BUSINESS INTEGRATION 06.10.2005, 20:03 Uhr

Mit Webservices zum virtuellen Unternehmen

Das Ziel von Business Integration liegt in der Schaffung eines ganzheitlichen und nachhaltigen Austausches innerhalb und zwischen den geschäftsrelevanten Elementen, so dass ein konsistentes und flexibles Ganzes entsteht.
Gobaler Wettbewerbsdruck drängt Unternehmen mehr und mehr zu verstärkten Kooperationen. Wegen der immer tiefer greifenden Konzentration auf die Kernkompetenzen beherrschen Unternehmen oft nicht mehr die Komplexität der kompletten Wertschöpfungskette. Auch verkürzen sich die Entwicklungszyklen und die zu beherrschenden Technologien werden zunehmend anspruchsvoller. Der Investitionsbedarf für Innovationen steigt und damit auch das Risiko, welches mit Neuentwicklungen verbunden ist. Ein Umfeld, in dem man nur mit guten Partnern erfolgreich bestehen kann.
Die verstärkte Dynamik hat grosse Auswirkungen auf die operative Geschäftsführung, auf die Produkte, wie auch auf die Partner- und Konkurrenzsituation. Unerlässlich ist, dass die Unternehmen die Zusammenarbeit mit Lieferanten, Kunden und Partnern hinterfragen und optimieren. Optimal heisst, die eigenen Ressourcen möglichst effektiv und effizient einzusetzen und gleichzeitig die fehlenden Ressourcen möglichst kostengünstig einzukaufen.
Eine Antwort auf diese Problemstellung liefert Business Integration. Das Ziel liegt in der Schaffung eines ganzheitlichen und nachhaltigen Austausches innerhalb und zwischen den geschäftsrelevanten Elementen, so dass ein konsistentes und flexibles Ganzes entsteht. Business Integration verlangt nach einer ganzheitlichen Sicht, welche sowohl die unternehmerische wie auch die technische Seite umfasst. Die Anforderungen an die Verantwortlichen von Business-Integrationsprojekten sind entsprechend hoch.

Sollprozesse überdenken

Der Ausgangspunkt von Integrationsprojekten ist meist die Analyse von bestehenden Geschäftsprozessen einerseits innerhalb der Unternehmung und andererseits über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Der Analyse schliesst sich eine Optimierungsphase an, in welcher sich das Unternehmen auf strategischer Ebene Gedanken über zukünftige Sollprozesse macht. Dazu gehören auch Überlegungen zu möglichen künftigen Outsourcing-Möglichkeiten und der Integration von Lieferanten und Kunden in die eigenen Prozessketten. Der Trend zur Umsetzung der unternehmerischen Sollprozesse geht heute Richtung Service-orientierten Architekturen (SOA) mit einem Integrationsserver als zentrales Element für die Abarbeitung von Prozessdefinitionen.
Die Schnittstelle eines Webservices wird mittels der Webservice Description Language (WSDL) definiert. Anhand dieser Beschreibung ist es möglich, dynamisch aus einer Anwendung heraus diesen aufzurufen. Der Anbieter von Webservices hat die Möglichkeit, mittels einem Universal Description, Discovery und Integration Server (UDDI), seine Webservices zu publizieren. Ein UDDI-Server erlaubt einem möglichen Anwender von Webservices, diese mittels verschiedenen Kriterien zu suchen. Damit ist es möglich, dynamisch aus einer Anwendung heraus, nach einem bestimmten Webservice zu suchen und auch gleich aufzurufen. Alleine die Suchkriterien sind als -Information nötig. Methodennamen, Aufrufparameter wie auch die Lokalität werden zur Laufzeit ermittelt. Gibt es nun mehrere Anbieter für den gleichen Webservice, bekommt der Anwender die Möglichkeit, eine Auswahl zu treffen. Die Bewertung der Alternativen setzt jedoch eine Vergleichbarkeit voraus, welche nicht alleine durch die WSDL- und UDDI-Informationen gegeben ist. Als Parameter für einen Vergleich kommen Kosten, Qualitäts- und Sicherheits-aspekte und Verfügbarkeiten in Betracht. Es bietet sich somit an, eine standardisierte Kostenfunktion einzuführen, welche die obigen Faktoren aggregiert. Der Anwender verwendet diese Kostenfunktion, um eine Auswahl zu treffen.

Zwang zur Öffnung

Der Integrationsserver übernimmt die Aufgabe, eine Prozessdefinition abzuarbeiten. Ein Prozess beschreibt auf der technischen Ebene, welche Aufgabe, wann und von welchen Webservices in welcher Reihenfolge gelöst werden muss. Diese Informationen werden zunehmend mittels der Business Process Execution Language for Webservices (BPEL4WS) definiert und auf einem Integrationsserver abgelegt und ausgeführt. Die meisten Firmen haben ihre eigenen, proprietären Prozesse über Jahrzehnte gepflegt und kontinuierlich verbessert. Mit dem Zwang zur verstärkten Zusammenarbeit und zur Integration von Lieferanten und Kunden besteht nun der Zwang, diese Prozesse nach aussen zu öffnen und zu standardisieren. Ein Beispiel von standardisierten Prozessen ist das Supply-Chain Operations Reference Model (SCOR). Viele Firmen haben bereits auf das SCOR-Model umgestellt. Mit der Anwendung von standardisierten Prozessen ergeben sich nun auf unternehmerischer Ebene neue Handlungsperspektiven. Es ist nun plötzlich einfacher, Benchmarks durchzuführen und basierend auf deren Resultaten, ganze oder Teilprozesse extern zu vergeben. Das führt dazu, dass Prozesse zu einer «Commodity» werden und aus Unternehmenssicht nur noch teilweise Kern-Know-how verkörpern. Vo-raussetzung für ein erfolgreiches Outsourcing von Prozessen ist jedoch die Möglichkeit der Vergleichbarkeit. Dazu gehören nebst der Definition von Standardprozessen auch Process Performance Standards, welche die verschiedenen Implementierungen der standardisierten Prozessschritte anhand von Metriken messbar macht und Process Managemen Standards, welche misst, wie gut die Prozesse gehandhabt, gemessen und verbessert werden. Als Beispiel für einen Process Management Standard kann das Capability Maturity Model (CMM) angeführt werden.
Intelligente Reaktionen
Werden nun Standardprozesse als eigenständige Prozesse oder Teilprozesse verwendet und diese als Webservices inklusive der früher besprochenen Kostenfunktion über UDDI angeboten, kann dynamisch entschieden werden, welcher Anbieter für welche Aufgabe (Teilprozess) ausgewählt wird. Dieses Vorgehen entspricht dem opportunistischen Ansatz, welcher besagt, dass Entscheidungen über Alternativen erst zum spätmöglichsten Zeitpunkt getroffen werden sollen, um einen möglichst grossen Entscheidungsfreiraum beibehalten zu können. Diese technische Lösung entspricht der unternehmerischen Forderung nach möglichst grosser Flexibilität und Anpassbarkeit an neue Umweltbedingungen, indem die Prozessausführung intelligent auf die aktuelle Situation reagieren kann. Voraussetzung hierfür sind standardisierte und vergleichbare Prozesse sowie einen Auskunftsdienst (UDDI).
Einen Schritt weiter geht die Anwendung von Peer-to-Peer-Technologie (P2P). Die Idee ist, dass sich Webservices anhand ihrer Schnittstellenbeschreibung (WSDL) und ihrer Zugehörigkeit zu einem Standardprozess oder einer Ontologie selbst organisieren. Hierzu muss die WSDL-Beschreibung um semantische Informationen ergänzt werden. Die Basisfunktionalität eines Webservices wird nebst der schon früher erwähnten Kostenfunktion um die P2P-Funktionalität erweitert, welche grundsätzlich die Fähigkeit umfasst, Peers und deren Services zu publizieren und zu suchen. Es entsteht ein gerichtetes Netzwerk von Webservices, welches durch die syntaktische und semantische Schnittstellenbeschreibung definiert wird. Die tatsächlich durchlaufenen Kanten des Netzwerkes sind gegeben durch die zugehörigen Kosten, welche durch die Kostenfunktion abrufbar sind. Dieses Netzwerk definiert nun alle möglichen Prozesse, welche mit den vorhandenen Webservices definiert werden können. Eine explizite Beschreibung eines Prozesses fällt somit weg.

Virtuelle Unternehmen

Wird die Geschäftsprozess-Integration nicht als Ziel sondern als Mittel zum Zweck angesehen, dann könnte der Zweck der Integration darin bestehen, die spontane Bildung von virtuellen Unternehmen zu ermöglichen. Voraussetzung sind Webservices mit P2P-Funktionalität, eine um semantische Informationen aus einer Ontologie erweiterten WSDL-Beschreibung und standardisierte Prozesse mit zugehörigen Process Performance und Management Standards, welche eine Vergleichbarkeit sicherstellen.
Thomas Keller



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