Computerworld Schweiz 07.06.2010, 14:43 Uhr

Wie alles begann

Am 12. Januar 1985 fiel der Startschuss zur ersten Schweizer Computerworld-Ausgabe. Ein ganz persönlicher Rückblick von Gebhard Osterwalder.
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Verlagsdirektor Gebhard Osterwalder hält eine druckfrische Computerworld in den Händen
Gebhard Osterwalder von 1985 bis 2008 Verlagsdirektor von Computerworld Schweiz, ist heute als Weinkolumnist u.a. in Uruguay unterwegs
«Ich muss noch schnell ins Büro», sagte ich zu meiner Frau an einem Samstagmorgen - es war der 12. Januar 1985. «Zum Mittagessen bin ich zurück.» Es sollte Sonntagabend werden...
Schuld war Axel Leblois. Ich hatte dem damaligen Vizepräsidenten von IDG für Zentraleuropa versprochen, den ersten Business-Plan für «Computerworld Schweiz» zu erstellen. Diese erste Wochenzeitung für EDV-Profis sollte im September 1985 lanciert werden. Ich hatte damals noch keinen Computer und musste die ganze Tabellenkalkulation mit acht Kostenstellen und achtundzwanzig Kostenarten - wohlgemerkt aufgeteilt auf zwölf Monate - von Hand ausrechnen. Und das alles für drei Jahre. Irgendwie schaffte ich es trotzdem. Am Montagmorgen konnte ich Monsieur Leblois in Paris stolz das Budget präsentieren, das bald darauf vom IDG Hauptsitz in Boston akzeptiert wurde.
Händeschütteln mit Bill Gates
Axel Leblois war während unseres Meetings auffallend unruhig, er müsse einen gewissen Mr. Bill Gates zum Mittagessen treffen und ich wüsste ja, was das bedeuten würde. Ich aber, völlig ignorant, hatte keine Ahnung, wer dieser Herr war. Einige Jahre später durfte ich Gates, einem Jüngelchen mit verstrubbeltem Haar, an einem IDC-Briefing in Frankfurt dann doch noch die Hand schütteln.
Einen guten Rat gab mir Axel Leblois damals in Paris mit auf den Weg: «Kaufen Sie sich einen IBM XT mit Lotus 1-2-3.» Ich verstand nicht ganz, was ein Computer mit einer asiatischen Blume zu tun haben sollte, aber Bänz Lüthi, der erste Chefredaktor von Computerworld, erklärte mir, dass es sich dabei um eine Tabellenkalkulation handeln würde. Eine wunderbare Erfindung!
Im Mai 1985 wurde es dann ernst. Zusammen mit Bänz Lüthi, Gregor Henger, unserem ersten Redaktor, und meiner Assistentin Merete Hvidt bezogen wir die Büroräume an der Witikonerstrasse in Zürich, wo sie heute noch sind. Die Redaktoren waren fleissig - am Rauchen (Gauloises Bleu ohne Filter) und Flippern (am Computer). Nebenbei, das muss ich doch noch sagen, installierten die beiden ein E-Mail-System - wohl eines der ersten in der Schweiz. IDG hatte sich zu diesem Zweck bei General Electric in einem Host eingemietet. Allerdings konnte man anfangs nur Textmails verschicken.
Merete und ich beschäftigten uns hauptsächlich mit der Suche nach Redaktoren, Verkäufern, Druckern, Adressbrokern, Vertriebsleuten und Mailorderspezialisten. Ich besuchte möglichst viele potenzielle Anzeigenkunden - der Empfang bei IBM zum Beispiel war äusserst frostig - unsere Schwesterzeitung, die deutsche Computerwoche, die damals auch in der Schweiz gelesen wurde, haute IBM ständig in die Pfanne.
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Durststrecke bis zum Ziel
Die schlimmste Woche meiner IDG-Zeit erlebte ich im Juni des gleichen Jahres in Luxemburg, wo ich am ersten weltweiten Managers Meeting teilnehmen durfte. Wir waren eine Woche lang in einem hässlichen Hotel eingesperrt, durften nicht einmal abends auf einen Apéro vor die Türe, spielten Managerspiele und bekamen ein grauenhaftes Essen vorgesetzt. Am letzten Abend fand die grosse Award-Verleihung statt: Pat MacGovern, heute noch Inhaber und Chairman von IDG, verkleidete sich als Fürst von Luxemburg, lobte die Mannschaft, schimpfte auf die Konkurrenz und verteilte Preise. Ich erhielt eine kitschige Wanduhr, die ich im Hotelzimmer liegen liess, sagte Axel Leblois, dass ich kündigen wollte, und flog nach Zürich zurück.
Axel gelang es jedoch, mich umzustimmen, und ich sollte dreiundzwanzig schnelle Jahre bis zu meiner Pensionierung im Schosse von IDG verbringen. Der guten Ordnung halber muss ich anmerken, dass die Managers Meetings lockerer und schöner wurden. Ich erinnere mich gerne an meine Aufenthalte auf Hawaii, Big Island und Maui, in Südkalifornien, Arizona und China. Na ja, Anchorage, Alaska, das war dann eher wieder ein Tiefschlag.
Im August 1985 wurde die Situation brenzlig, ausser Michael von Babo, der nur aushilfsweise bei uns arbeitete, später aber unser schärfster Konkurrent werden sollte, fanden wir keine weiteren Redaktoren. Am 10. September musste die erste, ich glaube 48-seitige Computerworld an der Swissdate in Basel aufliegen. Geplant hatten wir eigentlich nur 16 Seiten, aber wir waren dermassen mit Inseraten überschüttet worden, dass wir den Umfang massiv erhöhen mussten. Die Nacht vom 8. auf den 9. September arbeiteten wir durch, als die letzte Zeile geschrieben war, schlief Gregor selig vor dem Computer ein. Ich aber raste in die Druckerei, um die Stelleninserate zu umbrechen. Dann lief die Druckmaschine und spie die ersten zwanzigtausend Exemplare von Computerworld Schweiz aus.
Die Computerworld brach wie ein Gewitter über die Schweizer Computerszene herein. In der Ausgabe zum zehnjährigen Jubiläum schrieb Martin Meier, der viel zu früh verstorbene zweite Chefredaktor: «Ihre kritische Haltung brachte der Computerworld nicht nur begeisterte Leser, sondern auch schwarze Zahlen. Harsche Reaktionen, Inseratboykotte oder gar im Zorn abbestellte Abonnemente seitens der Computerhersteller gehörten zum Brot der frühen Jahre.»
Zurück zu den Wurzeln
Von Computern, obschon ich nach wie vor ein leidenschaftlicher Anwender bin, verstehe ich auch heute nur wenig. Dafür geniesse ich als Rentner umso mehr die schönen Seiten des Lebens. Als IDG mich damals geholt hatte, war ich einer der Herausgeber von «Vinum», der heute überall bekannten Weinzeitschrift. So bin ich nach meiner Pensionierung, nach dreiundzwanzig Jahren trockener Technologie, zurück zu meinen Wurzeln gekommen und betreue für das Edelmagazin «Seesicht», welches rund um den Zürichsee erscheint, eine Weinkolumne. Auf meiner kürzlichen Reise nach Uruguay habe ich die wohl beste Weinmacherin des Landes kennengelernt, Virginia Moreira de Stagnari. Sehen Sie nur, wie ich an ihrer Seite strahle, na ja, ein bisschen wenigstens.
Gebhard Osterwalder



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