07.06.2017, 15:00 Uhr

EPFL-Forscher arbeiten an virtuellem Patientenherz

Eine individuelle Computersimulation des Herzens könnte dereinst Medizinern helfen, Herzkrankheiten zu diagnostizieren. Forschende der ETH Lausanne (EPFL) stellen einen Prototyp eines solches virtuellen Patientenherzes mitsamt Aortenklappe vor.
Herzkreislaufkrankheiten sind weit verbreitet und seit Jahrzehnten die häufigste Todesursache in der Schweiz. Künftig könnten Mediziner ein neues Werkzeug haben, um ohne Operationen oder andere invasive Mittel die Diagnose zu stellen und die Behandlung zu planen: eine individuelle Computersimulation des Patientenherzens. Alfio Quarteroni und sein Team von der EPFL arbeiten an einem solchen mathematischen Modell des Herzens und seiner Funktion, das sich durch Patientendaten individualisieren lassen soll. Denn jedes Herz ist ein bisschen unterschiedlich. Nun ist es den Forschenden gelungen, ihrem Herzmodell auch die Aortenklappe mit ihrer komplexen Struktur hinzuzufügen, wie die Hochschule am Mittwoch mitteilte.

Rekonstruktion mit MRI-Bildern

Mithilfe von Magnetresonanztomografie (MRI)-Bildern eines Patienten konnten die Forschenden die Form der Aorta rekonstruieren und virtuell darstellen. Indem sie die Mechanik der Aorta mathematisch charakterisierten, gelang es ihnen, die Bewegung der drei Segel der Aortenklappe zu beschreiben. Schliesslich fügten sie noch die Simulation der Bewegung des Blutes hinzu. Davon berichten sie im Fachblatt «Biomechanics and Modeling in Mechanobiology». «Eine mathematische Beschreibung einer Aortenklappe und ihrer Interaktion mit dem Blutfluss existiert zwar in der Literatur, aber nicht in diesem Detail für einen spezifischen Patienten», liess sich Quarteroni in der Mitteilung zitieren. Selbst bei dieser noch vorläufigen Version des virtuellen Herzens liesse sich die Anpassung an einen anderen Patienten relativ einfach vornehmen mit einem neuen Satz an MRI-Bildern, hiess es weiter.

Fernziel virtuelles Herzkreislaufsystem

Die langfristige Vision des EU-finanzierten Projekts iHeart, dessen Leiter Quarteroni ist, besteht darin, das komplette Herzkreislaufsystem Patienten-spezifisch zu simulieren, mitsamt dem Herzen in all seiner Komplexität, sämtlichen Blutgefässen und den rund fünf Litern Blut, die im Körper zirkulieren. «Wenn wir Erfolg haben, wird iHeart Medizinern helfen, wichtige Fragen in der Diagnostik und Behandlung effizient anzugehen», so Quarteroni. Dieses nicht-invasive «mathematischen Mikroskop» werde zudem eine einzigartige Forschungsumgebung schaffen, um das Herz und Erkrankungen des Herzkreislaufsystems zu erforschen. Bis es soweit ist, wird es allerdings noch dauern, um die spezifische Simulation der Herzfunktion mathematisch robust für jeden einzelnen Patienten abzubilden. Zwar könnten erste Prototypen des Herzmodells für die klinische Anwendung in den nächsten fünf Jahren entwickelt und getestet werden. Bis das virtuelle Patientenherz Einzug in die Praxis hält, könnten aber noch zehn Jahre vergehen, schätzt Quarteroni.



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