Gastbeitrag
16.05.2022, 07:45 Uhr
Fünf-Punkte-Plan für Digitalisierungs-Boost
Nach wie vor ist bei vielen Firmen die Lücke zwischen den Möglichkeiten der Digitalisierung und deren Einsatz in der Unternehmensstrategie gross. Dabei wäre eine Beschleunigung der Digitalisierung ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Eine erfolgreiche digitale Transformation bedingt Entschlossenheit in den Chefetagen
(Quelle: Shutterstock/Funtap)
Wenn Unternehmen ihre strategische Ausrichtung auf den Prüfstand stellen, tun die Strategen gut daran, neben den eigenen Kennzahlen auch das gesamte Ökosystem einzubeziehen: Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens im Hinblick auf die Digitalisierung? Der unlängst vorgestellte Digitalisierungsindex der EU-Kommission mag dabei richtungsweisend sein.
Auch diese europäische Umfrage verdeutlicht, dass Cloud Computing schon im ersten Corona-Jahr angezogen hat, wobei grosse Unternehmen die damit einhergehenden Möglichkeiten stärker forciert haben. Bei der erweiterten Digitalisierung des Geschäftsbetriebs zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Fortschrittliche digitale Technologien, die über die Nutzung von Cloud-basierten Applikationen für Office-Anwendungen, ERP oder HR hinausgehen, standen erst zögerlich auf der Tagesordnung.
Die gesteckten Ziele von 75 Prozent Nutzung bis zum Ende der digitalen Dekade im Jahr 2030 liegen noch in weiter Ferne. Andererseits zeigt der Digitalisierungsindex, dass der Infrastrukturausbau in Richtung Breitbandkonnektivität grosse Fortschritte gemacht hat. Es klafft also eine Lücke zwischen den bereits vorhandenen Möglichkeiten der Digitalisierung und deren Einsatz in der Unternehmensstrategie.
2022 wird kein Jahr zum Ausruhen
Jede Geschäftsleitung sollte sich in der Pflicht sehen, die Digitalisierungsstrategie und -agenda erneut zu prüfen aufgrund des steigenden Drucks auf die Margen. Es gilt, die Ziele den Marktbedingungen und neuen technischen Möglichkeiten anzupassen. Digital-Disruption ist längst keine Theorie mehr, sondern hat viele alteingesessene Unternehmen bereits eingeholt. Ein Beibehalten der Wettbewerbsfähigkeit im Angesicht einer wachsenden Zahl an digitalen Newcomern sollte dabei ausreichender Motivator sein, das Verfassen der eigenen digitalen Agenda zu beschleunigen. Die Cloud bietet nicht nur Start-ups die Grundlage für den Aufbau digitaler Angebote, sondern ermöglicht auch die Prozessoptimierung traditioneller Produktionsabläufe oder Serviceangebote etablierter Unternehmen.
Ganz neue Potenziale lassen sich durch das Industrielle Internet der Dinge IIoT, Edge Computing und den 5G-Funkstandard erschliessen. Was für die IT-Abteilung längst zum gängigen Alltagsvokabular gehört, muss aber oft noch Einzug in die Führungsetage halten, um eine Neuausrichtung des Geschäftsbetriebs für die digitale Dekade voranzubringen. Die folgenden fünf Punkte sollen motivieren, die Umsetzung der digitalen Agenda zu beschleunigen.
Eigene digitale Story entwickeln
Zu Beginn müssen die digitalen Möglichkeiten erkannt werden, die sich für das eigene Unternehmen bieten. Steigender Kostendruck auf die Margen – auch bedingt durch die Pandemie – mag dabei helfen, den Anstoss für Veränderungsprozesse einzuleiten. Es stellt sich die Frage, wie die Kosten aus dem Produkt oder der Dienstleistung herauszubekommen sind durch eine gesteigerte Agilität oder Automatisierung der Abläufe.
Es gilt, die eigene digitale Story auf Basis eines ganzheitlichen Business Assessments zu entwickeln. End-to-End-Prozess-Digitalisierung sollte hier das Ziel sein. Die Automatisierung von Abläufen und die Implementierung von digitalen Kunden-Interfaces sind ein erster Schritt zur Prozessoptimierung und damit zu Produktivitätsgewinn.
Wandel der IT zum Business Enabler
Die IT-Abteilung muss sich der Herausforderung stellen, aus der internen, administrativen IT zum echten Business Enabler zu avancieren und auch als solcher anerkannt zu werden. Dementsprechend muss das Ziel für den CIO lauten, eine Position im Vorstand zu erhalten. Mit der Digitalisierung des Kerngeschäfts sollte die IT in den Fokus rücken. IT-Abteilungen, die diesen Wandel nicht mitgehen, finden dann in der Regel eine zweite IT unter einem CTO oder CDO neben sich. Dieses organisatorische Setup mag funktionieren, hat sich in der Praxis aber nicht als effizient und oft als mit Spannungspotenzial behaftetes Modell erwiesen.
Für die IT ist es entscheidend, der Rolle als Enabler der Optimierung, Automatisierung und Innovation gerecht zu werden. Dabei ist die ganzheitliche Betrachtungsweise erforderlich, die neben der Anwendungsebene die Ebene der Netzwerkinfrastruktur, die Konnektivität und zeitgleich auch die Sicherheit einbezieht.
Verknüpfung der Geschäftsziele mit einer Digitalisierungsstrategie
CIOs müssen den Mut haben, klare KPIs vorzulegen, wie ihre Digitalisierungsstrategie die Ziele der Geschäftsleitung messbar unterstützen, um Extrabudgets freizusetzen. Ein klarer Bezug zwischen Digitalisierungsstrategie, IT-Strategie und Unternehmenszielen stellt die Grundlage für den Erfolg dar. Die Cloud ist dabei nicht das Ziel, sondern nur ein Vehikel neben anderen zur Optimierung des IT-Delivery-Modells.
Wie lassen sich die Geschäftsziele darüber hinaus durch den Einsatz moderner Technologien wie 5G, Edge Computing, Big Data Analytics, künstliche Intelligenz oder Virtual Reality unterstützen? Die gesammelten Daten müssen intelligent ausgewertet und als Grundlage für die Prozessoptimierung herangezogen werden. Unternehmen sitzen auf einem enormen Schatz von Daten, der noch nicht gehoben ist. Da solche Informationen das Gold der Zukunft sind, müssen diese Nuggets geschürft und verarbeitet werden.
Zusätzlich sind der 5G-Funkstandard und Edge Computing nur Beispiele dafür, wie sich Anwendungen in die Nähe des Users verlagern lassen – sei es in der Logistik, im Automotive- oder im Produktionsbereich. Mit diesen technologischen Innovationen gilt es, völlig neue Modelle für den Geschäftsbetrieb zu entwickeln, die in der Unternehmensstrategie verankert werden müssen.
Geschäftsführung muss zum Change-Agent werden
Ein entscheidender Punkt bei der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist die Unterstützung des Wandels durch die Geschäftsleitungsebene. Es gilt, durch die kommunikative Begleitung, die Vision hinter der Transformation für die gesamte Belegschaft transparent zu machen. Werden von vornherein alle Mitarbeiter in den Change-Prozess eingebunden, lassen sich Widerstände abbauen und Ängste um einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes begegnen, die mit jedem Veränderungsprozess einhergehen. Haben die Mitarbeiter Kenntnis über die langfristigen Ziele, die mit der Einführung technologischer Neuerungen erreicht werden sollen, lassen sich Abwanderungstendenzen vorbeugen.
Durch gezielte Aufklärungsarbeit, die an der Firmenspitze starten sollte und sich konsequent durch alle Hierarchieebenen fortsetzt, kann der Wandel eingeleitet und durch alle Stadien der Umsetzung begleitet werden. Kommunikation wirkt für die Digitalisierung als Katalysator und beugt vor, dass der Prozess durch mangelndes Verständnis ins Stocken gerät.
Der Schutz digitaler Assets ist Chefsache
Die herkömmliche netzwerkbasierte IT-Security-Infrastruktur kann distribuierte, digitale Geschäftsprozesse nicht mehr adäquat absichern. Es geht schon lange nicht mehr nur darum, Server und Applikationen vor dem Zugriff aus dem Internet zu schützen. Wenn Mitarbeiter des hybriden Arbeitens das Unternehmen verlassen und Applikationen in die Cloud abwandern, ergibt eine Hub-&-Spoke-Netzwerkarchitektur keinen Sinn mehr. Zero Trust tritt dabei als Lösungsansatz an, digitalisierte Geschäftsprozesse und Datenströme ganzheitlich und regelbasiert abzusichern.
Geschäftsleitung und IT müssen es sich zum Ziel machen, Kommunikations-Möglichkeiten jeglicher digitaler Assets auf das Minimum zu reduzieren und diese Assets möglichst unsichtbar zu machen «you can’t attack what you can’t see». Beim Zero-Trust-Ansatz geht es darum, niemandem einen Vertrauensvorschuss einzuräumen, weder den eigenen Mitarbeitern, Applikationen, IoT-Devices oder sonstigen im internen oder externen Netz befindlichen Komponenten oder Personen.
Der Autor
Christoph Heidler ist VP Global Transformation Strategy & CIO EMEA bei Zscaler. www.zscaler.de