Gastbeitrag 11.03.2022, 08:00 Uhr

Cloud-first-Strategien erfolgreich umsetzen

Die Cloud wird zunehmend zum gewichtigen Business-Faktor. Was das für die IT bedeutet und was die Unternehmen in ihrer Transformation beachten müssen, erklärt dieser Artikel.
Die Cloud-Transformation erfordert ein Umdenken sowohl vom Business als auch von der IT
(Quelle: Shutterstock/Winui)
Das Thema Cloud-Strategie/-Transformation geniesst inzwischen eine sehr hohe Priorität in den Teppichetagen und IT-Maschinenräumen vieler Firmen. Cloud-first-Strategien und Cloud-native-Szenarien stehen 2022 auf der Agenda vieler CIOs. Das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert, dass Cloud-native Plattformen bis 2025 die Grundlage für 95 Prozent aller digitalen Vorhaben bilden werden: Waren Clouds bisher insbesondere Technologie-Disruptoren, sehen wir nun die starke Bewegung in Richtung des Business und dessen Applikationen – die Clouds werden zu Business-Disruptoren. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diesen Übergang zu gestalten. Die Cloud-Transformation muss auf die nächste Ebene gehoben ­werden. Welcher Ansatz ist dabei Erfolg versprechend?
Wir finden heute sehr reife IT-Organisationen und Prozesse vor, die verschiedenste IT-Capabilities und Applikationen zur Verfügung stellen. Über Jahre oder gar Jahrzehnte sind diese entstanden und gereift, die Prozesse sind eingeschliffen, Tools und Policies etabliert und die Security ist unter Kontrolle. Bewegen wir uns in die Cloud, betreten wir neues Terrain. Es ist fast so, als würden wir bei der Journey to the Cloud auf den Mars fliegen: Hier gelten andere physikalische Gesetze, das Terrain ist ständig in Bewegung und nicht in seiner Gesamtheit unter ­unserer Kontrolle. Doch lässt sich in dieser Umgebung mit Leichtigkeit höher springen.
Einen Zugang zur Nutzung von Cloud-Diensten zu ­legen, der es ermöglicht, das volle Potenzial der Cloud-nativen Plattformen auszuschöpfen, bedeutet zuerst mal Neuland. Cloud Computing gehört zu den «Exponential Technologies» und wird darum oft visuell in der «Hockey Stick»-Grafik dargestellt. Es ist ein substanzielles Investment nötig, bis der Impact exponentiell anzieht. Die Cloud-«Pay as you go»-Pricing-Modelle erlauben jedoch auf diesem Weg kosteneffiziente Experimente und damit schnelles Lernen. Fehlendes Bewusstsein hierfür führt oft zu überhöhten Erwartungen und nicht an das Cloud-­Szenario angepasste organisatorische Strukturen verhindern eine konsequente Transformation.

Erstes Cloud-natives Projekt realisieren

Die Journey to the Cloud stellt also eine grosse Heraus­forderung dar. Die Antwort auf solche Situationen ist uns bestens bekannt: ein agiler Approach. Ein vielversprechender Ansatz lautet dabei: bewusst Komplexität weglassen sowie einen ersten konkreten Cloud-Anwendungsfall identifizieren und umsetzen. Vorerst verzichtet wird auf eine Integration in die bestehende Systemlandschaft.
Unsere Erfahrungen mit diversen Cloud-nativen Projekten zeigen, dass so schnell auf relevante Fragestellungen – etwa in den Bereichen Cloud-Governance, Architektur und Technologie, Security sowie neue Kostenmodelle oder ­Automatisierung – reagiert werden kann. Im Bereich Daten und Security müssen wir uns in einer Public-Cloud-Umgebung mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Wo liegen unsere Daten? Wer darf von wo aus auf das System zugreifen? Welche Daten dürfen von wem eingesehen ­werden? Geregelt wird dies einerseits mit der Nutzung von Cloud-nativen Services im Bereich Zugriffsmanagement und von rollenbasierten Konzepten sowie der Einführung des Zero-Trust-Prinzips und somit von Security-by-Design. Andererseits müssen wir uns in einer Public-Cloud-Umgebung zwingend mit dem Shared-Responsibility-Modell auseinandersetzen, um zu verstehen, welchen Teil der ­Security der Cloud-Anbieter beisteuert und welchen Teil wir selbst sicherstellen müssen.

Etablierung eines Cloud-Innovationszyklus

Eine Landing Zone kann als Startpunkt innerhalb der Journey to the Cloud erstellt werden oder aber nach der konkreten Umsetzung eines oder mehrerer Cloud-Anwendungsfälle. Die Landing Zone stellt den Zugang zu Cloud-Services sicher und implementiert die benötigte Cloud-Governance, was auch die Sicherstellung zur Einhaltung regulatorischer Compliance beinhaltet. Insbesondere in stark regulierten Branchen – etwa im Banking, bei Ver­sicherungen oder im medizinischen Umfeld – ist dieses Thema besonders relevant. So stellt der Umgang mit ­Client Identifying Data (CID) oder Patientendaten nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Der Zugang zu Cloud-Services und Ressourcen kann nicht unkontrolliert erfolgen, sondern muss kuratiert werden. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden. Denn einer der Hauptvorteile der Cloud ist es, über Selfservice-Mechanismen verschiedene Cloud-Dienste zur Verfügung zu stellen, um das Business mit maximaler Geschwindigkeit zu unterstützen. Nur so finden neue Ideen schneller den Weg zu den Endkunden. Zu viel Governance würgt diesen Vorteil ab. Ein Anti-Pattern, das wir oft antreffen, ist die Entwicklung einer ausgeklügelten Landing Zone, die jedoch mehr Hindernis als Enabler für das Business darstellt. Darum sollte die Landing Zone auf dem Weg stetig weiterentwickelt werden – mit einem Hauptfokus auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Geschäftseinheiten. So wird ein sich wiederholender Cloud-Innovationszyklus etabliert; von Business-Bedürfnissen über Proof-of-Concepts bis hin zur ­Umsetzung komplexer Cloud-Projekte. Dadurch steigert sich die Cloud-Maturität sehr effizient.
“Innovation in der IT findet künftig nur noch in der Cloud statt„
Jürg Borter
Irgendwann erreichen wir mit unserem Cloud-Innova­tionszyklus die Steigung in der «Hockey Stick»-Kurve. Wir stellen den Geschäftseinheiten über ausgereifte Selfservice-Mechanismen und durch einen hohen Automatisierungsgrad kuratierte Cloud-Dienste zur Verfügung. Keine Ticketing-Systeme und wenig manuelle Prozesse, sondern vielmehr eine Schnellstrasse zum Cloud-Ökosystem machen die IT zum Business-Enabler für neue Anwendungsfälle und Geschäftsfelder. Zur Verschiebung von Applikationen in die Cloud gibt es inzwischen diverse etablierte Herangehensweisen und Frameworks. Durch die Verschiebung der Applikationen und Daten in die Cloud können mächtige Integrationen und Datenplattformen entwickelt werden. Die Umsetzung von Analytics-Anwendungsfällen unter Nutzung entsprechender Cloud-nativer Services schaffen in der veränderten Physik der Cloud nie da gewesene Insights, Entscheidungsgrundlagen und neue Kundenerlebnisse. Weiter können auf Basis der Cloud-Technologie Services über APIs zur Verfügung gestellt oder konsumiert werden. So entstehen in kürzester Zeit neue Plattformen, etwa in der Allfinanz, auf denen neue End-to-End-Business-Modelle auf den Markt gebracht werden.

Cloud-Maturität effizient steigern

Die Journey to the Cloud erfordert ein komplettes Um­denken bei Business und IT. Die Etablierung eines Innovationszyklus unter Anwendung agiler Prinzipien sorgt dafür, dass die Cloud-Maturität effizient und effektiv gesteigert werden kann. Die Sponsoren der Transformation müssen sich der exponentiellen Charakteristik neuer Technologien bewusst sein. Das Investment führt zur ­exponentiellen Steigerung der Time-to-Market- und der Business-Agilität. Innovation in der IT findet künftig nur noch in der Cloud statt. Darum müssen sich Firmen zwingend mit der neuen Physik auseinandersetzen.
Der Autor
Jürg Borter
Zühlke
Jürg Borter ist Leiter Cloud-Practice bei Zühlke Schweiz. www.zuehlke.com



Das könnte Sie auch interessieren