09.01.2012, 12:03 Uhr

Cisco beamt den Arzt in die Apotheke

Cisco und Swisscom rüsten 200 Schweizer Apotheken mit dem Videoübertragungssystem TelePresence aus.
Via Videokonferenz kommt der Arzt auch in die Apotheke
Das auf zwei Jahre angelegte Pilotprojekt läuft ab sofort unter dem Namen «netCare» und ermöglicht telemedizinische Dienstleistungen. So können sich Patienten nach strukturierter und dokumentierter Erstberatung (Triage) direkt in der Apotheke per Video von einem Arzt beraten lassen. Ciscos TelePresence-System verbindet die Beratungsräume der Apotheken mit den Ärzten des Schweizer Zentrums für Telemedizin, kurz Medgate. Auf beiden Seiten kommt ein EX90-System zum Einsatz, ausgerüstet mit Mikrofon, Kamera und einem 24-Zoll-Bildschirm in Full-High-Definition-Auflösung. Laut Hersteller hat der Patient den Eindruck, dem Arzt gegenüberzusitzen, und der Arzt kann einfache gesundheitliche Probleme visuell begutachten. Bedienen lässt sich das Gerät mit Hilfe eines Touchscreens.

Das TelePresence-System ist nach Bedarf um zusätzliche Komponenten erweiterbar. Möglich sind beispielsweise Anschlüsse für Diagnosegeräte mit zusätzlichem Monitor zur Anzeige von Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur. Zudem ist das System in verschiedenen Sprachen einsetzbar.

Apothekergeheimnis und Haftung

Die Informationen zwischen Patient und Arzt werden Cisco zufolge über ein schnelles und sicheres Netzwerk übertragen. «Mit TelePresence gewährleisten wir eine sichere Datenübertragung, so dass die Vertraulichkeit vollständig gewährleistet ist», erklärt Martin Rüfenacht, Manager Healthcare bei Cisco Schweiz. Zum Schutz der Privatsphäre der Patienten findet die medizinische Abklärung ausserdem in einem abgetrennten Beratungsraum statt. Ärzte und auch Apotheker müssen sich an die ärztliche Schweigepflicht halten. Das Risiko der Triage trägt der Apotheker, wird via TelePresence ein Medgate-Arzt hinzu gezogen, haftet der Telemedizin-Anbieter. Initiant des Projekts ist der Schweizerische Apothekerverband, pharmaSuisse, in Zusammenarbeit mit Medgate und dem Krankenversicherer Helsana. «Durch die Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Ärzten und Versicherern leisten wir einen Beitrag zu mehr Effizienz und Qualität in der gesundheitlichen Grundversorgung», meint Dominique Jordan, Präsident von pharmaSuisse. Nächste Seite: hohe Investitionen notwendig Für das Projekt «netCare» und die Ausrüstung von Cisco sowie entstehen den teilnehmenden 200 Kosten in Höhe von rund 10'000 Franken pro Jahr, sagt Medgate-CEO Andy Fischer. Die Computer besitzen eine direkte und sichere Anbindung an die Infrastruktur von Medgate.
Medgate ist nach den Worten von pharmaSuisse-Präsident Dominique Jordan einer der wenigen Leistungserbringer, mit dem über innovative Versorgungsmodelle diskutiert werden konnte. «Seit fünf Jahren sprechen wir mit Ärzten und ihren Verbänden – ohne Ergebnis», konstatierte Jordan an einem Medienanlass am Montag in Bern. Nun sollen die Apotheken voran gehen: Vorhandene Ressourcen, die aktuell brach lägen, will «netCare» nutzen, um den drohenden Hausärztemangel zu kompensieren und Geld zu sparen.

Kosten für den Patienten

Die Aussicht auf tiefere Kosten, die im Idealfall an die Versicherten als reduzierte Beiträge weitergegeben werden können, waren ein Grund für Helsana, sich an dem Projekt zu beteiligen. «Der Apotheker als reiner Medikamentenhändler ist eine Verschwendung», meint Pius Gyger, Leiter Gesundheitspolitik bei der grössten Krankenversicherung der Schweiz. «Mit netCare werden Ärzte von Bagatellfällen entlastet und Kosten für vermeidbare Arztbesuche gespart, während gleichzeitig die Behandlungsqualität gesichert werden kann», nannte Gyger Argumente für einen Erfolg des Pilots. Helsana-Kunden werden die «netCare»-Leistungen vorerst kostenfrei beziehen können. Alle anderen Patienten zahlen 15 Franken für die Beratung in der Apotheke plus 48 Franken für eine Videokonsultation. Bestandskunden von Medgate werden «netCare» womöglich zu tieferen Preisen in Anspruch nehmen können, schloss CEO Fischer an. Eine Zielsetzung zu minimalen Patientenzahlen gibt es nicht, sagte pharmaSuisse-Sprecher Karl Küenzi auf Anfrage der Computerworld.



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