ZAS 03.07.2014, 13:29 Uhr

Das läuft alles schief in der AHV-IT

Dass in der Bundes-IT einiges nicht rund läuft, ist bekannt. Ein Bericht über die IT-Abteilung der ZAS beweist aber, dass für manche IT-Eskapaden der Verwaltung neue Wörter erfunden werden müssten. Illegale Beschaffungen, Verschwendung von Steuergeldern, ignorierte Kontrollinstanzen, Mitarbeiterproteste. Hier kommt alles zusammen.
Der Hauptsitz der ZAS in Genf.
Die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) war über Jahre hinweg unzufrieden mit der Leistung des Bundesamts für Informatik (BIT), an die man die IT-Systeme nach der Reorganisation der Informatik und Telekommunikation in der Bundesverwaltung (Projekt NOVE-IT) auslagern musste. Darum erhielt man vom Bundesrat 2012 die Sondergenehmigung, IKT-Leistungen im Bereich der Fachanwendungen wieder selbst zu erbringen. Wie sich in der letzten Zeit herausstellte, hätte der Bundesrat besser den Status Quo beibehalten. Der «Tages-Anzeiger» deckte auf, dass die ZAS die Freiheiten nutzte, um zahlreichte IT-Projekte unrechtmssig zu vergeben. Um diese Vorfälle zu vertuschen, wurde ein anderes Projekt absichtlich zum Absturz gebracht. Als Folge der Ungereimtheiten wurde die damalige ZAS-Direktorin und damit oberste Verwalterin der AHV-Gelder, Valérie Cavero, entlassen. Wer von den Verantwortlichen gehofft hatte, dass damit die Sache für die Ausgleichsstelle damit beendet war, sah sich getäuscht. Untersuchungsberichte zeigen heute, wie überfordert die ZAS mit der Erbringung der IT-Dienstleistungen gewesen ist. Und wie stümperhaft man dabei vorging.

Überteuerte, nutzlose externe Angestellte

Mit dem Bundesratsentscheid wurde 2012 das bis anhin vom Bundesamt für Informatik BIT betriebene Lösungszentrum Genf in die ZAS integriert und in kurzer Zeit eine neue Informatikabteilung, genannt GETI, aufgebaut. Die Abteilung beschäftigt derzeit 100 Mitarbeiter. Selbstverständlich ging man bei der ZAS davon aus, mit GETI schnell bessere Arbeit zu liefern als es das BIT getan hatte. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) muss aber zwei Jahre später feststellen, «dass weder bei der Weiter-/Neuentwicklung von Fachanwendungen, noch bei den Kosten und auch nicht bei der Kundenzufriedenheit spürbare Verbesserungen eingetreten sind.» Zudem konnte die EFK keine «stichhaltige Erklärung» finden, warum bei GETI «zahlreiche Externe über Jahre weiterbeschäftigt wurden, obschon deren ursprüngliches Tätigkeitsfeld mittlerweile mit internen Mitarbeitenden besetzt ist.» Aus Sicht der EFK besteht ein Risiko darin, dass zahlreiche Schlüssel-und teilweise auch Führungsfunktionen mit externen Kräften über sehr grosse Zeiträume hinweg besetzt wurden. 2013 waren 52 Personen beziehungsweise 33,8 FTE als temporäre Mitarbeiter angestellt. Ihre Kosten beliefen sich auf rund 7,9 Millionen Franken. Das entspricht einem durchschnittlichen Jahressalär pro FTE von 233 346 Franken. «Im Vergleich zur fehlenden Erfolgsschuld» sei dieser Betrag zu hoch, sagt die EFK. Begründete vakante Stellen sollten daher rasch möglichst intern besetzt werden, rät die Finanzkontrolle.

Machtlose Kontrollinstanzen

Eine Kontrollinstanz hätte möglicherweise verhindern können, dass externe Ressourcen überflüssigerweise genutzt werden. Die ZAS verfügt denn auch über den Dienst «contrôle de gestion», der mit systematischen Analysen dafür sorgen sollte, dass die Finanzmittel korrekt und nachvollziehbar verwendet werden. Obwohl die Stelle gemäss EFK aber mehrfach auf Missstände in Sachen Externe Mitarbeiter hinwies oder darauf aufmerksam machte, dass IT-Projekte trotz laufenden Zahlungen an externe Firmen keinen nachvollziehbaren Fortschritt aufweisen, tat sich nicht. Alle Verbesserungsvorschläge seien abgelehnt worden oder unbearbeitet geblieben, stellt die EFK konsterniert fest. Da der Dienst keinen direkten formellen Zuang zum ZAS-Direktor hat, bestünden in Zukunft noch weniger Chancen, dass Feststellungen bezüglich GETI «überhaupt zur Kenntnis genommen werden», schreibt die EFK. Und schlägt vor, dass der Dienst direkt dem ZAS-Direktor unterstellt wird. Die ZAS überlegt es sich. Es gibt darüber hinaus ein internes Inspektorat bei der ZAS, das prüft, ob die Vorgaben des Bundes und auch die internen Weisungen der ZAS eingehalten werden. Auch diese Stelle machte die ZAS-Führung mehrfach auf Mängel aufmerksam, diese reagierte aber mehrheitlich nicht. Das Inspektorat ist im Gegensatz zu «contrôle de gestion» zwar dem ZAS-Direktor unterstellt, hatte aber offenbar kein offenes Ohr bei ihm. Die EFK empfiehlt darum, das Inspektorat der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) zu unterstellen. Die EFV will die Empfehlung «vertieft prüfen». Lesen Sie auf der nächsten Seite: Infrastrukturprobleme 

Veralteter Mainframe, grosses Durcheinander

Immerhin wurde der laufende Betrieb ?mit wenigen Ausnahmen ? von GETI stabil gehalten. Allerdings müssten dafür bei der IT-Architektur Abstriche gemacht werden, moniert die EFK. Die Mainframe-Plattform sei veraltet. Zahlreiche kritische Anwendungen zur Rentenberechnung-/zahlung, die darauf laufen, würden nicht mit der notwendigen Priorität angegangen. Immerhin werden darüber monatlich Zahlungen von rund einer halben Milliarde Franken an beinahe 900 000 Empfänger getätigt. Nicht nur die Architektur ist veraltet, auch die Prozesse an sich. «Die gesamte systemische Abwicklung der Rentenzahlungen ist kaum nachvollziehbar», schreibt die EFK. Kontrollen über die ausgeführten Zahlungen könnten nur sehr rudimentär durchgeführt werden und es finden mehrfache Medienbrüche mit manuellen Eingriffsmöglichkeiten statt. Der Gesamtbetrag an bezahlten Renten kann für eine einzelne Person nicht automatisiert berechnet werden. Die Zahlungsdaten werden zudem auf verschiedenen Systemen verarbeitet und gelagert, die den bundesweiten Sicherheitsanforderungen nicht genügen. Nun müssen genaue Termine und Optionen für die Ausserbetriebsetzung der veralteten Infrastruktur und die Migration der Anwendungen festgelegt werden, fordert die EFK.

Schlechtes Arbeitsklima

Nicht nur Systeme, auch die Angestellten stehen in der Kritik. Die EFK stellt fest, dass das Arbeitsklima in der ZAS verbessert werden muss, um die notwendigen Veränderungen und Weiterentwicklungen auch in der Informatik zu ermöglichen. Das bisher herrschende «Silodenken» müsse ad acta gelegt werden, dafür müsse besser mit Kritik umgegangen werden. Auffallend waren in der Vergangenheit krankheitsbedingte Abwesenheiten von «unbequemen» Mitarbeitenden der ZAS. Immerhin konnten in einigen Bereichen Anzeichen für einen Kulturwandel festgestellt werden. Die neue ZAS-Führung müsse nun den Weg «zu einer von gegenseitigem Vertrauen geprägten Unternehmenskultur konsequent fortzuführen und wo nötig auch durchzusetzen».

Kompetenzenregelung? Nicht bei der ZAS

Der neue ZAS-Direktor, die Stelle wird momentan ad interim von Jean-Pierre Kuhn besetzt, wird sich nicht über fehlende Arbeit beklagen können. Denn wie dilettantisch bei der ZAS bisher gearbeitet wurde, zeigt folgende Beurteilung der EFK zur Unterschriftenregelung: «In der ZAS existierte jahrelang lediglich eine Liste der Mitarbeitenden, welche über die Berechtigung zur Rechnungsfreigabe verfügten. Wer Verträge abschliessen oder Einkäufe tätigen durfte und bis zu welcher Höhe die Kompetenzen der Unterschriftsberechtigten gingen, war bis September 2013 ungeregelt. Dies hat in der Vergangenheit zu verschiedensten Ungereimtheiten geführt. So hatte Valérie Cravero zumindest mit einer Firma Verträge mit Einzelunterschrift abgeschlossen (Vertrag aus dem Jahr 2008) und die nachfolgenden Rechnungen in der Höhe von 750 000 Franken alleine zur Zahlung freigegeben. Weiterhaben bis ins Frühjahr 2013 temporär angestellte Mitarbeitende die Fakturen von ebenfalls externen Mitarbeitenden zur Zahlung freigegeben, teilweise sogar von Firmen, in denen sie vorgängig selber Angestellte waren. Die Weisung, welche weitergehende Regelungen beinhaltet, lag mehrere Monate unbeantwortet in der Direktion und wurde erst dann in Kraft gesetzt, als die EFK bereits vor Ort die IT-Beschaffungen einer ersten Sichtung unterzogen hatte.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: das Schlimmste zum Schluss

Keine Beschaffungskompetenz? Ignorieren.

Zudem bestätigt die EFK die bereits aufgedeckten Beschaffungsprobleme und schreibt, dass die ZAS seit 2012 IT-Beschaffungen selbst durchführte, obwohl sie nie die Berechtigung dafür hatte: «Alle bisher getätigten IT-Beschaffungen sind mit einer Ausnahme ausserhalb des gesetzlichen Rahmens abgelaufen.» Damit nicht genug: die ZAS liess die Beschaffungen durch einen externen temporären Angestellten durchführen, der nicht einmal über die nötige Qualifikation verfügte. Und hat seit einem halben Jahr eine weitere externe Person für den Einkauf angestellt, die keine «ausreichende Ausbildung» im Einkaufsbereich mitbringt. Das ist aber nicht mal so entscheidend, denn die ZAS dürfte ohnehin kein Einkäufer sein sondern müsste alle Beschaffungen über das Bundesamt für Bauten und Logistk (BBL) abwickeln. Um zu verdeutlichen, was alles schief lief, ein kleiner Auszug aus dem EFK-Bericht dazu: «Von Mai 2012 bis März 2014 wurden 59 Beschaffungsgeschäfte durch die ZAS getätigt. Alle ausser eines wurden freihändig Vergeben, obwohl das BBL für alle verantwortlich gewesen wäre. Ausser bei drei Verträgen fehlen alle Begründungen für die freihändigen Vergaben. Die drei vorhandenen Begründungen sind auf unvollständig ausgefüllten Formularen erfasst und genügen den Anforderungen ebenfalls nicht.»

Vertrauenscontrolling Fehlanzeige

Bis zum Abschluss der Revision verlangte die EFK die effektiven Abrechnungen der 59 IT-Verträge. Diese wurden nicht geliefert. Somit fehle ein Vertrauenscontrolling, sagt die EFK. Zu hohe, wettbewerbslose Preise und qualitative Probleme können die Folgen sein. Zudem konnte die ZAS zu keiner der getätigten Beschaffungen Vertraulichkeitserklärungen der vertraglich gebundenen Personen vorlegen. Hingegen wurden alle Verträge mit der standardisierten Vertragsklausel zur Vertraulichkeit gegenüber den vertragsnehmenden Firmen verfasst und unterschrieben. Die EFK fordert, dass die ZAS ab sofort sämtliche IT-Beschaffungsgeschäfte über die zentralen Beschaffungsstellen des Bundes abwickelt. Die ZAS schreibt, dass man diese Forderung bereits umgesetzt hätte. Seit Juni 2014 sei ein neuer Beschaffungsprozess in Kraft, der von der ZAS-Führung genehmigt wurde.



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