02.06.2008, 05:36 Uhr

Performance rasant verbessern

Gee Rittenhouse, Research Vice President der Bell Laboratories in Murray Hill, New Jersey, sprach exklusiv mit Computerworld über seine Projekte und den Telekommunikationsmarkt der Zukunft.
Gee Rittenhouse, Research Vice President Bell Labs: «Performance-Vorteile und Qualitätssteigerung durch BLAST-Technologie erzielen».
Auf dem asut-Seminar des Schweizer Verbandes der Telekommunikation diskutieren Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik brandheisse Telko-Themen. Gee Rittenhouse sprach mit Computerworld vorab über zukünftige Konsumententrends.
Computerworld: Herr Rittenhouse, wie sehen die Trends der Zukunft aus? Wie werden wir miteinander kommunizieren?
Gee Rittenhouse: Sensor-Netzwerke werden stark an Bedeutung gewinnen. Damit lässt sich beispielsweise das eHealth-Konzept flächendeckend und lückenlos umsetzen. Herz-Kreislauf-Patienten tragen einen medizinischen Sensor bei sich, der von der Norm abweichende Werte direkt an die Notfallzentrale meldet. Per GPS wird der kollabierende Patient geortet und die Ambulanz macht sich auf den Weg.
Auch im Logistik- und Transportwesen spielen Sensoren eine immer grössere Rolle. Automatisierte Verkehrsleitsysteme können dabei helfen, drahtlose Technologie energiesparend und umweltschonend einzusetzen.
Davon wird immer wieder geredet. Warum holen wir die technischen Konzepte nicht endlich aus der Schublade und setzen sie in die Tat um?
Der Flaschenhals ist die Netzwerkkapazität, und die Belastung der Netze wird weiter steigen. Wir bei den Bell Labs arbeiten daran, die Netz-Performance zu verbessern und gleichzeitig durch Interferenz entstehende Störgeräusche (engl. noise) zu minimieren.
In drahtlosen Übertragungssystemen fliessen die Signale ja nicht auf direktem Wege vom Sender zum Empfänger, sondern werden gewissermassen wild in alle Richtungen abgestrahlt. Dadurch kann es zu unerwünschten Interferenzen kommen, welche die Signalqualität drastisch mindern.
Bei den Bell Labs haben wir eine Lösung entwickelt, welche Interferenzen ausnutzt, um die Quality of Service und die Übertragungsrate noch zu steigern. Die Kernelemente dieser Technologie sind MIMO-Antennen (Multiple Input, Multiple Output) und von uns entwickelte Signalverarbeitungs-Algorithmen aufseiten der Empfänger. Beides zusammen nennen wir BLAST: Bell Labs Layered Space Time. WiMAX setzt beispielsweise BLAST-Technologie ein. Die Übertragungsgeschwindigkeit lässt sich dadurch um den Faktor zehn steigern.
Von welchen neuen Dienstleistungen werden die Kunden profitieren?
Eine spannende Neuentwicklung sind etwa geografische Nachrichtendienste, praktisch Geografie plus SMS. Eine Info-SMS wird standortabhängig dann versandt, wenn der Empfänger eine geografisch klar abgegrenzte Zone betritt oder verlässt. Verlässt zum Beispiel ihr Kind das Schulgelände, erhalten die Eltern eine GMS. In Restaurants raten Empfehlungsdienste per GMS, sich nicht auf ein bestimmtes Menü einzulassen.
Private Netzwerke zu Hause werden immer komplizierter - Stichwort intelligentes Haus. Deshalb bieten Service Provider Netzwerk-Managementdienste demnächst auch für Privatkunden an. Sonst wächst die Technik den Menschen über den Kopf. Heute nehmen Netzwerk-Managementdienste nur Geschäftskunden in Anspruch. Auch das Potenzial der Banking- und Billing-Dienste wird von Service Providern noch nicht richtig ausgeschöpft.
Welche Entwicklung, an der Wissenschaftler zur Zeit arbeiten, hat für Sie das grösste Zukunftspotenzial?
Der Quantencomputer wird die kommenden zehn, zwanzig Jahre revolutionieren. Quantencomputer führen Berechnungen parallel und dadurch sehr viel schneller durch als herkömmliche Rechner. Aber auch die modernen Multi-Core-Systeme gehen bereits in diese Richtung.
Bei Verschlüsselungsverfahren, die bei der Übertragung in Netzen zur Anwendung kommen, ist insbesondere die Primfaktorzerlegung grosser Integer-Zahlen wichtig. Quantencomputer könnten das viel schneller erledigen. Innerhalb der nächsten zehn, zwanzig Jahre werden wir alle unseren quantenmechanischen «General Purpose Computer» auf dem Schreibtisch stehen haben.
Zur Person

Gee Rittenhouse

Rittenhouse arbeitet seit 1993 bei den Bell Labs und war einer der Initiatoren des Wireless Emergency Response Teams, das verschüttete Ground-Zero-Opfer über deren Handy-Signale aufspürte. Er erhielt einen Bachelor of Science von der University of California, Los Angeles (UCLA), und promovierte am Massachusetts In-stitute of Technology (MIT) in Elektrotechnik und Informatik .

Im Jahr 2000 wurde Rittenhouse zum Leiter des Wireless Technology Research Departement ernannt und war die treibende Kraft hinter Projekten zu MIMO-Systemen (Multiple Input, Multiple Output), Netzwerkoptimierung sowie drahtlosen IP- und 4G-Netzwerken. 2001 erhielt er die höchste unternehmensinterne Auszeichnung, den Bell Labs Fellow. Rittenhouse hält mehrere Patente und ist Autor zahlreicher Bücher.



Das könnte Sie auch interessieren