Durchblick im Meinungsdschungel

Ob zur gleichgeschlechtlichen Ehe, staatliche Massenüberwachung oder Todesstrafe: Es gibt wohl kein Thema, das im Internet nicht kontrovers diskutiert wird. Für Durchblick durch den Meinungsdschungel soll künftig ObViz sorgen, ein Tool, das am Labor für künstliche Intelligenz der ETH Lausanne entstanden ist. Das Werkzeug analysiert, was über ein Thema geschrieben wurde, und legt danach klar aus, welche Meinungen es gibt und fasst die Hauptargumentationsweisen zusammen. Auf die Idee für ObViz - opinion-based visualisation - kam EPFL-Forscher Claudiu Musat nach der Finanzkrise 2008. «Damals habe ich meine Ersparnisse verloren», berichtet er. Erst im Nachhinein fand er heraus, dass einige Wirtschaftswissenschaftler und -experten vor der Krise gewarnt hatten. «Ich war überrascht. Obwohl ich gedacht hatte, dass ich Alles zum Thema gelesen habe, hatte ich von diesen Ansichten nie etwas gehört», fügt Musat an. «Auch heute ist es schwierig, sich seine eigene Meinung zu gewissen Themen wie Impfzwang und Tierrechte zu machen, denn die Diskussion wird jeweils von Aktivisten im Netz beherrscht», meint Musat. Hier setzt die halb-automatisierte Analyse von ObViz ein. Das Ergebnis ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ansichten und Argumente zu einem Thema. «Die Strukturierung der Debatte ist sehr wichtig. Denn im Meinungsdschungel wird nur die lauteste Meinung gehört», so Musat. Noch braucht ObViz den Menschen für seine Beurteilung. Zur Zeit läuft das Tool nur auf Seiten, auf denen das Maskottchen ObVee anzutreffen ist. Hier sind es denn auch die User, die dem Tool bei der Auswahl und Gewichtung von Argumenten helfen. Dank dieses menschlichen Feedbacks lerne die ObViz-Webseite gewisse Satzstrukturen zu erkennen, erklärt der Forscher. Dadurch werde das System, das derzeit aber nur Englisch versteht, immer genauer.