann diese flächendeckend eingeführt wird und was dabei noch bremsen könnte.
Am 31. Oktober hat die Post im Gebäude der Zürcher Hochschule für Wirtschaft das «Forum E-Voting» veranstaltet. Eingeladen waren an der Fachtagung Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Kantonen, Wissenschaft und Wirtschaft. Vier Referenten beleuchteten die elektronische Stimmabgabe aus verschiedenen Blickwinkeln, um den Anwesenden einen Überblick über das Thema zu verschaffen.
Andreas Glaser, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht an der Universität Zürich, ging im ersten Referat der Frage nach, wann das Schweizer Stimmvolk elektronisch abstimmen und wählen kann. Warum das heute noch nicht der Fall sei, führe er darauf zurück, dass dies zurzeit nur Versuchskaninchen und Randgruppen vorbehalten sei. «Die Inlandschweizer betrifft es von Anfang an nicht, weshalb E-Voting zu einem Nischenthema geworden ist», erklärte Glaser. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen seien zwar geschaffen, allerdings gingen diese noch von einem zeitlich und sachlich begrenzten Versuchsbetrieb aus.
Technische Probleme als Hemmnisse
Auch technische Probleme hätten sich in der Vergangenheit auf die flächendeckende Einführung des E-Votings ausgewirkt. 2015 erhielt das ehemals grösste Konsortium bestehend aus neun Kantonen aufgrund von Sicherheitsrisiken etwa keine Bewilligung für die Nationalratswahl. Der Verbund arbeitete damals mit einer Lösung des US-Dienstleisters Unisys. Im Vergleich zu den Nachbarländern Österreich und Frankreich ? dort scheiterte E-Voting aufgrund von technischen Problemen ? hätten diese hierzulande aber nicht zum Knock-out der elektronischen Stimmabgabe geführt. «Seither gab es zwar kleine Beanstandungen, grössere Probleme aber nicht.» Glaser stellte anschliessend die Hypothese auf, dass 2025 in mehreren Kantonen sämtliche Stimmberechtigten elektronisch wählen und abstimmen können. Dauerhafte Rechtsgrundlagen seien ebenfalls geschaffen, sodass das E-Voting der vollwertige dritte Stimmkanal neben Urne und brieflicher Stimmabgabe darstelle. Allerdings müsse man sich dabei zwingend die Frage stellen, was mit den Kantonen passiere, die sich gegen das E-Voting sträubten. 14 Kantone boten bisher E-Voting in über 200 Versuchen an ? Graubnden will dieses bis 2021 flächendeckend einführen. Muss am Ende einzelnen Kantonen die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe gar aufgezwungen werden? Riskant wird es gemäss Glaser, wenn einzelne Kantone die Stimmabgabe per Post oder Urne als Qualitätsmerkmal verwenden. «Dann schwebt über jeder Abstimmung das Damokles-Schwert der Illegitimität», erklärt Glaser. Nächste Seite: Sicherheit vor Tempo
Sicherheit vor Tempo
Hinter das E-Voting stellte sich jüngst auch der Bund. Er sieht in der elektronischen Stimmabgabe die Vorteile, dass Wählerinnen und Wähler wie bei der elektronischen Erfassung der Steuererklärung durch den Prozess geführt werden und so die ungewollt ungültige Abgabe einer Stimme verhindert werden kann. Auch für Auslandschweizer bringe sie Vorteile mit sich, zudem werde Menschen mit Behinderung so bei der Stimmabgabe mehr Privatsphäre ermöglicht.
Ein Hauptgrund, weshalb der Bundesrat bei der Einführung des E-Votings aber den Fuss etwas vom Gas nehmen will, ist die Sicherheit. «Probleme können schnell zum Vertrauensverlust führen. Deshalb stellen wir die Sicherheit der Systeme klar vor eine möglichst schnelle Einführung», erklärt Mirjam Hostettler, Projektleiterin Vote électronique bei der Schweizerischen Bundeskanzlei, in ihrem Vortrag. Zwei Anforderungen müssen die Systeme in puncto Sicherheit deshalb zwingend erfüllen: Eine individuelle und eine universelle Verifizierbarkeit der Stimmen. Mit der individuellen Verifizierbarkeit ? sie ist bei den Lösungen der Post und des Kantons Genf schon seit 2015 sichergestellt ? können Wähler etwa anhand von Codes prüfen, ob ihre Stimme korrekt übermittelt wurde. Die universelle Verifizierbarkeit soll bis spätestens Ende 2018 eingeführt sein und belegen können, dass die Stimmen auch richtig ausgezählt wurden. Hostettler gibt zu, dass Angriffe und Manipulationen trotzdem im Bereich des Möglichen liegen. Das zweistufige Sicherheitskonzept soll danach allerdings sicherstellen, dass diese rechtzeitig erkannt werden. Um die Sicherheit der Lösungen weiter zu verbessern und Transparenz zu schaffen, will der Bundesrat zudem deren Quellcodes offenlegen und sie im Rahmen von Intrusionstests auf die Probe stellen. Nächste Seite: Mehr Partizipation dank E-Voting
Mehr Partizipation dank E-Voting
Im Kanton Freiburg können Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bereits jetzt elektronisch abstimmen. «Obwohl der zusätzliche Stimmkanal für den Kanton zusätzliche Kosten verursacht, wollen wir das E-Voting weiterhin stärken», sagt Nicolas Fellay, Verantwortlicher politische Rechte des Kantons Freiburg. Es sei mittlerweile gar Teil der kantonalen Digitalisierungsstrategie. Denn mit der elektronischen Stimmabgabe habe sich einerseits die Wahlbeteiligung erhöht, andererseits sei das Angebot nicht nur von jüngeren Stimmbürgern, sondern auch von Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren genutzt worden. Für Fellay sei aber klar, dass E-Voting in Zukunft zwingend vollständig papierlos sein müsse, wie er in seinem Referat darlegte. Eine Kombination sei undenkbar. «Aufgrund der damit verbundenen Kosten wäre das E-Voting sonst in ein paar Jahren kein Thema mehr.»
Als Ziel hat sich der Kanton Freiburg nun gesteckt, dass bis zu den eidgenössischen Wahlen im Jahr 2019 30 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger per E-Voting abstimmen können. In diesem Jahr führte Freiburg bereits erste Pilot-Tests mit einzelnen Gemeinden durch.
Das E-Voting der Zukunft
Andreas Ladner, Direktor des Instituts für öffentliche Verwaltung an der Universität Lausanne, beleuchtete in seinem Abschlussreferat das Thema E-Voting schliesslich aus Sicht der Demokratie und lieferte gleich Vorschläge, wie dieses noch verbessert werden könnte. Er schlug etwa vor, die elektronische Stimmabgabe mit sogenannten Voting-Assistant-Applications (VAAs) zu verbinden ? etwa mit der Online-Wahlhilfe Smartvote. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass E-Voting alleine die Wahlbeteiligung signifikant erhöht», sagte Ladner. Untersuchungen hätten hingegen ergeben, dass VAAs grösseres Interesse und eine höhere Wahlteilnahme zur Folge hätten. In Kombination mit E-Voting könnte so also ein Mehrwert generiert werden.
Diese Form von E-Voting habe allerdings auch Auswirkungen auf die Demokratie. «Wir würden nicht mehr Parteien, sondern Personen wählen, die gleich denken wie wir», erklärt der Politologe. Dies hätte eine Bewegung zum Delegiertenmodell zur Folge, bei dem Politikerinnen und Politiker stets jene Meinung vertreten müssten, für die sie gewählt wurden. Für den Professor sei deshalb eines klar: «Wenn E-Voting in der breiten Masse diskutiert wird, stehen nicht nur Sicherheit und Datenschutz im Zentrum, sondern auch die Auswirkungen auf die Demokratie.» Gleichzeitig müsse man dem Stimmvolk aber auch Mehrwerte aufzeigen können, um dieses vom E-Voting überzeugen zu können, sagte Ladner abschliessend.