E-Mail
31.12.2010, 07:12 Uhr
Das Ende naht
Am Arbeitsplatz der Zukunft hat E-Mail nichts mehr zu suchen. Dies meint zumindest Philipp Rosenthal, Future Office Evangelist bei Tieto. Was noch so alles auf künftige Arbeitnehmer zukommt, hat er im Gespräch mit unseren Kollegen von der deutschen Schwesterpublikation "Computerwoche" verraten.
CW: "Future Office Evangelist" ist eine etwas ungewöhnliche Bezeichnung. Wie lautet Ihre Stellenbeschreibung? ROSENTHAL: Meine Arbeit ist der Klebstoff zwischen Produkt-Management, Marketing und Vertrieb. Ich kümmere mich um die Weiterentwicklung unseres Portfolios, produziere Inhalte für Vertrieb und Marketing und halte interne Schulungen für unsere Mannschaften. Ich stehe für die Philosophie eines Social-Media-inspirierten Arbeitsplatzes mit meinem Namen.CW: Wie sieht denn so ein Social-Media-inspirierter Arbeitsplatz aus? ROSENTHAL: Soziale Medien führen zu Verhaltensweisen, die wir uns von den Information Workern wünschen: teilen, sich mitteilen, über fachliche und geografische Grenzen hinweg Netzwerke und Beziehungen aufbauen. Unser Future-Office-Konzept entwickelt das Intranet zu einer Kommunikationsplattform als gemeinsame Basis für Austausch, Kollaboration, Vernetzung und Wertschöpfung weiter. Ausserdem haben alle an einem Projekt Beteiligten zeit- und ortsunabhängig Zugriff auf Anwendungen und Datenbanken und können in virtuellen Meeting-Räumen Dokumente gemeinsam bearbeiten. Ein wichtiger Bestandteil sind Mitarbeiter-Profile à la Xing, die neben Kontaktdaten und beruflichen Qualifikationen auch die letzten Einträge in internen Blogs und Wikis enthalten. Der nächste vor allem arbeitskulturell grosse Schritt wird das Ablösen von E-Mail im Bereich von Status-Updates und projektbezogenen Informationen sein. Dort werden wir auf kontextuelles Micro Blogging umsteigen - dieses wird sich dann auch in den persönlichen Profilen wiederfinden.CW: Was ist der Gradmesser Ihres Erfolgs und welche Hebel können Sie bewegen, um ihre Ziele zu erreichen? ROSENTHAL: Die Erfolgsindikatoren sind harte Zahlen - Umsatz und Gewinn. Zur Sicherung der Performance setze ich auf drei Faktoren: erstens die Vertriebsziele, die ich mit den Kollegen aus Marketing, Vertrieb oder Software Engineering habe. Zweitens, den Aufbau von Kompetenzen im Future-Office-Umfeld, den wir vorantreiben. Und schließlich die Begeisterung für das Thema, die ich mit meiner Arbeit intern und extern zu wecken versuche.CW: Wie kann man sich die "Evangelisierung", die Erzeugung dieser Begeisterung, konkret vorstellen? ROSENTHAL: Vor allem muss man konsistent sein: Wenn ich für einen Arbeitsplatz werbe, der sich an den Prinzipien von Social Media orientiert, muss ich selbst diese Prinzipien anwenden. So betreibe ich die interne Vermarktung auf Basis einer Community. Dort finden sich alle Informationen rund um das Thema. Darüber hinaus hat die Community einen Blog. Das ist mein Hauptinstrument für die Kommunikation mit meinen "Followern": Auf diese bin ich für meinen Erfolg angewiesen, denn ich habe keine direkten Mitarbeiter, ich muss also überzeugen! Ausserdem gibt es ein Wiki, so etwas wie meine "Microsite" für Informationen, die man sich nicht zwingend in einem Dokument herunterladen muss. E-Mail: Überstrapaziert und ineffizient CW: Verwenden Sie gar keine klassischen Kommunikationskanäle wie E-Mail oder Telefon? ROSENTHAL: In der Kommunikation mit meiner Community verzichte ich darauf - wenn man ein, zwei spezifische Anlässe mal ausklammert. Im Projektgeschäft - also der aktiven Arbeit mit und für Kunden - schreibe ich natürlich E-Mails. Aber mittelfristig werde ich auch die interne Kommunikation im Projektumfeld auf Microblog und Activity Stream umstellen. E-Mail ist überstrapaziert und einfach vollkommen ineffizient.CW: Müssen Sie Ihre Tweets und Blog-Beiträge von der Kommunikationsabteilung genehmigen lassen? ROSENTHAL: Nein, das würde allein schon angesichts der Vielzahl meiner Aktivitäten im Rahmen der "Evangelisierung" nicht funktionieren und auch der Grundidee des Ganzen zuwiderlaufen: Authentisch zu sein ist die wichtigste Regel beim Einsatz von Social Media überhaupt. Aber mir ist bewusst, dass meine Aussagen direkt auf unsere Organisation zurückfallen. Deshalb agiere ich in enger Abstimmung mit unserer Kommunikationsabteilung und den Richtlinien des Unternehmens.CW: Natürlich ist Begeisterung für ein Thema wichtig. Aber es gibt doch sicher auch "harte" Voraussetzungen für den Erfolg eines Future Office! ROSENTHAL: Als Unternehmen darf man den Aufwand für das Change-Management nicht unterschätzen. Denn es sind nicht die IT-Plattformen, die den Ausschlag geben, sondern die Firmenkultur. Und die Menschen müssen die neuen Möglichkeiten für sich auch einzusetzen wissen. Das erreicht man nicht mit einem Handbuch, da muss man auch mal Händchen halten.CW: Ist Future Office Evangelist eine Rolle, die wir in Zukunft häufiger sehen werden? Stecken darin vielleicht sogar neue Karrierewege für Berufseinsteiger? ROSENTHAL: Mit den Digital Natives wächst eine Generation heran, der traditionelle Formen der Organisation und Kommunikation nicht mehr gerecht werden. Früher oder später müssen sich alle Organisationen und Unternehmen auf diese Veränderungen einstellen, wenn sie im Wettbewerb um Kunden und Talente erfolgreich sein wollen. Und dafür werden sicherlich "Veränderungsagenten" dringend gebraucht, ob sie nun Evangelisten heißen oder nicht. Ob das aber eine Aufgabe für Berufseinsteiger ist? Man braucht für diese Rolle nicht nur fachliche Fähigkeiten. Wichtig sind politisches Geschick, Verständnis für Rollen und Funktionen in einem Unternehmen und Kommunikationsfähigkeit. TietoDer IT-Dienstleiter Tieto wurde 1968 in Finnland gegründet, schloss sich 1999 mit dem schwedischen Konzern Enator zusammen zu Tieto Enator. Seit dem Frühjahr 2009 heisst das Unternehmen nur Tieto. Der Konzern aus Skandinavien beschäftigt weltweit 17'000 Mitarbeiter und zählt sich zu den grossen IT-Dienstleistern Europas. Tieto bietet Services für die Bereiche IT, Beratung sowie Forschung und Entwicklung an.