19.12.2016, 11:30 Uhr

Der Kanton Zürich will «papierarmes» E-Voting

Der Kanton Zürich hat seine E-Voting-Strategie im Detail erklärt. Er strebt eine flächendeckende Einführung an, braucht aber für sein Vorhaben zuerst das OK des Bundes.
Der Bundesrat hat kürzlich (am 2. Dezember) den Kantonen Bern, Luzern, Basel-Stadt, Neuenburg und Genf eine Bewilligung zur Durchführung von Online-Abstimmungen erteilt, nachdem Fribourg schon letztes Jahr die Erlaubnis erhielt. Die Bewilligungen gelten ab dem Urnengang vom 12. Februar 2017 für zwei Jahre. In all diesen Kantonen steht der elektronische Weg aber nur Auslandschweizern und allenfalls einem Teil der Inlandschweizer offen. Mit anderen Worten, es handelt sich immer noch um Versuchsprojekte. Vor diesem Hintergrund hat das Statistische Amt des Kantons Zürich nun über den gegenwärtigen Stand der Dinge im bevölkerungsreichsten Kanton informiert. Grundsätzlich gibt beim E-Voting der Bund die Richtung vor, die konkrete Umsetzung ist allerdings Sache der Kantone (in Zusammenarbeit mit den Gemeinden). Der Kanton Zürich experimentiert bereits seit 2004 mit E-Voting, gehört also zu den Pionieren in der Schweiz. Trotzdem (oder gerade deswegen) gehört Zürich nun nicht zu den Kantonen, in denen E-Voting 2017 möglich sein wird. Die Gründe dafür hat Stefan Langenauer, Chef des Statistischen Amts, an der Informationsveranstaltung erkärt. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Das, was die anderen Kantone testen, hat der Kanton Zürich bereits bis 2011 ausprobiert und sieht daher keinen Bedarf für weitere Tests. Nach der Testphase 2008-2011 kamen die Verantwortlichen zum Schluss, dass sich erst die Rahmenbedingungen ändern müssen, damit weitere Versuche mit E-Voting einen Sinn haben. Denn unter den bisherigen Rahmenbedingungen war E-Voting sowohl für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger als auch für die Behörden zu kompliziert. Anders als erwartet erhöhte sich auch die Stimmbeteiligung nicht.
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Papierkrieg trotz E-Voting

Zu den neuen Rahmenbedingungen für weitere E-Voting-Versuche gehört unter anderem ein zentrales Stimmenregister, das bislang auf die einzelnen Gemeinden verteilt ist. Ausserdem soll das System dadurch vereinfacht werden, dass es komplett ohne Papier auskommt. Der Identitätsnachweis müsste dann ebenfalls elektronischem Weg geschehen, zum Beispiel mit der SuisseID oder einer ähnlichen Methode. Vor allem aber fehlt auf Bundesebene bislang eine Rechtsgrundlage für papierloses E-Voting, und in Bern scheint man es nicht besonders eilig zu haben, dies zu ändern. Die Zürcher planen daher im nächsten Schritt ein Verfahren, das sie «papierarmes E-Voting» nennen. Der Stimmrechtsausweis wird dabei weiterhin per Post verschickt. Er enthält für jeden Stimm- und Wahlvorgang einen individuellen Code, wodurch sich Stimmberechtigte authentifizieren. Alle weiteren Papierunterlagen (Stimm- und Wahlzettel, Abstimmungsunterlagen zur Information) will der Kanton Zürich jedoch den E-Votern nicht versenden. Die Abstimmungsunterlagen sollen online verfügbar sein, und die Stimmzettel sind im Prinzip überflüssig ? allerdings nur, wenn man im Voraus weiss, dass jemand per E-Voting abstimmt. Aus diesem Grund muss nach der Idee der Zürcher jeder Stimmbürger im Voraus entscheiden, ob er den elektronischen oder den traditionellen Weg nutzen will. Das heisst, er muss sich fürs E-Voting-Verfahren anmelden. Natürlich könne er später auch wieder zurück zum Papier, so Langenauer, aber dafür ist dann eine Abmeldung vom E-Voting nötig. Im Unterschied dazu standen bei den bisherigen E-Voting-Versuchen den betroffenen Bürgern bei jedem einzelnen Urnengang sämtliche Kanäle offen (allenfalls mit vorgängiger Registrierung fürs Online-Voting).  
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Weniger Aufwand

Was für die Stimmberechtigten eine kleine Komforteinbusse darstellt, spart der öffentlichen Verwaltung offenbar eine Menge Aufwand. Denn beim bisherigen Verfahren mussten die Behörden nicht nur eine Menge Papier versenden, sondern auch überprüfen, ob jemand nicht doppelt abstimmt (online und mit Papier). Daher wurde teilweise mit Rubbelcodes experimentiert: Fürs Online-Voting musste auf dem Stimmrechtsausweis ein Code freigerubbelt werden. Dadurch mussten bei Voten per Brief oder Urne lediglich diejenigen nachgeprüft werden, bei denen der Code freigerubbelt wurde. Andererseits ist ein Papier mit Rubbelcode auch teurer. Mit dem «papierarmen» E-Voting wäre der Kanton Zürich sowohl die Kosten für die Rubbelcodes als auch für die manuelle Prüfung los. «Wenn wir schon E-Voting machen, sollte es auch günstiger sein», bringt es Langenauer auf den Punkt. Denn mit der Briefabstimmung gebe es ja bereits ein Verfahren, das gut funktioniere und praktisch sei. Man will allerdings jetzt zuerst sicher gehen, dass der Bund mit der von Zürich angestrebten Richtung einverstanden und das «papierarme» Vorgehen mit geltendem Recht vereinbar ist. Dies soll irgendwann im ersten Quartal 2017 feststehen. Ganz offensichtlich will der Kanton Zürich nicht wieder viel Aufwand in etwas stecken, was dann nur kurz oder gar nicht zum Einsatz kommt. Wir erinnern uns: Zürich hat jahrelang (zusammen mit anderen Kantonen) an einer E-Voting-Lösung gearbeitet, die dann 2015 vom Bund abgelehnt wurde, worauf sich das Konsortium aufgelst hat und das Projekt eingestampft wurde.

Weiterhin im Schneckentempo

Das papierarme Voting würde die Voraussetzungen schaffen für ein kosteneffizientes flächendeckendes E-Voting. Doch selbst wenn alles glatt läuft, wird dieses wohl erst nach den Wahlen 2019 eingeführt. Der Zeitplan sieht einen Regierungsratsbeschluss zum weiteren Vorgehen im Sommer 2017 vor, und danach eine potenzielle GPR-Revision, die 1 bis 2 Jahre dauern kann. Anschliessend dauert es noch einmal ein Jahr für WTO-Ausschreibung, Anbieterselektion und Systemeinführung. Anbieter sind bislang erst zwei bekannt: Die Post und der Kanton Genf, der seine Open-Source-Lösung auch anderen Kantonen offeriert. Eine Eigenentwicklung kommt laut Langenauer nicht in Frage, Anbieter aus dem Ausland seien jedoch prinzipiell denkbar.



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